Heimwehr
Heimwehr (auch Heimatschutz). Politische Bewegung in Österreich, entstanden nach dem Zerfall der Monarchie 1918. Handelte es sich zunächst um bürgerliche „Selbstschutzverbände" in den einzelnen Bundesländern zur Verhinderung kommunistischer Räterepubliken (wie solche kurzfristig in Ungarn und Bayern bestanden) und zum Schutz der Grenzen in den Bundesländern Steiermark und Kärnten, so richteten sich die Aktivitäten der Heimwehrverbände in weiterer Folge vor allem gegen die Sozialdemokratie (Abwehr einer „Diktatur des Proletariats").
1926 schlossen sich die Verbände in Vorarlberg, Tirol, der Steiermark, Kärnten, Salzburg und Oberösterreich zum „Bund alpenländischer Selbstschutzverbände" zusammen, 1927 kam es zur Vereinigung desselben mit den Verbänden in Wien, Niederösterreich und Burgenland und zur Wahl einer Bundesführung. Die Heimwehr wurde durch Industrielle (insbesondere aus der Steiermark) gefördert, von der Regierung hingegen nicht immer (so war beispielsweise Ignaz Seipel für die Heimwehr, wogegen Johann Schober Distanz bewahrte); die Bewaffnung erfolgte teils aus Beständen der einstigen k. u. k. Armee, teils durch Lieferungen aus dem faschistischen Italien. Die Gegenorganisation auf sozialdemokratischer Seite war der Republikanische Schutzbund. Nach der Radikalisierung in der Innenpolitik, insbesondere im Gefolge der Ereignisse vom 15. Juli 1927 (Demonstration vor dem Justizpalast gegen das Urteil im Schattendorfer Prozess; im Zuge dieser Demonstration brannte der Justizpalast aus; Julidemonstration), entwickelte sich die Heimwehr zu einer bewaffneten bürgerlichen Kampfbewegung, die in der Innenpolitik stärkeren Einfluss gewann, wobei in Wien vor allem Ernst Rüdiger von Starhemberg und Emil Fey Hauptrollen spielten. Im Korneuburger Programm (am 18. Mai 1930 verkündete Bundesführer Richard Steidle auf einer Kundgebung den Korneuburger Eid, der in gewisser Hinsicht eine Antwort auf das Linzer Programm der Sozialdemokraten sein sollte) bekannten sich die Führer der Heimwehr bei gleichzeitig erhobenem Machtanspruch im Staat zu den Grundsätzen des Faschismus, lehnten Demokratie und Parlamentarismus ab und traten für die ständische Gliederung eines autoritär geführten Staats ein; die Spaltung in einen deutschnationalen und einen monarchistischen Flügel bedeutete allerdings eine Schwächung für die Heimwehr.
Am 2. September 1930 wurde Starhemberg Bundesführer; für die Nationalratswahl 1930 stellte er eine eigene Liste, den „Heimatblock", auf (der acht Mandate errang), wogegen sich Fey, insbesondere in Wien und Niederösterreich, mit den Christlichsozialen verband. Seither blieb der Gegensatz zwischen Starhemberg und Fey ein entscheidendes Element in der inneren Entwicklung der Heimwehr. Nach dem Scheitern eines im September 1931 von Dr. Walter Pfrimer versuchten Staatsstreichs („Pfrimer-Putsch") schloss sich seine steirische Gruppe den Nationalsozialisten an. Am 30. März 1933 verbot Bürgermeister Karl Seitz als Reaktion auf die Auflösung des Schutzbunds durch die Bundesregierung die Heimwehr in Wien, doch wurde das Verbot unmittelbar danach durch ein Veto der Regierung Dollfuß vereitelt. Die Proklamierung der autoritären Führung der Staatsgeschäfte durch Dollfuß am 7. März 1933 (nach dem aus abstimmungstaktischen Gründen erfolgten Rücktritt der drei Nationalratspräsidenten am 4. März), die Gründung der Vaterländischen Front (VF) am 20. Mai 1933 sowie zunehmend aggressivere Reden von Starhemberg und Fey (insbesondere anlässlich der 250-Jahr-Feier der Zweiten Türkenbelagerung am 12. September 1933, als gefordert wurde, die Sozialdemokraten gewaltsam aus dem Rathaus zu vertreiben) bildeten den Auftakt zu den Februarkämpfen 1934, in deren Verlauf die Heimwehr als Hilfstruppe eingesetzt wurde.
Im Ständestaat hatte die Heimwehr zunächst mit den Posten des Vizekanzlers, des Innenministers und anderer Minister wichtige Positionen inne, zeitweise war Starhemberg auch Bundesführer der VF. Als er am 20. Jänner 1935 eine Auseinandersetzung der Heimwehr mit Bundeskanzler Kurt Schuschnigg ankündigte, kam es zum Machtkampf, in dem sich Schuschnigg, der am 13. Mai 1936 Starhembergs Rücktritt verlangte und nach dem im Oktober 1936 erfolgten Sturz Starhembergs am 3. November 1936 eine Regierung ohne Beteiligung der Heimwehr bildete, durchsetzen konnte. Die Heimwehr wurde aufgelöst, ihre Wehrverbände wurden als „Frontmiliz" in die VF eingegliedert.
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Literatur
- Walter Wiltschegg: Die Heimwehr. Eine unwiderstehliche Volksbewegung? Wien: Verlag für Geschichte und Politik 1985
- Lajos Kerekes: Abenddämmerung einer Demokratie - Mussolini, Gömbös und die Heimwehr. Wien [u.a.]: Europa Verlag 1966 (Europäische Perspektiven)
- Ernst Rüdiger Starhemberg: Memoiren. Mit einer Einleitung von Heinrich Drimmel. Wien [u.a.]: Amalthea-Verlag 1971
- Bruce F. Pauley: Hahnenschwanz und Hakenkreuz. Der steirische Heimatschutz und der österreichische Nationalsozialismus 1918-1934. Wien [u.a.]: Europaverlag 1972