Gerichtsorganisation

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Letzte Änderung am 10.01.2020 durch WIEN1.lanm08son

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Gerichtsorganisation. Nach dem Stadtrecht 1221 verwaltete die Bürgergemeinde innerhalb des Burgfrieds alle städtischen Angelegenheiten (Stadtgericht, Stadtrichter). Daneben gab es das Hofgericht, das Judengericht (Judenrichter) und das Münzgericht. Die Klöster unterstanden der Gerichtsbarkeit des Hofmarschalls, vor das geistliche Gericht gehörten Klagen über Ehebruch und die Gerichtsbarkeit in Personalangelegenheiten der Geistlichen. Außerdem gab es den Frauenrichter (der die Frauenhäuser beaufsichtigte), den Mistrichter (der für Reinlichkeit sorgte) und den Krebsenrichter (der den [Fisch-]Markt beaufsichtigte). Rudolf IV. beschränkte die Gerichtsorganisation auf das Hof-, Stadt-, Münz- und Judengericht.

Unter Maria Theresia wurde das Stadtgericht eine aus rechtskundlichen Beamten zusammengesetzte landesfürstliche Behörde. Bis 1782 war die Niederösterreichische Landesregierung zweite Instanz aller Gerichtsstellen, für die kein besonderer Instanzenzug vorgeschrieben war; danach übernahm diese Kompetenz das Appellationsgericht. Die bis 1848 bestehenden Grundherrschaften nahmen bestimmte Agenden der Gerichtsbarkeit in Anspruch, die zu Kompetenzstreitigkeiten mit den städtischen Behörden führten, weshalb Leopold I. 1698 ein Burgfriedensprivileg erließ, das den Burgfriedensrayon juridisch und territorial definierte. Die Josephinische Magistratsreform (1783) führte zu einer veränderten Organisation; das Kriminal- und das Zivilgericht bildeten bis 1848 Bestandteile des Magistrats und wurden von je einem Vizebürgermeister geleitet (Kriminal- und Zivilgerichtssenat). Zum Jurisdiktionsbereich gehörten (1795) Wien und die Vorstädte sowie Purkersdorf, Ebersdorf und Jedlesee; 1807 (Fünfhaus, Sechshaus, Währing) und 1809 (Traiskirchen, Herrschaft St. Veit, Leopoldsdorf) wurde der territoriale Einzugsbereich vergrößert. Ab 1841 bestand der Kriminalsenat als „Kriminalgericht der k. und k. Haupt- und Residenzstadt", der ihm vorstehende Vizebürgermeister erhielt den Titel Präses.

1848-1918: Am 31. Juli 1849 wurden in Wien acht Bezirksgerichte installiert. Aufgrund des Erlasses des Justizministeriums von 21. August 1849 erhielt die Oberste Justizstelle, die nur mehr als Gerichtsbehörde tätig sein sollte, die Bezeichnung „Oberster Gerichtshof“. Diesem zugeordnet war die Generalprokuratur (als deren Vorläufer im 15. Jahrhundert der Kammerprokurator zu nennen ist, der zwar ein Organ der Finanzhoheit und Vermögensadministration des Landesfürsten war, als solcher jedoch auch die Belange seines Herrn vor den Gerichten zu vertreten hatte). Am 19. Jänner 1853 wurde das Oberlandesgericht Wien für Österreich unter und ob der Enns sowie Salzburg begründet (seit 22. Juli 1921 gehört zum Sprengel das Burgenland), am 25. November 1853 das Landesgericht und das Handelsgericht Wien errichtet. Das Gesetz von 14. Mai 1869 gab dem Handelsminister das Recht, Gewerbegerichte zu errichten; am 13. November 1871 wurde das Gewerbegericht in Wien begründet.

Erste Republik: 1918 wurde die Generalprokuratur in Generalstaatsanwaltschaft umbenannt, 1924 griff man wieder auf den ursprünglichen Titel zurück. Am 23. September 1920 kam es zur Einrichtung eines Jugendgerichts, das in der Form eines selbständigen Bezirksgerichts dem Landesgericht für Zivilrechtssachen unterstellt wurde; am 18. Juli 1928 wurde ein Jugendgerichtshof eingerichtet, dem die Strafgerichtsbarkeit in Jugendstraf- und Jugendschutzsachen sowie von Pflegschaftssachen zukommt. Am 23. August 1920 erfolgte die Teilung des Landesgerichts Wien in drei selbständige Gerichtshöfe (Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien, Landesgericht für Strafsachen Wien I [Bezirke 1-12, 16, 17 und 20, seit 1921 ohne 16 und 17] und Landesgericht für Strafsachen Wien II [Bezirke 13-15, 18, 19 und 21, seit 1921 auch 16 und17]).

1938-1945: Aufgrund des Erlasses des Reichskanzlers vom 17. März 1938 (der auf dem „Wiedervereinigungsgesetz" beruhte) und der Verordnung über die Rechtspflege in Österreich von 22. März 1938 ging die Justizhoheit Österreichs auf das Deutsche Reich über, die Gerichte hatten Recht im Namen des deutschen Volks zu sprechen. Der Oberste Gerichtshof wurde aufgehoben, seine Zuständigkeit auf das Reichsgericht übertragen; die Generalprokuratur wurde beseitigt und ihr Aufgabengebiet der Reichsanwaltschaft beim Reichsgericht zugewiesen. Die Bezirksgerichte wurden in Amtsgerichte umgewandelt. Am 9. Februar 1939 wurden Oberösterreich und Salzburg aus dem Sprengel des Oberlandesgerichts Wien ausgeschieden (zuständig das neu geschaffene Oberlandesgericht Linz). Am 13. April 1939 wurden die drei bisherigen Landesgerichte, das Handelsgericht und der Jugendgerichtshof zum Landgericht Wien vereinigt. Am 18. Dezember 1939 wurde eine Verordnung über die Gerichtsgliederung in der Ostmark erlassen.

Zweite Republik: Das Gerichtsorganisationsgesetz 1945 von 3. Juli 1945 (Staatsgesetzblatt 47) stellte die am 13. März 1938 bestandene Organisation der Gerichte und Staatsanwaltschaftlichen Behörden sowie sonstiger Justizanstalten Österreichs wieder her. Das Behörden-Überleitungsgesetz vom 20. Juli 1945 (Staatsgesetzblatt 94) behielt die nationalsozialistische Sprengeleinteilung bei, setzte an die Stelle der Landgerichte wieder Landes- und Kreisgerichte und an jene der Amtsgerichte wieder Bezirksgerichte; der Oberste Gerichtshof, das Handelsgericht und der Jugendgerichtshof Wien wurden wiederhergestellt.

Literatur

  • Heribert Dienst: Die Entwicklung der Gerichtsorganisation in Wien. In: 200 Jahre Rechtsleben in Wien. Advokaten, Richter, Rechtsgelehrte. 21. November 1985 bis 9. Februar 1986. Wien: Eigenverlag der Museen der Stadt Wien 1985 (Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, 96), S. 150 ff.
  • Friedrich Hartl: Das Wiener Kriminalgericht. Strafrechtspflege vom Zeitalter der Aufklärung bis zur Österreichischen Revolution. Wien / Graz [u.a.]: Böhlau 1973 (Wiener rechtsgeschichtliche Arbeiten, 10)