Vereinssynagoge des Tempelvereines des 8. Bezirkes der Stadt Wien

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Rekonstruierte Außenansicht des Josefstädter Tempels
Daten zum Bauwerk
Art des Bauwerks Synagoge
Datum vonDatum (oder Jahr) von 1903
Datum bisDatum (oder Jahr) bis 1938
Andere BezeichnungAndere Bezeichnung für diesen Eintrag Josefstädter Tempel, Neudegger Tempel
Frühere Bezeichnung
Benannt nach
Einlagezahl 598
Architekt Max Fleischer (Architekt)
Prominente Bewohner
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GNDGemeindsame Normdatei
WikidataIDID von Wikidata
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Letzte Änderung am 6.12.2022 durch WIEN1.lanm08jan
BildnameName des Bildes Josefstädter Tempel Außen.jpg
BildunterschriftInformation, die unterhalb des Bildes angezeigt werden soll Rekonstruierte Außenansicht des Josefstädter Tempels
  • 8., Neudeggergasse 12

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48° 12' 26.37" N, 16° 21' 6.77" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Die vom Israelitischen Tempelbauverein des 8. Bezirkes der Stadt Wien in Auftrag gegebene und hauptsächlich vom Bankier Moriz Freiherrn von Königswarter[1] gestiftete Vereinssynagoge in Wien 8, Neudeggergasse 12 bildete im Zeitraum von 1903 bis 1938 das gesellschaftliche, religiöse und kulturelle Zentrum für Jüdinnen und Juden des 8. Wiener Bezirks. Die Synagoge wurde 1903 eingeweiht und während des Novemberpogroms am 10. November 1938 zerstört.[2]

Vereinsgeschichte des Israelitischen-Tempel-Bauvereines des 8. Bezirkes der Stadt Wien und später des Israelitischen Tempelvereines des 8. Bezirkes der Stadt Wien

Im November 1884 wurden die Statuten eines Vereins "zu dem Zwecke der Erbauung eines eigenen Israelitischen Tempels im 8. Bezirke der Stadt Wien" bei der Niederösterreichischen Statthalterei eingereicht. Als Begründung gaben die Proponenten an, dass die Gottesdienste in der Josefstadt derzeit in einem "gemietheten Lokale in der Florianigasse 41" abgehalten würden. Eines der angeführten "mannigfachen Übelstände" sei der zu geringe Fassungsraum, die Dunkelheit des rückwärtigen Teils des Betraums und die daraus resultierende unzufriedenstellende Benutzbarkeit der Frauenabteilung. Man erstrebte eine "würdige", innenstadtnahe und von einem vermietenden Eigentümer unabhängigen "Heimstätte" für die Betenden des 8. Bezirks. Vereinszweck war "die Erbauung und Einrichtung eines eigenen israelitischen Tempels". Der Verein erhielt den Namen "Israelitischer-Tempel-Bauverein des VIII. Bezirkes der Stadt Wien". Im Jahr 1903 wurde die Synagoge 8, Neudeggergasse 12 erbaut und eingeweiht. In den Statuten des Jahres 1904 hieß der Zweck des Vereins aber noch immer: "Die Erbauung und Einrichtung und Erhaltung eines eigenen, israelitischen Tempels im VIII. Bezirke der Stadt Wien und die ordnungsgemäße Abhaltung des israelitischen Gottesdienstes daselbst und aller religiöser Zeremonien mit Zustimmung der israelitischen Kultusgemeinde Wien". "Teilnehmer" des Vereins konnten jeder Jude und jede Jüdin sein. Mitglieder konnten alle jene sein, die einen Jahresbeitrag von mindestens 12 Kronen entrichteten. Stifter und Ehrenmitglieder waren alle, die einen einmaligen Beitrag von 400 Kronen oder einen monatlichen Betrag von 40 Kronen spendeten. Die Rechte der Spender und Stifter bestanden in der Verewigung ihrer Namen durch "Einmeißelung" derselben in einer im Tempel anzubringenden "Motiv-Tafel" und das Recht auf unentgeltliche Tempelsitze auf Lebenszeit, die auch weitervererbt werden durften. Die Einkünfte des Vereins setzten sich aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden, Einnahmen durch Vergabe von Tempelsitzen, Abgaben für religiöse Zeremonien und "Reinerträgnissen der zugunsten des Vereines veranstalteten Festlichkeiten, wie Theatervorstellungen, musikalischer oder deklamatorischer Produktionen, Bällen, Kränzchen usw." (§ 3 der Statuten von 1918) zusammen. Daraus kann man ersehen, dass sich um die Synagoge des 8. Bezirks neben den religiösen Festen und Feiertagen ein reges gesellschaftliches und kulturelles jüdisches Leben entfaltet hatte.
Die Stelle des letzten Obmanns des Vereins bekleidete Siegmund Feldmann, 1938 wohnhaft 1, Schmerlingplatz 2.[3]
Die Auflösung des Israelitischen Tempelvereines des VIII. Bezirkes der Stadt Wien und dessen Löschung aus dem Vereinsregister erfolgte durch den Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände im Verlauf des Jahres 1939.[4]
Dem Israelitischen Tempelverein des VIII. Bezirkes der Stadt Wien angeschlossen waren folgende Vereine mit Sitz in 8, Neudeggergasse 12:

