Marianne Schmidl

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Daten zur Person
PersonennameName der Person im Format Nachname, Vorname Schmidl, Marianne
Abweichende NamensformAlternative Formen des Namens wie z.B. Pseudonyme oder Mädchennamen im Format Nachname, Vorname Schmidl, Therese Marianne Luise Emilie Maria
TitelAkademische Titel (abgekürzt), Amtstitel, Adelstitel Dr. phil
Geschlecht weiblich
Wien Geschichte WikiIdentifier/Persistenter URL zur Seite  368701
GNDGemeindsame Normdatei 130691542
Wikidata Q1896897
GeburtsdatumDatum der Geburt 3. August 1890
GeburtsortOrt der Geburt Berchtesgaden 4005574-7
SterbedatumSterbedatum unbekannt
SterbeortSterbeort Ghetto Izbica
BerufBeruf Ethnologin, Bibliothekarin
ParteizugehörigkeitAngabe der Partei (bei PolitikerInnen)
EreignisEreignis, mit dem die Person in Verbindung gebracht wird
Nachlass/Vorlass
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RessourceUrsprüngliche Ressource 
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  • 19., Colloredostraße 31 (Wohnadresse)
  • 20., Eichendorffgasse 7 (Wohnadresse)
  • 19., Vegagasse 10 (Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung

Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft
  • Mitglied der Wiener Anthropologischen Gesellschaft (1914)
  • Mitglied im Verein für Österreichische Volkskunde (1913)
  • Gründungsmitglied der Wiener Arbeitsgemeinschaft für Afrikanische Kulturgeschichte (1930)

Marianne Schmidl, * 3. August 1890 Berchtesgaden, † nach April 1942 Ghetto Izbica, Ethnologin, Bibliothekarin.

Biografie

Marianne Schmidl war die Tochter des Wiener Hof- und Gerichtsadvokaten Josef Schmidl (1852–1916) und dessen Ehefrau, der Dramatikerin und Schriftstellerin Marie Schmidl, geborene Friedmann (1858–1934). Ihr Vater war jüdischer Abstammung, trat aber bereits 1889 zum Protestantismus über. Das Ehepaar lebte in Wien, hielt sich zum Zeitpunkt der Geburt ihrer Tochter Marianne allerdings bei Verwandten von Marie Schmidl in Berchtesgaden auf. Zehn Monate nach der Geburt der ersten Tochter kam die jüngere Schwester Franziska, genannt Franca/Franka (1891–1925) zur Welt. Die Schwestern wuchsen in einem von Bildung und Kultur geprägten Elternhaus auf. Sie besuchten gute Schulen, erhielten standesgemäß Klavierunterricht und besuchten regelmäßig das Theater und auch wissenschaftliche Vorträge.

Marianne Schmidl wurde evangelisch erzogen. Ab Herbst 1905 besuchte sie das Schwarzwald'sche Mädchengymnasium und nach der Matura 1910 schrieb sie sich für die Fächer Mathematik und Physik an der Universität Wien ein. Bereits im ersten Semester hörte sie auch Vorlesungen des Moralphilosophen Friedrich Jodl. Ab dem Wintersemester 1913 studierte sie Ethnologie im Hauptfach, Anthropologie und Urgeschichte sowie Volkskunde unter anderem bei Rudolf Pöch, Moritz Hoernes und Michael Haberlandt. 1915 wurde sie als erste Frau im Bereich Ethnologie zum Dr. phil. promoviert mit einer Arbeit über "Zahl und Zählen in Afrika".

Bereits während ihrer Studienzeit war Marianne Schmidl 1913/1914 als Volontärin am Österreichischen Museum für Volkskunde tätig gewesen. In den Jahren 1916/17 arbeitete sie an der Afrikanischen Abteilung des Museums für Länder- und Völkerkunde in Berlin, von 1917 bis 1920 war sie Assistentin in der Afrikanischen Abteilung am Lindenmuseum in Stuttgart, anschließend befristet auf zwei Monate als Vertretung am Museum für Kunst und Kunstgeschichte in Weimar.

Nach vergeblichen Bemühungen um eine Anstellung im Museum für Volkskunde kam sie 1921 als Hospitantin – das bedeutet ohne Besoldung – an die Österreichische Nationalbibliothek und wurde dort 1924 in den Beamtenstand übernommen. Sie arbeitete als Referentin für Anthropologie, Naturwissenschaften, Mathematik und Medizin. Wie das Gros der öffentlichen Bediensteten war Schmidl in den Jahren 1934 bis 1938 Mitglied der Vaterländischen Front. Zuvor hatte sie mit der Sozialdemokratischen Partei sympathisiert. In den frühen 1930er Jahren machten sich vermehrt gesundheitliche Problem bemerkbar, die Schmidl immer wieder zu längeren Klinik- und Kuraufenthalten zwangen. 1938 wurde sie zum "Staatsbibliothekar 1. Klasse" ernannt, war jedoch ab Februar des Jahres krankheitsbedingt für ein halbes Jahr beurlaubt und wurde mit Ende September in den dauernden Ruhestand versetzt. Nicht nur ihre Erkrankung, sondern auch ihr Status als "Halbjüdin" war für die Pensionierung ausschlaggebend gewesen.

