Karoline Perin-Gradenstein
Karoline Freifrau von Perin-Gradenstein, * 12. Februar 1806 Wien, † 10. Dezember 1888 Wien, Frauenrechtlerin, Vereinsfunktionärin.
Biographie
Karoline Freifrau von Perin-Gradenstein kam am 12. Februar 1806 in Wien als Tochter des Obst- und Gemüsegroßhändlers Joseph Andreas Freiherr von Pasqualati und dessen Ehefrau Eleonore, geborene Fritsch, auf die Welt. Sie wuchs in einer wohlhabenden adeligen Familie auf und heiratete 1830 den k.k. Hofsekretär Christian Freiherr von Perin-Gradenstein. Das Paar hatte vier gemeinsame Kinder, von denen eines früh starb.
Nach dem Tod ihres Mannes 1841 ging Karoline von Perin-Gradenstein eine Beziehung mit dem ebenfalls verwitweten Alfred Julius Becher ein. Becher, der im Deutschen Reich Recht, Musik und Ästhetik studiert hatte, kam zu Beginn der 1840er Jahre nach Wien, wo er als Musikkritiker, Journalist und Hauslehrer arbeitete. Karoline von Perin-Gradenstein lernte ihn um 1845 kennen, als sie ihn als Musiklehrer für ihre Tochter engagierte. Bald darauf wurden die beiden ein Paar und sorgten aufgrund ihrer nichtehelichen Lebensgemeinschaft und ihres politischen Engagements für Gesprächsstoff. Becher war einer der führenden Köpfe der demokratischen 1848-Bewegung in Wien, Vorsitzender des "Demokratischen Vereins" und gab das – durch Karoline von Perin-Gradenstein finanzierte – Tagblatt "Der Radikale" heraus.
Wiener demokratischer Frauenverein
Karoline von Perin-Gradenstein setzte sich 1848 neben demokratiepolitischen Anliegen auch für die Frauenemanzipation ein. Einem von Katharina Strunz (allerdings anonym verfassten) Aufruf folgend, versammelten sich am 28. August 1848 rund 150 Frauen "zu patriotischen Zwecken" im Salon des Wiener Volksgartens. Die Veranstaltung verlief von Anfang an turbulent: Zunächst kam es aufgrund politisch unterschiedlicher Ausrichtungen zu intensiven Diskussionen der Frauen untereinander. Danach wurde die Versammlung von Männern gestört, die sich über die politischen Bestrebungen der Frauen lustig machten, ihnen aber auch Gewalt androhten. Die Veranstaltung musste schließlich unterbrochen und verlegt werden.
Trotz aller Widrigkeiten kam es an diesem Tag zur Gründung des "Wiener demokratischen Frauenvereins", dessen Präsidentin Karoline von Perin-Gradenstein wurde. Wenngleich der Verein nur knapp zwei Monate bis zur Niederschlagung der Revolution am 31. Oktober 1848 existierte, nimmt er in der österreichischen Geschichte eine herausragende Rolle ein. Es war der erste Frauenverein in Österreich, der explizit politische Ziele (nicht wohltätige) verfolgte. Auch im europäischen Vergleich sind die Vereinsstatuten als sehr fortschrittlich und elaboriert anzusehen: Der Verein zielte auf die politische Gleichberechtigung für Frauen ab, forderte bessere Bildung für alle Frauen und Mädchen, unterstützte Frauen unterer sozialer Schichten und setzte sich für die Ziele der revolutionären Bewegung ein. Männer konnten laut Statuten nur Ehrenmitglieder ohne Stimmrecht sein. Obwohl dem Verein vornehmlich adelige und bürgerliche Frauen angehört haben dürften, solidarisierten sich die Vereinsmitglieder mit den am 23. August 1848 verwundeten Erdarbeitern und Erdarbeiterinnen und forderten die Rücknahme der Lohnkürzungen.