  • "Verband der Wiener Tempelvereine"
  • "Humanitärer Frauen-Verein-Josefstadt"
  • "Bibelschule des Tempelvereins Josefstadt"
  • "Almuss Verein zur Ehrung Verstorbener für Zeit und Ewigkeit"

Vereinsgeschichte des Verbandes der Wiener Tempelvereine

Der Verband der Wiener Tempelvereine wurde im Jahr 1935 gegründet. Der Zweck des Vereins war "die Wahrung und Vertretung aller Interessen der dem Verbande angehörenden Tempelvereine, insbesondere die Erstellung eines den Verbandsmitgliedern gemeinsamen Tarifes der Taxen und Gebühren für die Inanspruchnahme von Einrichtungen und Funktionen der Verbandsmitglieder; Vorsorge und Schaffung von normativen Bestimmungen für die Beschäftigung von Angestellten der Verbandsmitglieder; Ausgestaltung des Gottesdienstes in den dem Verbande angeschlossenen Tempeln; Vertretung vor den Behörden und Beratung in finanziellen Angelegenheiten der Tempelvereine" (§ 1 Statut 1935). Mitglied konnte jeder Tempelverein Wiens sein, "dessen Tempel mindestens 250 Tempelsitze enthält" (§ 3 Statut 1935). Die Auflösung des „Verbandes der Tempelvereine der Stadt Wien“ und dessen Löschung aus dem Vereinsregister erfolgte durch den Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände im Jahr 1938.[5] Der letzte Obmann war Desider Wollner, 1938 wohnhaft 5, Schönbrunner Straße 61. Der Verein war zur Zeit der Auflösung ohne Vermögen.[6]

Vereinsgeschichte des Humanitären Frauen-Vereins-Josefstadt

Der Verein bestand seit 9. Dezember 1891. Vereinszweck war die "Materielle Aushilfe von armen Witwen und Waisen und Wöchnerinnen oder von durch Krankheit erwerbsunfähig gewordenen Frauen, die alljährliche Bekleidung armer, braver, schulpflichtiger Kinder zu Beginn der Winterszeit", weiters "Quartalfürsorgeunterstützungen und Unterstützung zum Muttertag". Die letzte Obfrau war Nina Nobel, 1938 wohnhaft Wien 8, Josefstädter Straße 30. Die Auflösung des Humanitären Frauen-Vereins-Josefstadt, dessen Löschung aus dem Vereinsregister und Eingliederung des Vermögens nach Abzug von 20% Aufbauumlage und 5% Verwaltungsgebühr erfolgte durch den Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände.[7]

