Adalbert Franz Seligmann
Adalbert Franz Seligmann, * 2. April 1862 Wien, † 13. Dezember 1945 Wien, Maler, Graphiker, Kunstkritiker.
Biografie
Adalbert Franz Seligmann war das einzige Kind von Therese, geborene Kolowrat-Herberstein von Moltke, und Romeo Seligmann, einem renommierten Arzt und Medizinhistoriker der Universität Wien. Er besuchte das Wasagymnasium und studierte nach der Matura von 1880 bis 1887 an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Christian Griepenkerl und Karl August Ludwig Wurzinger sowie an der Münchner Kunstakademie, wo er die Meisterklasse des ungarischen Historienmalers Sándor von Wagner abschloss. Zurück in Wien hatte er ein Atelier in der Mariahilfer Straße und wurde in der Genossenschaft bildender Künstler Wiens aufgenommen. Seligmann debütierte 1887 im Künstlerhaus mit dem Historiengemälde "Leopold von Babenberg rettet Kaiser Otto auf der Bärenjagd". Sein wohl bekanntestes Werk ist das 1890 fertiggestellte Gemälde "Der Billrothsche Hörsaal im Wiener Allgemeinen Krankenhaus", für das er Vorlesungen und Operationen des berühmten Chirurgen Theodor Billroth besuchte und im Hörsaal, wie im Bild selbst zu sehen ist, Skizzen anfertigte. Seligmann hatte 1903 eine Einzelausstellung in der Galerie Miethke, für das Gemälde "Die Verlesung der pragmatischen Sanktion" wurde er 1912 mit der Kleinen Goldenen Staatsmedaille ausgezeichnet.
Neben der Porträt- und Historienmalerei begab sich Seligmann ab den 1890er-Jahren auf weitere Betätigungsfelder: Er arbeitete vermehrt als Buchillustrator, allen voran für die erzählerischen Werke Ludwig Ganghofers; für die Festschrift zum 70. Geburtstag von Ferdinand von Saar im Jahr 1903 lieferte er den Buchschmuck. Dazu kam sein Engagement im Bereich der künstlerischen Pädagogik. Seligmann war Mitinitiator, Direktor und Lehrer der 1897 gegründeten Kunstschule für Frauen und Mädchen und stellte sein Atelier in der Bäckerstraße 1 für Lehrveranstaltungen zur Verfügung. Eine seiner Schülerinnen war Klementine Metternich, über deren Vermittlung eine intensive Freundschaft zwischen deren Mutter Pauline Metternich-Sándor und Seligmann entstand.
1905, nachdem er bereits für die "Wiener Sonn- und Montags-Zeitung" und "Die Wage" als Kunstreferent gearbeitet hatte, wurde Seligmann Feuilletonist der "Neuen Freien Presse". Als Kritiker mit großem Einfluss vertrat er den Kunstgeschmack des Wiener Großbürgertums, den er zugleich mit seinen Feuilletons formte. Selbst aus der akademischen Malerei kommend, versuchte er ein kritisches, aber differenziertes Bild der modernen Kunst, besonders der Protagonisten der Wiener Sezession, zu vermitteln. Der Bildung verfeindeter Lager in Kunstproduktion und Kunstkritik stand er skeptisch gegenüber. Nach dem Zusammenbruch der Habsburger-Monarchie verlor er allmählich seine erstrangige Bedeutung als Kunstkritiker, berichtete aber noch bis 1938 von Ausstellungen und Kunstereignissen, begleitet von autobiographischen Essays und Erinnerungen. Für seine frühen journalistischen Arbeiten verwendete Seligmann mitunter das Pseudonym Plein-air, später zeichnete er mit den Initialen A.F.S.
Trotz jüdischer Wurzeln überstand Seligmann die Zeit des Nationalsozialismus in Wien, wo er am 13. Dezember 1945 mit 83 Jahren starb.
Die Wienbibliothek im Rathaus besitzt seit 1946 den Bestand "Teilnachlass Adalbert Franz Seligmann", der sich – neben circa 50 Werkmanuskripten besonders seiner journalistischen Tätigkeit – aus 1150 Briefen und Postkarten zusammensetzt. Die wichtigsten Schreiber*innen darunter sind Pauline Metternich-Sándor, Klementine Metternich, Karl Lanckoroński und Johann Nepomuk Wilczek; auch Familienkorrespondenz mit den Eltern aus der frühen künstlerischen Laufbahn ist vorhanden.
Werke (Auswahl)
- Adalbert Franz Seligmann: Kritische Studien. Wien: A. Schroll 1904
- Adalbert Franz Seligmann: Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe in den Jahren 1905–1907. Wien: H. Heller 1908
- Adalbert Franz Seligmann: Kunst und Künstler von gestern und heute. Gesammelte Aufsätze. Wien: C. Konegen 1910
- Adalbert Franz Seligmann: Ein Bilderbuch aus dem alten Wien. Denkwürdigkeiten und persönliche Erinnerungen in Bild und Wort. Wien/Leipzig: Deutsch-Österreichischer Verlag 1913
- Adalbert Franz Seligmann [Hg.]: Carl Leopold Müller. Ein Künstlerleben. Wien: Rikola 1922
- Adalbert Franz Seligmann: Die letzten aus dem Schubertkreis. Persönliche Erinnerungen. [Ohne Verlag] 1936
- Widmungen zur Feier des siebzigsten Geburtstages Ferdinand von Saar’s. Hg. von Richard Specht. Buchschmuck von A. F. Seligmann. Wien: Wiener Verlag 1903
Quellen
- Wienbibliothek im Rathaus: Teilnachlass Adalbert Franz Seligmann
- Wienbibliothek Digital: Adalbert Franz Seligmann
Literatur
- Maximilian Kaiser: Wiener Ansichten zur Kunst der Avantgarde. Geschichte, Netzwerk und Diskurs der Kunstkritik zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Wien/Hamburg: new academic press 2020, besonders S. 60ff., S. 245
- R. Buchberger: Der Billrothsche Hörsaal im Wiener Allgemeinen Krankenhaus. Gemälde von Adalbert F. Seligmann. In: Wiener Klinische Wochenzeitschrift. Nr. 48 vom 02.12.1966 (78. Jahrgang), S. 853–856
- Theophila Wassilko: Fürstin Pauline Metternich. Wien: Verlag für Geschichte und Politik [1958]
Adalbert Franz Seligmann im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.