Trotz des kurzen Bestehens des Vereins kam es zu zahlreichen Aktivitäten. Der "Wiener demokratische Frauenverein" war im "Zentralausschuss der Demokratischen Vereine" vertreten, was darauf schließen lässt, dass der Frauenverein von den anderen Vereinen als politischer Partner akzeptiert wurde. Am 17. Oktober 1848 übergab eine Frauendelegation unter der Leitung von Karoline von Perin-Gradenstein im Reichsrat den Abgeordneten die gesammelten Unterschriften für die Petition zur Einberufung des "Landsturms". Die Vereinsmitglieder nahmen an verschiedenen Demonstrationen und am Verteidigungskampf gegen die kaiserlichen Truppen teil.
Leben nach Niederschlagung der Revolution
Mit der Niederschlagung der Revolution am 31. Oktober 1848 war das Leben von Karoline von Perin-Gradenstein in Gefahr. Sie gehörte zu jenen Personen, deren Auslieferung zu den von Fürst Windisch-Graetz geforderten Kapitulationsbedingungen gehörte, was als Zeichen dafür gelesen werden kann, dass der Frauenemanzipation staatsgefährdender Charakter zugesprochen wurde. Karoline von Perin-Gradenstein und Alfred Julius Becher hatten die Flucht bereits vorbereitet, doch ihr Versteck wurde verraten. Karoline von Perin-Gradenstein wurde am 4. November 1848 verhaftet. Nach 23 Tagen in Haft, während der sie auch misshandelt wurde, kam sie als psychisch kranke Frau frei. Auf Initiative von Verwandten wurde ihr das Sorgerecht über ihren jüngsten Sohn entzogen und auch ihr Vermögen wurde konfisziert. Ihr Lebensgefährte Alfred Julius Becher wurde am 13. November verhaftet und zehn Tage später standrechtlich erschossen.
Karoline von Perin-Gradenstein emigrierte im Frühjahr 1849 nach München, wo sie ihre Memoiren schrieb und sich fortan von ihren politischen Aktivitäten distanzierte. Im Oktober desselben Jahres kehrte sie nach Wien zurück und eröffnete ein Stellenvermittlungsbüro, um finanziell reüssieren zu können. Später arbeitete sie vermutlich auch vorübergehend als Fotografin. Sie starb am 10. Dezember 1888 in Wien.
Literatur
- Ilse Korotin [Hg.]: biografiA. Lexikon österreichischer Frauen. Band 3. Wien / Köln / Weimar: Böhlau Verlag 2016, S. 2499
- Beatrice Weiss: Demokratische Frauenvereine im Revolutionsjahr 1848. Ein Vergleich zwischen Wien und Berlin unter besonderer Berücksichtigung der Präsidentin Karoline von Perin-Gradenstein. Dipl.-Arb. Univ. Wien. Wien 2014, S. 63–90
- Gabriella Hauch: Frauen bewegen Politik. Österreich 1848–1938. Innsbruck / Wien / Köln: StudienVerlag 2009 (= Studien zur Frauen- und Geschlechterforschung 10), S. 70–76
- Elke Krasny: Stadt und Frauen. Eine andere Topographie von Wien. Wien: Metroverlag 2008, S. 99, 205
- Susanne Feigl: Politikerinnen in Wien. 1848–2000. Biographien. Wien: Frauenbüro Wien 2000, S. 8 f.
- Gabriella Hauch: Frau Biedermeier auf den Barrikaden. Frauenleben in der Wiener Revolution 1848. Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1990
- Hermann Ullrich: Dr. Alfred Julius Becher und sein Wiener Kreis. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 23/25 (1967/69), S. 293 ff., besonders 299 ff.
- Constantin von Wurzbach: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich. Enthaltend die Lebensskizzen der denkwürdigen Personen, welche 1750 bis 1850 im Kaiserstaate und in seinen Kronländern gelebt haben. Band 22: Pergen–Podhradszky und Nachträge (III. Folge). Wien: Verlag der typografisch-literarisch-artistischen Anstalt 1870