Vereinsgeschichte der Bibelschule des Tempelvereins Josefstadt

Die Bibelschule wurde um Lauf des Jahres 1937 wegen Geldmangels geschlossen. [8]. Eine Zeitzeugin, Lucie Benedikt, erinnerte sich, dass die Bibelschule an jedem Sonntag Unterricht gab und dass sie sich "ganz oben im Turm des Tempels" befunden habe, wohin die Kinder über eine Wendeltreppe gelangten.[9]

Vereinsgeschichte des Vereins Almuss Verein zur Ehrung Verstorbener für Zeit und Ewigkeit

Der Verein, der unter der Schirmherrschaft des Verbandes der Wiener Tempelvereine stand, wurde ohne Vermögen 1938 aufgelöst. Letzter Obmann war Siegmund Feldmann, 1938 wohnhaft 1, Schmerlingplatz 2.[10]

Baugeschichte der Vereinssynagoge des Israelitischen Tempelvereins des 8. Bezirkes der Stadt Wien

Für den Bau der Vereinssynagoge des Israelitischen Tempel-Bau-Vereins des VIII. Bezirkes der Stadt Wien wurde nach längerer Suche eines geeigneten Grundstücks und Aufbringen eines "Stammkapitals" ein nach drei Seiten von Nachbarhäusern umgrenztes Grundstück in Wien 8, Neudeggergasse 12 im Ausmaß 23,12 Metern mal 35,25 Metern um 100.000 Kronen erworben. Die Stiftung von Moriz Freiherrn von Königswarter betrug 70.000 Kronen. Der Auftrag zum Bau der Synagoge wurde bereits 1897 erteilt. Als Architekt konnte Max Fleischer gewonnen werden. Die umfassenden Baupläne wurden eingereicht und vorläufig genehmigt, wegen hoher Sicherheitsauflagen der Baubehörde und eines langjährigen Rechtsstreites, genährt von den Erfahrungen des Ringtheaterbrandes 1881, verzögerte sich die Baugenehmigung aber bis 1902. Die Pläne und Auswechslungspläne wurden in den Jahren 1902 von der Magistratsabteilung XIV genehmigt.[11] Der Baubeginn zog sich bis zum Februar 1903 hin. Am 3. September 1903 wurde, nach einem letzten Augenschein, die Bewilligung zur Eröffnung erteilt. Die Bauarbeiten hatten somit nur von Februar bis Herbst 1903 gedauert. Am 16. September 1903 war die feierliche Eröffnung im Beisein bedeutender Vertreter von Religion und Kommunalpolitik.[12]
Die Synagoge war ein dreischiffiger, in Ziegelgotik ausgeführter Bau mit siebenachsiger Fassade im Stil der norddeutschen Backsteingotik. Sie hatte sieben Portale und neun kleinere und fünf hohe Spitzbogenfenster. Über der Fensterrosette waren die Gesetzestafeln mit den Zehn Geboten in angebracht. Sie verfügte über zwei jeweils 40 Meter hohe Türme. An der Spitze der Türme befand sich jeweils ein Davidstern. Das Bauwerk war von einem Hof umgeben, durch den jeweils drei Meter breiten Abstand zum nächsten Haus verfügte die Synagoge über Fenster und ausreichend Tageslicht, sowie Möglichkeiten der Belüftung. Um allen Bedenken der Baubehörde gerecht zu werden, hatte die Synagoge 13 Ausgänge. Zwischen den Türmen befand sich ein "Dreiecksgiebel mit Fensterrosette".[13] Die Synagoge hatte 338 Sitze für Männer und 239 Sitze für Frauen. Man betrat die Synagoge durch eine Vorhalle, die an der Westseite und zugleich Straßenfront angelegt war, die man auch für Versammlungen, Gebete während der Woche und Hochzeiten nützte. Der Betraum bestand aus den Sitzreihen der Männer, die durch einen Mittelgang voneinander getrennt waren. In weiterer Folge waren auf der Estrade rechts und links die jeweils zwei Sitzreihen der Tempel-Vorstände, rechts nach Osten zu gesehen der Sitzplatz der Rabbiner und links der Sitzplatz der Kantoren angeordnet. Zwischen diesen Plätzen befanden sich die Bimah, an der aus den Büchern und Thorarollen gebetet und gelesen wurde, die Kanzel und an der Ostwand die Bundeslade (Thoraschrein). Dieser Thoraschrein war vergoldet und umfasste die gesamte Breite des Mitteschiffes. Oberhalb des Thoraschreins befand sich eine Gedenktafel für Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn. Die Frauengalerien erreichte man über zwei rechts und links angeordnete Treppenhäuser, die Sitzreihen waren treppenartig an der Westseite angeordnet und jeweils an der Nord- und Südseite der Synagoge, sodass alle Frauen gut hinunter sehen konnten. Über der Frauengalerie befand sich an der Westseite ein Konferenzzimmer und eine Orgel, rechts davon ein Archiv, Vorzimmer und Kanzlei, links die Zimmer-Küche-Wohnung des Tempelportiers. In den Frauenabteilungen verfügte die Synagoge über Vorhallen für den Aufenthalt außerhalb des Betraumes.[14]

