Grundherrschaft im Vormärz (um 1825)
Nach der josephinischen Zeit war die Zahl der Herrschaften mit grundherrlichen Rentenansprüchen innerhalb der Linien auf 24 gesunken, diejenige der Ortsobrigkeiten auf sieben. Dennoch war das Stadtgebiet Wiens damit noch keineswegs homogen strukturiert. Der Magistrat hatte in der Stadt und der Umgebung nun die alleinige Kriminalgerichtsbarkeit inne (1840 neben sämtlichen Linienvorstädten auch für 36 weitere Ortschaften des Umlandes). Hinzu kamen weite Teile der Personalgerichtsbarkeit und ab 1807 die alleinige Marktobrigkeit. Damit war zumindest eine gewisse Vereinheitlichung zu Beginn des 19. Jahrhunderts erzielt.
Herrschaften innerhalb der Linien
Die sieben verbliebenen Herrschaften im Linienbereich waren (neben dem Magistrat) das Schottenstift (St. Ulrich, Neubau, Schottenfeld und Breitenfeld), das Domkapitel (Mariahilf), der Fürst Liechtenstein (Lichtental), Graf Starhemberg (Schaumburgergrund) sowie die Erben der Familien von Seegenthal (Jägerzeile) und Steinbauer (Hundsturm). Zudem beanspruchte Fürst Starhemberg ortobrigkeitliche Rechte im "Freihaus" der ihm unterstehenden Herrschaft Konradswörth sowie auf dem davorliegenden Platz für sich. Von den 32 Vorstadtgemeinden unterstanden 25 hinsichtlich der Ortobrigkeit dem Magistrat. Dieser hatte etwa 1806 den Laurenzergrund und 1810 Erdberg und Altlerchenfeld mitsamt der Orts- und Grundobrigkeit um 200.000 Gulden erwerben können. 1824 kam es schließlich zur Erwerbung des Himmelpfortgrundes. Insgesamt betrachtet lebten um 1827 jedoch noch immer über 16% der Wiener Bevölkerung unter einer geistlichen und 21% unter einer Ortsobrigkeit, die nicht dem Magistrat zukam.
Grundobrigkeitliche Situation
Innerhalb der Linien fand strukturell eine zunehmende Verlagerung von Dominikal- hin zu Rustikalland statt. Dadurch kam es zugleich zu einem erneuten relativen Anstieg der grund- und ortsobrigkeitlichen Rechte nicht-magistratischer Grundherren, da diese auf dem neu entstandenen Rustikalland lagen und nun den Grundherren zukamen, was ihr Gewicht wiederum erhöhte. Somit hatte das Bemühen Josephs II. nach der Schaffung eines möglichst vereinheitlichten Rechs- und Verwaltungsgebietes in der Stadt teils gegenläufige Folgen. Zum einen war der Einflussbereich des Magistrats bedeutend erweitert worden, zum anderen kam es jedoch zu keiner Enteignung noch Ablöse bestehender Rechte der Grundherrschaft, sodass die relativen Gewinne des Magistrats bezüglich der städtischen Grundobrigkeit zum Stillstand gelangten. Das Gebiet außerhalb des Linienwalls, das seit dem Ende des 18: Jahrhunderts und verstärkt durch das Verbot, innerhalb der Linien Fabriken und damit Arbeiterquartiere zu bauen, als Siedlungsgebiet zunehmend Bedeutung gewann und immer stärker in die Stadt integriert wurde, unterstand noch immer weitgehend geistlichen Grundherren (vor allem Klosterneuburg und den Barnabiten). Es erlangte aufgrund weitgehend unbebauter Flächen auf Dominikalland zunehmend Bedeutung für das städtische Siedlungswachstum.
Vereinheitlichung bestand nun jedoch unter anderem hinsichtlich des Bezugs der Renten aus Hausgründen im Wiener Raum, die sich im Wesentlichen der Magistrat und das Schottenstift teilten, wobei der Anteil des Magistrats deutlich überwog. Das ehemals einflussreiche Bürgerspital war nun auf weit verstreuten Besitz in den Vorstädten und einen geringen Anteil an den Hausgründen der Stadt verwiesen.
Neue Bedeutung des Bürgertums
Im Gegensatz zum späten 18. Jahrhundert hatte sich die Zahl bürgerlicher Grundbesitzer deutlich erhöht. Dies hing wesentlich damit zusammen, dass Käufer von in der Landtafel eingetragenen Güter und Realien, die keine landständische Berechtigung vorweisen konnten, die doppelte Gültsteuer zahlen mussten. Erst kurz vor 1800 ist ein zunehmendes Vordringen bürgerlicher Käufer im Bereich landtäflicher Güter festzustellen, was durch die Auflösung der Herrschaft des Bürgerspitals in den 1780er Jahren und den Abverkauf des Guts Meraviglia begünstigt wurde. Zu solchen frühen Käufern zählten unter anderem Johann Thomas von Trattner, Franz Xaver von Mayr und Franz Wenzel Dadler. Ab 1800 bemühten sich bürgerliche Gewerbetreibende zunehmend in den Besitz von dominikalen Gastwirtschaften zu gelangen, die sie teils bereits vorher als Pächter betrieben hatten. Initiiert wurde diese Tendenz durch einen seit der Jahrhundertwende, verstärkt seit 1817 einsetzenden Verkauf staatlicher Güter in großem Umfang zur Staatschuldensanierung. 1818 fiel schließlich auf allerhöchste Entscheidung die doppelte Gült für bürgerliche Käufer, was der Entwicklung weiter Auftrieb verschafften. Das Bürgertum fand besonders im Bereich der Vorstädte ein ausgedehntes Betätigungsfeld. Die Fluktuation war allerdings hoch. Landtäfliche Güter wurden nun unter wechselnden bürgerlichen Besitzern weitergegeben. Eine solche ‚Verbürgerlichung‘ war etwa seit 1801 in Pötzleinsdorf oder ab 1827 in Inzersdorf zu beobachten.
Literatur
- Walter Sauer: Grund-Herrschaft in Wien 1700-1848. Wien: Jugend und Volk 1993 (Kommentare zum Historischen Atlas von Wien, 5)