Judenplatz 1
48° 12' 41.01" N, 16° 22' 12.98" E zur Karte im Wien Kulturgut
1, Judenplatz 1 (Zur Flucht nach Ägypten; Konskriptionsnummer 403), Jordangasse 9.
Die erste urkundliche Erwähnung dieses Hauses stammt aus dem Jahr 1421, als es von Herzog Albrecht V. - wie auch die anderen Häuser der Judenstadt - eingezogen und verschenkt wurde. Aus den Dokumenten dieser Zeit geht hervor, dass es an der Schiltergasse (heute Schultergasse) lag, die damals von den Tuchlauben bis zum Judenplatz reichte und damit den zum Judenplatz führenden Ast der Jordangasse miteinschloss.
Durch nicht bezahlte Schulden kam das Haus in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in den Besitz des Kaufmannes Ulrich Perman (dem Jüngeren). Laut dem Hofquartierbuch wurde es zwischen 1563 und 1566 durch zwei zweistöckige Häuser ersetzt, die jedoch stets die selben Besitzer hatten und bereits 1664 wieder zu einem Gebäude verbaut waren. 1772 wurde es vom Mitglied des äußeren Rats und bürgerlichen Leinwandhändler Franz Josef Thury ersteigert. Das heutige Gebäude wurde im Jahr 1820 errichtet.
Das Haus trägt den Schildnamen "Zur Flucht nach Ägypten" ("Flucht in Egipten"). In den Jahren 1818/1819 wohnte Franz Grillparzer mit seiner Mutter im zweiten Stock des alten Gebäudes. Vorher wohnten beide in einer Wohnung des Schottenstiftes. Im Herbst 1818 begann Grillparzer mit der Arbeit an seinem Drama "Das goldene Vließ". Die Idee dafür hatte er während eines Erholungsaufenthaltes in Baden. In seiner Selbstbiografie berichtet er, dass ihn die turmartige Wendeltreppe des Nachbarhauses (Zum großen Jordan; Judenplatz 2), die noch 1952 in ihrer damaligen Form existierte und eine steinerne Schneckenstiege, die mittlerweile durch den Umbau des Hoftraktes nicht mehr von außen sichtbar ist, inspiriert habe. Während dieser Zeit verübte seine Mutter in der Wohnung Selbstmord. Es ist daher anzunehmen, dass Grillparzer die Wohnung aufgab, als er am 24. März 1819 auf Anraten seines Arztes eine Reise nach Italien antrat, jedoch gibt es keine Hinweise darauf, wo Grillparzer zwischen 1819 und 1821 wohnte.
Laut Czeike (Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien) wohnte auch der Konzertpianist und Komponist Otto Schulhof 1951 in diesem Haus.
Literatur
- Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Geschichte und Kultur. Band 2, 2. Teil. Wien ²1952 (Manuskript im WStLA), S. 390-393 und Anhang (Korrektur von Hans Mück zur Familie Thury)