Novemberpogrom

Während des Novemberpogroms am 10. November 1938 wurde die Vereinssynagoge 8, Neudeggergasse 12 geschändet, Bücher auf die Straße geworfen, Feuer gelegt und der Innenraum dadurch vollkommen zerstört[15] Das Brand-Tagebuch der Wiener Feuerwehr vermerkte den Beginn des Feuerwehreinsatzes am 10. November 1938 um 11h50 und bezeichnete die Einsatzstelle als "Großbrand": "Brannte die gesamte Inneneinrichtung, sowie Holzkonstruktion des Tempels mit Ausnahme des Dachstuhls und der beiden Ecktürme". Nach einer Stunde war der Brand gelöscht.[16]. In einem Strafverfahren beim Volksgericht Wien rühmte sich der wegen § 11 Verbotsgesetz und § 3, § 4 und § 6 Kriegsverbrechergesetz angeklagte Rudolf Chromecek (geboren am 29. April 1904 in Wien) mit dem Satz "Jetzt hab‘ ich’s ihnen gezeigt". Gemeint war seine Teilnahme an der Schändung und Brandlegung der Synagoge in 8, Neudeggergasse 12. Eine Zeugin erinnerte sich, dass er ihr dies voll Stolz erzählte und dass er "im Gesicht voll Ruß war" (S. 116) [17]. Die Abtragung der Synagogenruinen begann 1939, die Magistratsabteilung 38 erteilte dazu die Bewilligung am 13. Jänner 1939. Nach dem Novemberpogrom wurde die Liegenschaft im Auftrage des Magistrats am 25. November 1938 beschrieben und geschätzt. Daraus ist zu ersehen, dass diese ein Ausmaß von 822,05m2 hatte und dass sie außen vollkommen intakt geblieben zu sein schien: "Die Gassenschauseiten sind in Rohbau ausgeführt. Die Fensterleibungen und die Profile der Architektur sind in Ziegelformsteinen hergestellt und in Portlandzement gemauert". Die hier geschätzten 35 Meter hohen Türme seien in "Blech eingedeckt". "Der Dachstuhl ist ein Satteldach mit Biberschwanzziegeleindeckung. Die Halle hat vom Fußboden bis zur Zierdecke, welche stuckaturt [sic] ist, eine Höhe von 15m (…). Das Mittelschiff hat schmiedeeiserne Säulen, welche vom Parterre bis zum ersten Stock der Galerie reichen. Die Fenster sind zum Teil aus Eisen und zum Teil aus Holz. Zufolge des Brandes haben die tragenden Konstruktionsteile, welche aus Eisen sind, durch das Ausglühen und Bespritzen mit Wasser, in ihrer Tragfähigkeit derart gelitten, dass Risse in den Mauerwerkskörpern und in den gemauerten Spitzbögen entstanden sind (…).Die Brandschäden waren auf den Frauengalerien, die als "ausgebrannt" beschrieben wurden, an abgefallenem Verputz, fehlendem Fensterglas und Zerstörungen "an der Deckenkonstruktion" zu ersehen. Man entschied sich für den Abbruch, da die "tragenden Säulen" und das Mauerwerk beschädigt waren."