Vilma Steindling
Vilma Steindling, * 4. August 1919 Wien, † 2. September 1989 Wien, Sozialarbeiterin, Widerstandskämpferin.
Biografie
Vilma Steindling kam am 4. August 1919 als Tochter des Magazineurs Leopold Geiringer (1866-1923) und dessen zweiter Ehefrau Berta, geborene Neufeld, in Wien zur Welt und wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Die Eltern gehörten der Israelitischen Kultusgemeinde an, praktizierten ihren Glauben allerdings nicht sehr streng. Nach dem frühen Tod des Vaters, Vilma war noch keine vier Jahre alt, als er an Tuberkulose starb, kam ihre Mutter, die als Heimkrankenschwester arbeitete, allein für den Lebensunterhalt auf. Aber auch Berta Geiringer erkrankte schwer und konnte bald nicht mehr für ihr Kind sorgen, das im jüdischen Waisenhaus in der Ruthgasse im 19. Bezirk untergebracht wurde. In Döbling besuchte das Mädchen die Volks- und Hauptschule, die Mutter starb nach langer Krankheit 1933. Nach der Hauptschule absolvierte Vilma Geiringer eine dreijährige Lehre als Modistin und übersiedelte ins Dr. Krüger-Heim für Lehrmädchen, ein jüdisches Lehrlingsheim, in der Malzgasse.
1935 kam Vilma Geiringer über eine Freundin zum – mittlerweile verbotenen –Kommunistischen Jugendverband und engagierte sich, indem sie Flugblätter druckte und verteilte. Ihre politischen Aktivitäten blieben nicht unbemerkt, 1937 musste sie deshalb das Lehrlingsheim verlassen und lebte bei ihrer Tante mütterlicherseits, Franziska Neufeld, der einzigen Verwandten, zu der sie Kontakt hatte. Noch im selben Jahr machte sie den Lehrabschluss und ging nach Paris, wohin ihr damaliger Freund, der Kürschner Arthur Kreindel, aufgrund seiner politischen Aktivitäten emigriert war. Das Paar hielt sich in Paris mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser, vernetzte sich mit anderen Emigrantinnen und Emigranten aus Wien und war weiterhin für die Kommunistische Partei aktiv. 1940, nach der Besetzung von Paris durch deutsche Truppen ging Vilma Geiringer, beordert von der lokalen Parteiführung Franz Marek und Tilly Spiegel, mit einigen anderen Frauen in den noch unbesetzten Süden Frankreichs, kehrte aber bald wieder nach Paris zurück, um in der Résistance tätig zu sein. Unter dem Decknamen Annette Schmidt war sie an der sogenannte "Mädelarbeit" beteiligt, was bedeutet, dass sie gemeinsam mit anderen jungen Frauen deutsche Soldaten ansprach und versuchte, diese von der Sinnlosigkeit des Kriegs zu überzeugen.
Anfang Dezember 1942 wurde Vilma Geiringer verhaftet und in das Nahe Paris gelegene Gefängnis Fresnes überstellt. Wegen Zersetzung der Wehrmacht wurde sie zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus und zu zweieinhalb Jahren Verwahrung verurteilt. Im August 1943 wurde sie in das Internierungslager Drancy überstellt und am 2. September 1943 mit dem Transport Nummer 59 nach Auschwitz deportiert. Im Jänner 1945 überlebte sie den Todesmarsch von Auschwitz-Birkenau in das Konzentrationslager Ravensbrück. Da sie im Lager als Französin galt, gelangte sie im Zuge der schwedischen Rettungsaktion der Weißen Busse im April 1945 nach Schweden, wo sie das Kriegsende erlebte und drei Monate lang blieb.
Im August 1945 wurde Vilma Geiringer nach Paris repatriiert, wo sie erfuhr, dass sich Arthur Kreindel in Wien aufhalten würde. In Österreich angekommen, musste sie erfahren, dass er in den letzten Kriegstagen in Dachau ermordet wurde. In Wien lebte sie äußerst prekär, fand in einem Massenquartier und später bei Freundinnen und Freunden Unterkunft. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Sozialarbeiterin (Fürsorgerin), die sie 1948 beendete, und lernt den jüdischen Holocaust-Überlebenden und Kommunisten Adolf "Dolly" Steindling kennen, den sie im Februar 1947 heiratete. Das Paar bekam zwei gemeinsame Töchter, Elisabeth (* 1947) und Ruth (* 1950). Die Ehe verlief nicht harmonisch, nach längerer Trennung kam es 1966 zur Scheidung und Adolf Steindling ging mit Rudolfine Eckel, die später als "Rote Fini" unrühmliche Bekanntheit erlangen sollte, eine weitere Ehe ein.
Vilma Steindling war zunächst im Jugendamt angestellt, später arbeitete sie als Bewährungshelferin und für die Wiener Pensionistenheime. Weiterhin war sie als KPÖ-Mitglied aktiv, genauere Informationen über ihre Tätigkeiten liegen allerdings nicht vor. 1968 nach Niederschlagung des Prager Frühlings trat sie aus der Partei aus. Sie war Mitglied des KZ-Verbands und tauschte sich regelmäßig mit anderen über ihre Erfahrungen und Erlebnisse aus.
Literatur
- Ruth Steindling und Claudia Erdheim: Vilma Steindling. Eine jüdische Kommunistin im Widerstand. Wien: Amalthea Verlag 2017
- Dolly Steindling: Hitting back. An Austrian Jew in the french résistance. Bethseda, Md. : Univ. Press of Maryland 2000 (Studies and texts in Jewish history and culture 6)
- ÖsterreicherInnen im KZ Ravensbrück: Vilma Steindling [Stand: 29.10.2021]
- Österreichische Lagergemeinschaft Ravensbrück & FreundInnen, Vilma Steindling (1919 – 1989) [Stand: 29.10.2021]