Lotte Brainin

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Daten zur Person
PersonennameName der Person im Format Nachname, Vorname Brainin, Lotte
Abweichende NamensformAlternative Formen des Namens wie z.B. Pseudonyme oder Mädchennamen im Format Nachname, Vorname Sontag, Charlotte; Sonntag, Lotte
TitelAkademische Titel (abgekürzt), Amtstitel, Adelstitel
Geschlecht weiblich
Wien Geschichte WikiIdentifier/Persistenter URL zur Seite  358321
GNDGemeindsame Normdatei
Wikidata Q101541544
GeburtsdatumDatum der Geburt 12. November 1920
GeburtsortOrt der Geburt Wien 4066009-6
SterbedatumSterbedatum 16. Dezember 2020
SterbeortSterbeort Wien 4066009-6
BerufBeruf Sekretärin, Zeitzeugin, Widerstandskämpferin
ParteizugehörigkeitAngabe der Partei (bei PolitikerInnen) KPÖ
EreignisEreignis, mit dem die Person in Verbindung gebracht wird
Nachlass/Vorlass
Siehe auchVerweist auf andere Objekte im Wiki  Widerstandsbewegung
RessourceUrsprüngliche Ressource 
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 20.09.2024 durch WIEN1.lanm09kka
BestattungsdatumDatum der Bestattung  13. Jänner 2021
FriedhofFriedhof, auf dem eine Person begraben wurde Zentralfriedhof
Grabstelle Gruppe 40, Nummer 210
GrabwidmungGrabwidmung als Ehrengrab, historisches oder ehrenhalber gewidmetes Grab  ehrenhalber gewidmetes Grab
  • 20., Streffleurgasse (Wohnadresse)
  • 9., Liechtensteinstraße 56 (Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

  • Goldenes Verdienstzeichen des Landes Wien (Verleihung: 8. März 2001)


Lotte Brainin, * 12. November 1920 Wien, † 16. Dezember 2020 Wien, Sekretärin, Widerstandskämpferin, Holocaustüberlebende, Zeitzeugin.

Biografie

Lotte Brainin wurde in Wien Brigittenau als das jüngste von fünf Kindern des jüdischen Ehepaares Jetti und Maurycy Sontag geboren. Die Kindheit war von Armut geprägt. Ihre Eltern waren zu Beginn des Ersten Weltkriegs aus Galizien über Budapest nach Wien geflüchtet. Die Mutter, eine ausgebildete Schneiderin, ernährte die Familie durch Näharbeiten. Der Vater, zumeist arbeitslos, trug wenig zum Familieneinkommen bei. 1930 ließen sich die Eltern scheiden. Lotte Brainin besuchte die Volksschule in der Karajangasse und anschließend eine Hauptschule. Anders als ihre älteren Geschwister erlernte sie keinen Beruf, sondern arbeitete als Fabrikarbeiterin und später in einem chemischen Labor.