„Eine Wiederinstandsetzung für den ursprünglichen Zweck kann aus vorangeführten baulichen Gründen nicht empfohlen werden. Das Objekt kann nur abgetragen und nur zum geringen Teile die gewonnenen Altmaterialien zufolge Ausglühens des Eisens und der Ziegel herangezogen werden". Eine Schätzung erfolgte und man kam auf einen Wert der Liegenschaft von 6.300 Reichsmark.[18]. Im Bauakt der Baupolizei befindet sich ein Abbruchplan, datiert mit Dezember 1938, in dem die Abbruchlinien gelb eingefärbt sind. Ausführende Firma für diesen Plan war die Firma Eduard Brandstetter, Maurermeister, 15, Hagengasse[19] Der geplante Abbruch der Synagoge ging der Mautner Markhof Brauerei Schwechat A.G. viel zu langsam, in einem Schreiben an Herrn Dr. Adolf Reiter, Notar, vom 10. März 1939 beschwerte sich die Firma, dass "im Widerspruch zu dieser Vertragsbestimmung (…) der Abbruch des Tempelgebäudes derart langsam" vor sich gehe, "dass heute noch der größte Teil des Tempels nicht abgetragen ist". Der mit der Demolierung der Synagoge beauftragte Firma Walter Gauf, Demolierungsunternehmen Baumaterialien. Spezialunternehmung für Abtragung aller Art, Wien 6, Esterhazygasse 28/35 wurde nach diesem Schreiben vom Stillhaltekommissar, Grundstückabteilung eine Frist "zur restlosen Abräumung des Tempels bis zum 1. April 39" gesetzt. Diese Firma hatte sich aber bereits am 7. Dezember 1938 an den Stillhaltekommissar gewandt und bot gleich die Abbrüche von vier Synagogen an, darunter die des 8. Bezirkes, Neudeggergasse 12. "Diesen Abbruch bin ich bereit gegen das gewonnene brauchbare Material ohne jedwede Aufzahlung zu leisten", so Walter Gauf.[20]. Im Dezember 1939 meldete das Baupolizeireferat der Verwaltung des Reichsgaues Wien an das Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten, dass die Vereinssynagoge 8, Neudeggergasse 12 "abgetragen sei".[21]. Die NSDAP Gauleitung Wien schreib mit 15. November 1938 an die Israelitische Kultusgemeinde, dass diese den „Tempelportier Johann Jurasek“, der diese Funktion 35 Jahre lang ausgeübt hatte und der durch die Zerstörung der Synagoge seine Existenz, Möbel und Wohnung verlor, sowie künftig ohne "Trinkgelder" und "Trauungsspesen" auskommen müsse, zu entschädigen hätte..[22]

