Universitätsbibliothek
Im Stiftsbrief der Universität Wien von Rudolf IV. (1365) war eine „gemaine Puechkammer und Libreye" vorgesehen; im Universitätsviertel entstanden Fakultäten-, Kollegien- und Bursenbibliotheken.
Am Ende des 15. Jahrhunderts entwickelte sich die Bibliothek der Artistenfakultät zur Universitätsbibliothek und erhielt einen eigenen Bibliothekstrakt („Liberey" auf Wolmuets Stadtplan 1547); sie erlebte zur Zeit des Humanismus (um 1500) eine Blütezeit, danach aber (Glaubenskämpfe, Türkenkriege et cetera) einen Niedergang. 1756 wurde die Universitätsbibliothek aufgelöst; die Bestände kamen an die Hofbibliothek.
Im Zuge der Reform des Bibliothekswesens unter Maria Theresia erfolgte 1774 eine Neugründung (Wiedereröffnung am 13. Mai 1777 im Collegium Academicum, Postgasse; öffentlich zugängliche Bibliothek); den Grundstock bildeten 45.000 Bände aus aufgelassenen Wiener Jesuitenbibliotheken, nach der josephinischen Klosterreform folgten Bücher aus aufgelösten Wiener und niederösterreichischen Klöstern, außerdem Bestände aus öffentlichen Stiftungsbibliotheken. 1781 wurde das Pflichtexemplarrecht für Druckwerke aus Wien und Niederösterreich eingeführt, 1810 wurde ein systematischer Katalog angelegt. 1827-1829 kam es zu einem Erweiterungsbau. 1834 bewarb sich Grillparzer um die Direktorenstelle.
Unter Direktor Friedrich Leithe erfolgten die Planungen für die Universität im neuen Universitätsgebäude am Ring (Übersiedlung 1. bis 15. September 1884; Magazinkapazität für 300.000 Bände zuzüglich unausgegebenen Reservemagazinen für 150.000 Bände). Die Aufstellung und Erschließung wurde modernisiert (Einfuhrung des Fachreferentensystems [Personalstand 18], Numerus currens, Vorbereitung eines Nominalkatalogs [1901-1905, 60 Bände] und eines Schlagwortkatalogs [1906-1913]).
Um 1900 war die Universität die führende öffentliche Bibliothek der Monarchie. 1906 besaß die Universitätsbibliothek 707.188 Bände (Personalstand 59). 1932 erfolgte die Einführung der Katalogisierungsregeln „Preußische Instruktionen".
Während des Zweiten Weltkriegs wurden 1943/1944 1,2 Millionen Bände in niederösterreichischen Schlössern und Burgen verlagert; die Universitätsbibliothek selbst erlitt Schäden durch Bombentreffer. Nach dem Rücktransport (1945-1947) wurde ein Verlust von rund 113.000 Bänden festgestellt. Durch bauliche Veränderungen (Hebung des Lesesaalbodens) konnte ein zusätzliches Magazin für 80.000 Bände geschaffen werden. Die Wiedereröffnung der Universitätsbibliothek erfolgte am 28. Juni 1951. Ein projektierter Neubau wurde zugunsten des Baus des Neuen Institutsgebäudes (1, Universitätsstraße 7; 1958-1962; ehemals Korpskommandogebäude) zurückgestellt, doch erhielt die Universitätsbibliothek im Hauptgebäude zusätzlichen Raum.
Das Hochschulordnungsgesetz 1955 führte zur zentralen Katalogisierung von Institutsbibliotheken und zum Aufbau eines Zentralkatalogs der Institute. 1963 erreichte die Universitätsbibliothek einen Bestand von 1,506.229 Bänden (Personalstand 77), 1964/1965 wurde der ehemalige Aufgang vom Hof zur Universität zu einem Depot umgestaltet, 1969-1974 erfolgte die Neuaufstellung der Bestände in den Magazinen, 1972 die Anlage eines neuen Schlagwortkatalogs, eines systematischen Katalogs und die Sonderaufstellung der Druckwerke des 16./17. Jahrhunderts. Das Universitätsordnungsgesetz 1975 fasste die Hauptbibliothek und alle Fakultäten-, Fach-, Institute- und Klinikbibliotheken der Universität Wien zusammen, 1976 wurde der Periodika-Zentralkatalog aufgebaut, 1979 kam es zur Einrichtung von Ausbildungslehrgängen, 1980 zur Eröffnung der Informationsvermittlungsstelle für maschinelle Literatursuche, 1981 zu einem Konzept für die Strukturverbesserung (Errichtung dezentraler Fakultäts- und Fachbibliotheken und Erweiterung der Hauptbibliothek), 1989 zum Abbruch der Zettelkataloge der Hauptbibliothek und zum Beginn der EDV-Karte im System BIBOS.
Die Universität verfügte 1995 (nach Errichtung der Zentralbibliothek für Medien und der damit verbundenen Bestandsausgliederung) neben der Hauptbibliothek über vier Fakultäts-, 29 Fachbibliotheken sowie Instituts- und Klinikbibliotheken mit insgesammt 5,088.028 Bänden (davon Hauptbibliothek 2,248.225) und 20.449 (Hauptbibliothek 8.844) laufendenden Periodika sowie 149 CD-ROM Datenbanken.
Direktoren
- Abt Franz Stephan Rautenstrauch (1775-1785)
- Johann Wilhelm Ridler (1814-1834)
- Franz Lechner (1838-1851)
- Joseph Diemer (1851-1869)
- Johann Wussin (1869-1874)
- Friedrich Leithe (1874-1884)
- Ferdinand Grassauer (1884-1903)
- Wilhelm Haas (1903-1910)
- Isidor Himmelbauer (1910-1919)
- Salomon Frankfurter (1919-1923)
- Gottlieb August Crüwell (1923-1931)
- Heinrich Röttinger (1932-1933)
- Johann Gans (1933-1938 und1945-1951)
- Alois Jesinger (1938-1945)
- Rudolf Dettelmaier (1952-1968)
- Friedrich Rennhofer (1969-1980)
- Ferdinand Baumgartner (1981-1993)
- Ilse Dosoudil (1993-2003)
- Maria Seissl (2003-2004 provisorisch, 2004-heute)
Literatur
- Walter Pongratz: Geschichte der Universitätsbibliothek Wien. Wien: Böhlau 1977
- Ronald Zwanziger [Red.]: Hundert Jahre Universitätsbibliothek Wien im Haus am Ring. 1884-1984. Hergestellt von der Vereinigung Österreichischer Bibliothekare. Wien: Vereinigung Österreichischer Bibliothekare 1984 (Biblos-Schriften, 126)
- Stefan Alker, Monika Löscher [Red.]: Bibliotheken der Universität Wien in der NS-Zeit. Bücherraub, Provenienzforschung, Restitution. Wien: Universitätsbibliothek 2008
- Universitätsbibliothek Wien: Jahresbericht. Wien: Universitätsbibliothek 1978-2000