Über ihren Bruder Elias (Elie) kam Lotte Sontag schon früh zu den Roten Falken. Nach den Februarkämpfen 1934 schloss sie sich dem Kommunistischen Jugendverband an und wurde im Alter von 15 Jahren aufgrund illegaler Tätigkeiten erstmals verhaftet. Nach dem so genannten Anschluss im März 1938 war Brainin als Kommunistin und Jüdin doppelt gefährdet. Mit Hilfe von Freunden, die ihr die Reise mitfinanzierten, flüchtete sie via Köln und Aachen nach Belgien. In Brüssel traf sie mit ihren Brüdern und später auch ihrer Mutter zusammen. Als die deutsche Wehrmacht im Mai 1940 in Belgien einmarschierte, trennten sich ihre Wege erneut. Ein Fluchtversuch gemeinsam mit der Mutter ins nordfranzösische Dünkirchen scheiterte und die beiden Frauen mussten in Brüssel bleiben. Dort schloss sich Lotte Brainin einer kommunistischen Widerstandsgruppe, der Österreichischen Freiheitsfront (ÖFF), an. Im Rahmen der sogenannten "Mädelarbeit" oder "Soldatenarbeit" sprach sie deutsche Soldaten an, versuchte sie im antinationalsozialistischen Sinn zu beeinflussen und ließ ihnen in Folge illegale Druckschriften zukommen. Diese Arbeit war mit hohem Risiko verbunden und tatsächlich wurde Lotte Brainin von einem Soldaten verraten und im Juni 1943 festgenommen, verhört und misshandelt. Nach mehreren Monaten in Haft im Brüsseler Gefängnis Saint-Gilles wurde sie im Herbst 1943 im SS-Sammellager in Mechelen interniert und von dort aus im Jänner 1944 nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Sie wurde zur Zwangsarbeit in einer Munitionsfabrik verpflichtet und schloss sich dort erneut einer Widerstandsgruppe an, auch fungierte sie als österreichische Repräsentantin in der Internationalen Kampfgruppe Auschwitz. Lotte Brainin überlebte, unter anderem mit Barbara Hirsch, im Jänner 1945 den Todesmarsch von Auschwitz in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück von wo aus sie Ende April, kurz vor Kriegsende und der Befreiung durch die Rote Armee, die Flucht gelang. Im Juli 1945 kehrte sie nach Wien zurück und musste auch ablehnende Reaktionen auf ihre Rückkehr erfahren. Lotte Brainin und ihre vier Geschwister überlebten die Shoah, nicht jedoch ihre Eltern: Jetti Sontag wurde nach ihrer Ankunft in Auschwitz am 7. April 1944 ermordet. Maurycy Sontag war bereits 1939 in das KZ Buchenwald deportiert worden und dort am 19. Februar 1941 gestorben. Seit 2012 erinnert im Gehsteig vor dem ehemaligen Wohnhaus der Familie in der Liechtensteinstraße ein Stein der Erinnerung an Jetti und Maurycy Sontag sowie an weitere Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses, die Opfer der Shoah geworden sind.

Anders als ihre vier Geschwister, die nach dem Krieg in die USA emigrierten, kehrte Lotte Brainin als einzige aus ihrer Familie dauerhaft nach Wien zurück und engagierte sich hier ein Leben lang wider das Vergessen. Sie sagte 1947 im Hamburger Ravensbrück-Prozess aus, war Gründungsmitglied der Lagergemeinschaft Ravensbrück sowie der Lagergemeinschaft Auschwitz und war viele Jahrzehnte lang im Bundesverband österreichischer AntifaschistInnen, WiderstandkämpferInnen und Opfer des Faschismus ("KZ-Verband") aktiv. Sie engagierte sich unter anderem stark dafür, auch Frauen nachfolgender Generationen für die Arbeit der Österreichischen Lagergemeinschaft zu begeistern und in diese zu integrieren. Lotte Brainin arbeitete als Sekretärin in der Redaktion der "Volksstimme". 1968 brach sie mit der KPÖ, bis dahin hatte sie sich auch in der Bezirksorganisation der KPÖ Wieden engagiert. Ab 1948 war sie mit Hugo Brainin verheiratet, mit dem sie zwei Töchter hatte. Bis ins hohe Lebensalter trat Lotte Brainin als engagierte Zeitzeugin in Schulen und bei Veranstaltungen auf. Lotte Brainin starb wenige Wochen nach ihrem 100. Geburtstag in Wien.

Das Leben und Wirken Lotte Brainins ist gut dokumentiert und für die Nachwelt festgehalten. 2009 gestaltete Bernadette Dewald als Teil der Videoedition VISIBLE das Filmporträt "Lotte Brainin: Leben mit Eigenwillen und Mut". Dabei handelt es sich um ein filmisches Portrait anhand von Interviews aus dem Jahr 1999 und Gesprächen von 2008 mit Lotte Brainin und ihrem Enkelsohn Jakob Puchinger. Die Filmkünstlerin und Theaterregisseurin Tina Leisch gestaltete in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Lagergemeinschaft Ravensbrück und FreundInnen und dem KZ-Verband auf Radio Dispositiv das Feature "Ich habe nur getan, was ich für richtig hielt". In Form von Interviews und eingesprochener Texte sprechen darin Lotte Brainin und Weggefährt*innen über ihre Erinnerungen. Anlässlich Brainins 100. Geburtstags fand ein Festakt statt, der aufgrund der Covid19-Pandemie virtuell abgehalten werden musste. Zu diesem Jubiläum gestaltete die Künstlerin Marika Schmiedt eine virtuelle Ausstellung über Lotte Brainin und errichtete ihr damit ein digitales Denkmal.

Literatur

Weblinks