Eigentumsverhältnisse: Arisierung und Restitution

Eigentümer der Liegenschaft war der Israelitische Tempelbauverein des 8. Bezirkes der Stadt Wien und später der Israelitische Tempelverein des 8. Bezirkes der Stadt Wien. Die Liegenschaft wurde noch 1938 von der Behörde Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände entschädigungslos arisiert. Am 2. Dezember 1938 erhielt die Behörde Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände folgendes Angebot von der Mautner Markhof Brauerei Schwechat AG. "Die gefertigte Firma ist Eigentümerin der Liegenschaft Wien 8, Neudeggergasse 12, deren rückwärtiger Teil als Garten unserer Restauration 'Grünes Tor' verwendet wird. Neben der Liegenschaft befindet sich der früher dem Tempelverein gehörige Grund, den wir zur Vergrößerung unseres Restaurationsgartens benötigen würden". [23] Gerade dieses Restaurant „Zum Grünen Tor“ in 8, Lerchenfelder Straße 14 / Neudeggergasse 10 wurde laut Zeitzeugenbericht von Lucie Benedikt, geboren 1926, vor 1938 als Ausweichsynagoge für die Hohen Feiertage genutzt. Betende, die sich die teuren Sitze in der Synagoge Neudeggergasse nicht leisten konnten, verbrachten Gottesdienste an den Feiertagen in dieser Gaststätte, die einen großen Saal hatte.[24] Am 31.Dezember 1938 wurde aufgrund eines Kaufvertrages zwischen dem Stillhaltekommissar und der Firma Mautner Markhof Brauerei Schwechat A.G. vom 15. Dezember 1938 die Firma Mautner Markhof Brauerei Schwechat AG. Eigentümerin. Der Kaufpreis von 33.723,69 Reichsmark erging an den Stillhaltekommissar. [25] Im Jahr 1948 wurde aufgrund des Erkenntnisses der Rückstellungskommission beim Landesgericht für Zivilrechtssachen (60 Rk 18/48, Akt nicht mehr existent) die Israelitische Kultusgemeinde Wien als Rechtsnachfolgerin der aufgelösten und nicht mehr wieder begründeten Vereine Eigentümerin.[26] Im Jahr 1953 kam es zum Kaufvertrag zwischen der Israelitischen Kultusgemeinde Wien und der Stadt Wien.[27], die auf dem Grundstück in den Jahren 1955/56 eine Wohnhausanlage von Franz O. Böhm errichtete.[28] Ein Vereinsvermögen von Vermögen 31.555 Reichsmark wurde 'einmalige Aufbauumlage für Österreich' eingehoben.[29]

Bedeutende Rabbiner und Kantoren

Als letzter Rabbiner der Vereinssynagoge 8, Neudeggergasse 12 fungierte Moritz Bauer, der 1939 in die Vereinigten Staaten flüchtete. Moritz Bauer wurde am 8. November 1868 in Bicard, Slowakei) geboren.[30] Rabbiner Moritz Bauer wurde von Zeitzeugen als imposante und sehr jugendfreundliche Persönlichkeit dargestellt, er hielt, so der Zeitzeuge Abraham Reiss, geboren 1922, jeden Samstag spezielle Predigten für die Jugend, die nicht immer religiös waren.[31]. Der aufgelöste Israelitische Tempelverein des VIII. Bezirkes der Stadt Wien konnte ihm bis zu seiner Auswanderung keine Bezüge mehr zahlen.[32] Kantoren waren Jakob Landau und Josef Grob. [33]

Quellen

Literatur

  • Günther Berger: Die ehemals Synagoge in der Neudeggergasse 12. In: Wiener Kunsthefte 3 (1988), S. 44
  • Elfriede Faber: Wien in alten Ansichtskarten. 6 / 7, S. 20
  • Pierre Genée: Wiener Synagogen. Wien: Löcker 2014, S. 80-82
  • Georg Gaugusch: Wer einmal war. Das Jüdische Großbürgertum 1800-1938 A-K. Wien: Amalthea 2011 (Jahrbuch der Heraldisch-Genealogischen Gesellschaft „Adler“ – Wien, Dritte Folge, Band 16).
  • Bob Martens / Herbert Peter: Die zerstörten Synagogen Wiens. Virtuelle Spaziergänge. Budapest: Mandelbaum Verlag 2009, S. 93-102.
  • Ernest Blaschek [Hg.]: Mariahilf einst und jetzt. Wien [u.a.]: Gerlach & Wiedling 1926 (Wiener Heimatbücher), S. 170
  • “Neudeggergasse 12: Die Synagoge in der Josefstadt“. Die verlorene Nachbarschaft. Eine Ausstellung im Bezirksmuseum Josefstadt vom 7. Oktober bis 18, November 1998.
  • Georg Niessner / Peter Schilling: Virtuelle Rekonstruktion dreier Synagogen in Wien von Max Fleischer. Schmalzhofgasse 3, Wien IV, Neudeggergasse 12, Wien VIII, Müllnergasse 21, Wien IX. Dipl.-Arb. / Masterarb. TU Wien. Wien 2004.
  • Elisheva Shirion: Gedenkbuch der Synagogen und Jüdischen Gemeinden Österreichs. Hg. Vom Synagogen Memorial, Jerusalem. Wien: Berger-Horn 2012 (Synagogen Gedenkbücher Deutschland und Deutschsprachige Gebiete, 5 Österreich), S. 70 f.
  • Verlorene Nachbarschaft. Die Wiener Synagoge in der Neudeggergasse. Ein Mikrokosmus und seine Geschichte. Hg. Von Käthe Kratz / Karin Schön Hubert Gaisbauer / Hans Litsauer. Wien: Mandelbaum Verlag 1999