Neben ihrer Tätigkeit als Bibliothekarin hatte Marianne Schmidl weiterhin auch wissenschaftlich gearbeitet, Forschungsreisen unternommen, publiziert und mit verschiedenen Experten zusammengearbeitet. Gemeinsam mit dem Ethnologen Walter Hirschberg und anderen gründete sie 1930 die Wiener Arbeitsgemeinschaft für Afrikanische Kulturgeschichte, die bis 1932 existierte. Auffassungsunterschiede was die Methodik anging, führten dazu, dass sie sich bald nach der Gründung daraus zurückzog. Bereits ab 1926 war Marianne Schmidl an einem Projekt zur vergleichenden Kulturgeschichte des afrikanischen Kunsthandwerks beteiligt, das sich mit dem Verhältnis von Form und Technik bei afrikanischen Flecht- und Korbarbeiten auseinandersetzte. Im Rahmen dieser Arbeit besuchte sie zahlreiche ethnographische Sammlungen in Europa. Das Projekt wurde vom Sächsischen Forschungsinstitut für Völkerkunde zu Leipzig finanziert und vom Museum für Volkskunde in Wien ideell unterstützt. Nachdem das Institut in Leipzig ab Ende 1927 vom nationalsozialistisch orientierten Anthropologen Otto Reche übernommen worden war, änderten sich für Schmidl die Rahmenbedingungen. Reche schränkte ihre finanziellen Mittel ein und ließ sie eine Vereinbarung mit einer Abgabefrist unterzeichnen, die sie aus verschiedenen Gründen – nicht zuletzt aufgrund ihrer labilen gesundheitlichen Verfassung – nicht einhalten konnte. Nach mehreren Verlängerungen forderte Reche im November 1930 unter Androhung des Rechtsweges die Fertigstellung des Projekts bis zu Jahresbeginn 1931 ein. Sonst drohe die Rückzahlung der Forschungsgelder. Gleichzeitig machte er deutlich, dass er die Arbeit einer "Jüdin" ohnehin nicht für publikationswürdig hielt. Im Februar 1939 entschuldigte sich Schmidl erneut für die Verzögerung ihrer Arbeit und ersuchte darum, die Schulden in Raten begleichen zu dürfen. Im März desselben Jahres übermittelte sie ihre Arbeitsmaterialien an Reche, der eine Begutachtung anordnete. Die Gutachter sahen in Schmidls Forschungen eine umfangreiche, wertvolle und äußerst gewissenhaft zusammengestellte Dokumentation, dennoch wurden ihre Arbeiten erst Jahrzehnte nach ihrem Tod wieder aufgegriffen.

Ökonomisch stark unter Druck geraten, war Marianne Schmidl im April 1939 zur Versteigerung von Kunstwerken aus dem Familienbesitz gezwungen. Am 9. April 1942 wurde Marianne Schmidl vom Aspangbahnhof mit dem Transport 17, Nummer 589 in das Lager Izbica (Polen) deportiert, im Mai gab sie von dort ein letztes Lebenszeichen. Sie überlebte die Shoah nicht und wurde nach dem Krieg für Tod erklärt. Einige ihrer Kunstwerke gelangten in die Albertina und wurden 2013 an Familienmitglieder restituiert.

Eine Gedenktafel für verfolgte und ermordete EthnologInnen an der Fassade des Volkskundemuseums sowie ein Stein der Erinnerung an der ehemaligen Adresse der Ethnologin vor dem Haus Eichendorffgasse 7 in Döbling erinnern an Marianne Schmidl. Anlässlich der Enthüllung des Steines der Erinnerung wurde 2017 auf Initiative des Instituts für Kultur- und Sozialanthropologie zudem ein Sammelband herausgegeben, der Schmidls ethnologische Beiträge und Rezensionen in Fachzeitschriften aus den Jahren 1913 bis 1935 enthält.


Literatur

  • Katja Geisenhaimer: Jüdische Lebenslinien in der Wiener Völkerkunde vor 1938: Das Beispiel Marianne Schmidl. In: Völkerkunde zur NS-Zeit aus Wien (1938–1945). Band 3. Hg. von Andre Gingrich / Peter Rohrbacher. Wien: Verlag der ÖAW 2021, S. 1553-1581
  • Katja Geisenhaimer: Jüdische Lebenslinien in der Wiener Völkerkunde vor 1938: Das Beispiel Marianne Schmidl. In: Völkerkunde zur NS-Zeit aus Wien (1938–1945). Band 1. Hg. von Andre Gingrich / Peter Rohrbacher. Wien: Verlag der ÖAW 2021, S. 153-204
  • Marianne Schmidl: Gesammelte Schriften. Gesammelt und zusammengestellt von Birgit Kramreither und Ilja Steffelbauer mit einer Einleitung von Susanne Blumesberger. Wien 2017
  • Ilse Korotin [Hg.]: biografiA. Lexikon österreichischer Frauen. Band 3. Wien: Böhlau 2016, S. 2916 f.
  • Ilse Korotin [Hg.]: Österreichische Bibliothekarinnen auf der Flucht. Verfolgt. Verdrängt. Vergessen? Wien: Praesens Verlag 2007, S. 114–121
  • Susanne Blumesberger: Verlorenes Wissen. Ein gewaltsam abgebrochener Lebenslauf am Beispiel von Marianne Schmidl. In: Mirabilia Artium librorum Recreant Te tuosque Ebriant. Wien: Phoios-Verlag 2001, S. 9–19 (Biblos Schriften 177)
  • Julia Eßl: Marianne Schmidl. In: Lexikon der österreichischen Provenienzforschung, 09.09.2020[ [Stand: 12.02.2024
  • Proveana: Datenbank Provenienzforschung: Schmidl, Marianne [Stand: 12.02.2024]
  • Österreichisches Biographisches Lexikon: Schmidl, Marianne [Stand: 12.02.2024]


Weblinks