Ein vom Landesfürsten ernannter Funktionär, der (ohne Wahl oder Wahlvorschlag) in dessen Namen den Sitzungen des Inneren Rats beiwohnte und die Aufgabe hatte, Beschlüsse, die gegen die Interessen des Landesfürsten gerichtet waren, zu verhindern und allgemein eine Kontrollfunktion über den Rat auszuüben; so überwachte er etwa die Vorgänge bei den Beratungen und die Frequenz der Ratssitzungen. Der Stadtanwalt, dessen Funktion als Ehrenamt zu betrachten ist (der jedoch aus dem städtischen Budget eine Remuneration erhielt), kam meistens aus dem Kreis der Landadeligen und war nur selten ein Wiener Bürger. Das Amt bestand bis zur Josephinischen Magistratsreform 1783.
Ein 1362 urkundlich belegter "anwalt an derstat" bezieht sich auf einen Münzanwalt; ob es sich bei dem Beleg, nach welchem der Herzog 1383 zur Kontrolle der Bürger zwei Ritter in den Rat entsandte, bereits um einen Vorläufer des Stadtanwalts handelte, muss offen bleiben. Die erste gesicherte Nennung eines Stadtanwalts fällt erst in das Jahr 1397 (Jörg Flemming; † 25. April 1404). Es besteht die Möglichkeit eines Zusammenhangs mit dem Ratswahlprivileg von 1396. Während der Zeit der ungarischen Herrschaft (1485 bis 1490) erfuhr das Amt eine Aufwertung.
Liste der Stadtanwälte
- Jörg Flemming (1397-1403)
- Hans von Velben (1404-1406)
- Wolfhart Inprucker (1406-1410 und 1412-1413 [bis 1415?])
- Reinprecht Grabner (1411)
- Hans Zink (1416-1422 [1423?])
- Jobst Hauser (1424-1429)
- Überlieferungslücken 1430-1436
- Hans Walich (1437-1441)
- Marchart Kersperger (1442-1445)
- Wemhart Fuchsperger (1446)
- Jakob Seebeck (1447-1451)
- Thomas Wisent (1452)
- Kristof Pötinger (auch: Christoph Pölinger) (1453-1458)
- Hans Neidecker (1459-1460)
- Lienhard Jempnitzer (1461)
- Jörg von Pellendorf (1462-1468)
- Virgilius Schrutauer(1468-1479, 1485-1490, während der ungarischen Besetzung unter Matthias Corvinus)
- Jörg Kranperger (1479-1485)
- Niklas Teschler (1485)
- Sigmund Maroltinger (1491-1495)
- Bernhard Perger (1496-1497)
- Jörg Schrättl (1498-1499)
- Ulrich Stoppl (1499-1500 [bis 1502?])
- Walther von Andlau (1503-1505)
- Hans Gutenstein (1506-1515)
- Johannes Cuspinian (1516-1529)
- Hans Aprallrer (1530-1538)
- Wolfgang Treu (1539-1540)
- Stefan Agler (1540)
- Leopold Schadner (1540)
- Dionys Keck (1541-1543)
- Andreas Lindauer (1543-1552, siehe Lindauergasse)
- Johann Jordan (1553-1560)
- Ferdinand Kollonilseh (1561-1563)
- Hermann Bayer (1564-1566)
- Kaspar von Lindegg (1567-1579)
- Matthäus Pneu (1579-1597)
- Andreas Schellenperger (1597-1611)
- Sebastian Weininger (1612-1621)
- Sebastian Tengnagel (1622-1636)
- Andreas Fiener (1636-1639)
- Georg Lacker (1640)
- Georg Gottfried Reitenspieß (1641-1648)
- Johann Bernhard Franck von Franckenau (1649-1666)
- Johann Heinrich Sickmann (1667-1683)
- Johann Jakob von Rosenhaim (1684-1689)
- Johann Werner Kleinhans von Sonnenfeldt (1690-1699)
- Joseph Karl Loiselli (1700-1733)
- Werner Jordan von Eckard (1734-1763)
- Jakob Joseph Woller von Wollersfeld (1764-1776)
Bis 1783 war das Amt nicht mehr besetzt.
Quellen
Literatur
- Otto Brunner: Zur Verfassungsgeschichte Wiens im späteren Mittelalter. In: Monatsblatt des Vereins für Geschichte der Stadt Wien. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1919-1938. Band 9, 1927, S. 199
- Peter Csendes: Die bisher früheste namentliche Nennung eines Wiener Stadtanwalts. In: Wiener Geschichtsblätter 26 (1971), S. 245 f.
- Leopold Fischer: Brevis notitia urbis Vindobonae. Potissimum veteris. Ex variis documentis collecta 2. Vindobonae: Jahn 1768, S. 141 ff.
- Helmuth Größing: Die Wiener Stadtanwälte im Spätmittelalter. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 26 (1970), S. 36 ff.
- Richard Perger: Die Wiener Ratsbürger 1396–1526. Wien: Deuticke 1988 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 18), S. 22
- Leopold Sailer: Die Wiener Ratsbürger des 14. Jahrhunderts. Wien: Deutscher Verl. f. Jugend u. Volk 1931 (Studien aus dem Archiv der Stadt Wien, 3/4), S. 25
- Gerlinde Sanford: Wörterbuch von Berufsbezeichnungen aus dem siebzehnten Jahrhundert. Gesammelt aus den Wiener Totenprotokollen der Jahre 1648-1668 und einigen weiteren Quellen. Bern / Frankfurt am Main: Lang 1975 (Europäische Hochschulschriften. Reihe 1: Deutsche Sprache und Literatur, 136), S. 4