Einzelnachweise

  1. Moriz Freiherr von Königswarter wurde am 16. Juli 1837 in Wien geboren und verstarb am 14. November 1893 in Wien, siehe Georg Gaugusch: Wer einmal war. Das Jüdische Großbürgertum 1800-1938, A-K. Wien: Amalthea 2011 (Jahrbuch der Heraldisch-Genealogischen Gesellschaft "Adler" – Wien, Dritte Folge, Band 16), S. 1514.
  2. Bob Martens / Herbert Peter: Die zerstörten Synagogen Wiens. Virtuelle Spaziergänge. Budapest: Mandelbaum Verlag 2009, S. 93-102.
  3. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien, IV Ac 31: A 8/1, Schachtel 556, und Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 119, A32: 4869/1921.
  4. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien, IV Ac 31: A 8/1, Schachtel 556.
  5. Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 119, A32: 9780/1935.
  6. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien, IV Ac 31: A 8/2, Schachtel 556.
  7. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien, IV Ac 31: G 9, Schachtel 559. Ein Vereinsakt existiert im Bestand Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 119, A32 nicht.
  8. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien, IV Ac 31 R 15, Schachtel 571. Ein Vereinsakt existiert im Bestand Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 119, A32 nicht.
  9. Orte des Erlebens. In der Synagoge. In: Käthe Kratz / Karin Schön / Hubert Gaisbauer / Hans Litsauer [Hg.]: Verlorene Nachbarschaft. Die Wiener Synagoge in der Neudeggergasse. Ein Mikrokosmus und seine Geschichte. Wien: Mandelbaum Verlag 1999, S. 17.
  10. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien, IV Ac 31: S 7, Schachtel 572.
  11. Wiener Stadt- und Landesarchiv, Kartographische Sammlung, P8.50008.598 - 8., Neudeggergasse 12: Synagoge, 1920.
  12. Wiener Stadt- und Landesarchiv, Kartographische Sammlung, P8.50008.598 - 8., Neudeggergasse 12: Synagoge, 1920 und Elfriede Faber: Neudeggergasse 12: Die Synagoge in der Josefstadt. In: "Neudeggergasse 12: Die Synagoge in der Josefstadt". Die verlorene Nachbarschaft. Eine Ausstellung im Bezirksmuseum Josefstadt vom 7. Oktober bis 18, November 1998, S. 8 f.
  13. Bob Martens / Herbert Peter: Die zerstörten Synagogen Wiens. Virtuelle Spaziergänge. Budapest: Mandelbaum Verlag 2009, S. 94.
  14. Bob Martens / Herbert Peter: Die zerstörten Synagogen Wiens. Virtuelle Spaziergänge. Budapest: Mandelbaum Verlag 2009, S. 93 f.; Georg Niessner / Peter Schilling: Virtuelle Rekonstruktion dreier Synagogen in Wien von Max Fleischer. Schmalzhofgasse 3, Wien IV, Neudeggergasse 12, Wien VIII, Müllnergasse 21, Wien IX. Dipl.-Arb. / Masterarb. TU Wien. Wien 2004, S. 53-83.
