Bodencreditanstalt
Bodencreditanstalt (1., Löwelstraße 20, Teinfaltstraße 8-8a; Allgemeine österreichische Bodencreditanstalt).
Gebäude
Das Gebäude wurde 1884-1887 nach Plänen von Emil Ritter von Förster (Baumeister Alois Schumacher, Bildhauerarbeiten A. Szily) erbaut und steht teilweise auf dem Areal des ehemaligen Klepperstalls (Kleppersteig). 1938 wurde das Gebäude als Sturmabteilung-Kaserne benutzt, nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Amtsstellen der Niederösterreichischen Landesregierung und die Landesparteileitung Niederösterreich der ÖVP untergebracht (Amtsgebäude der Niederösterreichischen Landesregierung). In der Löwelstraße Gedenktafel mit Metallrelief zum Gedenken an die im Kampf gegen die Türken 1683 gefallenen Handwerker.
Institut
Gründung und Blüte
Die k.k. Priv. Allgemeine österreichische Bodencreditanstalt (Sitz: 1, Löwelstraße 20, Teinfaltstraße 8-8a) wurde 1863 von österreichische und französischen Bankiers (u.a. Simon Georg Sina d.J.) gegründet.[1] Sie war die Bank der Aristokratie und des Kaiserhauses, dessen Geld sie verwaltete. Ihre Stärke in der Monarchie war vorerst die Finanzierung des Eisenbahnbaus und das Hypothekargeschäft, wo sie fast ein Monopol besaß. 1873 konnte sie nur durch eine Stützungsaktion des Finanzministeriums in Höhe von 20 Mio. fl, für die anderen Großbanken eine Wechselbürgschaft übernahmen, gerettet werden. 1875 gelang ihr jedoch eine wirtschaftliche Erholung und die Rückzahlung des aufgenommenen Kredites. Ab 1899 widmete sie sich auch den anderen Bankgeschäften. Sie baute unter dem Präsidenten Theodor von Thaussig einen Industriekonzern in allen Kronländern, vor allem in der Textilindustrie, auf und wandelte viele Privatfirmen in Aktiengesellschaften um. Diese Bank war zentralistisch organisiert und hatte keine Zweigstellen. Sie war hinter der Creditanstalt das zweitgrößte Institut Österreichs.
Niedergang
Nach dem Zerfall der Monarchie beteiligte sie sich mit unterschiedlichen Erfolg an zahlreichen Banken und Industrieunternehmungen in den Nachfolgestaaten, weil ihr Kerngeschäft, der Hypothekarkredit, praktisch zum Stillstand gekommen war. 1927 gelang ihr unter ihrem – noch von Kaiser Franz Joseph 1910 eingesetzten – Präsidenten Rudolf Sieghart der Erwerb der Allgemeinen Verkehrsbank und der Unionbank, womit ihr nicht nur der Erwerb eines großen Filialnetzes, sondern auch ein Ausbau ihres Industriekonzerns (Schwer-, Elektrizitäts- und Papierindustrie) gelang. Sieghart galt als wesentlicher Financier der Heimwehren und kontrollierte einen Zeitungskonzern um das Neues Wiener Tagblatt, womit er eine klar antimarxistische Linie verfolgte. Seine extrem expansive Bankpolitik, die stets mit der Familie Rothschild konkurrierte, fand im Jahr 1929 ihr Ende, als die „Boden“ – wie sie meist genannt wurde - hochverschuldet im Oktober 1929 bei Bundeskanzler Schober um eine rasche Sanierung ansuchen musste. Sieghart hatte sich bei seiner Beteiligungspolitik übernommen, allein sein Steyr-Konzern hatte Außenstände von 106 Mio. S oder 120 % des Eigenkapitals der Bank. Schober zwang Louis Nathaniel Rothschild und die Creditanstalt, die sich in seinem mehrheitlichen Besitz befand, zu einer Fusion und leitete damit die wirtschaftliche Katastrophe dieser größten österreichischen Bank im Jahr 1931 ein. Dabei erhielten die Aktionäre der Bodencreditanstalt zwar nur CA-Aktien im Ausmaß von einem Achtel des letzten Kurswertes, ein formeller Zusammenbruch des ehrwürdigen Instituts konnte aber immerhin vermieden werden.[2]
Literatur
- Karl Ausch: Als die Banken fielen. Europa Verlag Wien/Frankfurt/M./Zürich 1968, S.307-334
- Felix Czeike: I. Innere Stadt. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1983 (Wiener Bezirkskulturführer, 1), S. 168
- Peter Eigner, Peter Melichar: Das Ende der Boden-Credit-Anstalt 1929 und die Rolle Rudolf Siegharts. In: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 19 (2008), Heft 2, S. 56-114
- Peter Eigner, Michael Wagner, Andreas Weigl: Finanzplatz: Wien als Geld- und Kapitalmarkt. In: Günther Chaloupek, Peter Eigner, Michael Wagner: Wien – Wirtschaftsgeschichte. Teil 2, Wien 1991
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 321
- Technischer Führer durch Wien. Hg. vom Österreichischen Ingenieur- und Architekten-Verein. Red. von Martin Paul. Wien: Gerlach & Wiedling 1910, S. 474 f.
- Renate Wagner-Rieger [Hg.]: Die Ringstraße. Bild einer Epoche. Die Erweiterung der Inneren Stadt Wien unter Kaiser Franz Joseph. Band 4. Wiesbaden: Steiner 1969-1981, S. 211
- Fritz Weber, Vor dem großen Krach. Österreichs Bankwesen der Zwischenkriegszeit am Beispiel der Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe (Studien zur Wirtschaftsgeschichte und Wirtschaftspolitik 9), Wien/Köln/Weimar: Böhlau 2016