  15. Bob Martens / Herbert Peter: Die zerstörten Synagogen Wiens. Virtuelle Spaziergänge. Budapest: Mandelbaum Verlag 2009, S. 100; Elisheva Shirion: Gedenkbuch der Synagogen und Jüdischen Gemeinden Österreichs. Hg. vom Synagogen Memorial, Jerusalem. Wien: Berger-Horn 2012 (Synagogen Gedenkbücher Deutschland und Deutschsprachige Gebiete, 5: Österreich), S. 71 und Dipl.-Ing. Ernst Diessner, geb. 1927: Stimmen zur Synagoge. In: Neudeggergasse 12: Die Synagoge in der Josefstadt. Die verlorene Nachbarschaft. Eine Ausstellung im Bezirksmuseum Josefstadt vom 7. Oktober bis 18, November 1998. S. 15.
  16. Archiv des Wiener Feuerwehr Museums, Brand-Tagebuch 1938 II. Teil.
  17. Wiener Stadt- und Landesarchiv, Volksgericht Wien, A1: Vg 1 Vr 682/49, S. 85 und S. 116.
  18. Österreichisches Staatsarchiv, Stillhaltekommissar Wien, Referat König: Referat König, Mappe 10a, Schachtel 972.
  19. Wiener Stadt- und Landesarchiv. Kartographische Sammlung, P8.50008.598 - 8., Neudeggergasse 12: Synagoge | 1920.
  20. Österreichisches Staatsarchiv, Stillhaltekommissar Wien, Referat König: Referat König, Mappe 9b, Schachtel 972.
  21. Wiener Stadt- und Landesarchiv, M. Abt. 119, A 6: 22874/1939.
  22. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien, IV Ac 31: A 8/1, Schachtel 556.
  23. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien, Mappe 9b, Schachtel 972.
  24. "…als ob man zwei Personen ist" – Lucie Benedikt. In: Verlorene Nachbarschaft. Die Wiener Synagoge in der Neudeggergasse. Ein Mikrokosmus und seine Geschichte. Hg. Von Käthe Kratz / Karin Schön Hubert Gaisbauer / Hans Litsauer. Wien: Mandelbaum Verlag 1999, S. 103.
  25. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien, Mappe 9a, Schachtel 972.
  26. Archiv der IKG nach 1945", Depot Czerningasse, Bestand B 1 AD XXVI, A, d, AD-GV Rückstellungen Synagogengründe, Mappe: Neudeggergasse.
  27. Archiv der IKG nach 1945, Mappe Liegenschaften
  28. Bob Martens / Herbert Peter: Die zerstörten Synagogen Wiens. Virtuelle Spaziergänge. Budapest: Mandelbaum Verlag 2009, S. 100-102.
  29. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien, IV Ac 31: A 8/1, Schachtel 556.
  30. Elfriede Maria Faber: Max Fleischer und die Synagoge in der Neudeggergasse. In: Verlorene Nachbarschaft. Die Wiener Synagoge in der Neudeggergasse. Ein Mikrokosmus und seine Geschichte. Hg. Von Käthe Kratz / Karin Schön Hubert Gaisbauer / Hans Litsauer. Wien: Mandelbaum Verlag 1999, S. 217.
  31. "…daß unser Bleibens nicht ist" – Abraham Reiss. In. Verlorene Nachbarschaft. Die Wiener Synagoge in der Neudeggergasse. Ein Mikrokosmus und seine Geschichte. Hg. Von Käthe Kratz / Karin Schön Hubert Gaisbauer / Hans Litsauer. Wien: Mandelbaum Verlag 1999, S. 82 f.
  32. Central Archives for the History of the Jewish people A/W 271,1.
  33. Elisheva Shirion: Gedenkbuch der Synagogen und Jüdischen Gemeinden Österreichs. Hg. vom Synagogen Memorial, Jerusalem. Wien: Berger-Horn 2012 (Synagogen Gedenkbücher Deutschland und Deutschsprachige Gebiete, 5: Österreich), S. 71.
Rekonstruierte Innenansicht des Josefstädter Tempels.