Franz Marek
Franz Marek, * 18. April 1913 Przemyśl (Galizien, heute Polen), † 28. Juni 1979 in Neukirchen (Oberösterreich), Journalist, Autor, Politiker, Widerstandskämpfer.
Biografie
Herkunft, Kindheit und Jugend
Franz Marek wurde am 18. April 1913 als Efraim Feuerlicht im galizischen Przemyśl im heutigen Polen geboren. Bereits ein Jahr nach seiner Geburt floh die Familie vor der brutalen Kriegsführung des Ersten Weltkriegs nach Wien. Marek wuchs in der Leopoldstadt auf. Wie viele andere galizische Flüchtlinge, ließ sich die Familie Feuerlicht dort nieder. Gemeinsam mit seinen Eltern Herman (oder Hersch) und Rosa Feuerlicht (geb. Rachel Engelberger) und seinen Geschwistern Ignaz und Natalie sowie der Zwillingsschwester Charlotte wohnte er in einer kleinen Wohnung in der Ennsgasse 21. Seine Kindheit war durch ärmliche Lebensumstände, antisemitische Vorurteile und dem sozialen und politischen Umfeld des Bezirks geprägt. Die Leopoldstadt war in der Zwischenkriegszeit ein hochpolitischer Ort, wo Anhängerinnen und Anhänger des Zionismus, der Sozialdemokratie oder des Kommunismus aber auch streng religiöse Jüdinnen und Juden Tür an Tür wohnten. Starken Einfluss auf ihn übte zudem das Bekenntnis seiner Familie zum Judentum und zum Zionismus aus. Jüdische Literatur, zionistische Zeitungen aber auch die Anhängerschaft zum Sportclub Hakoah bildeten einen wichtigen Teil seiner Kindheit.
Die Hinwendung zur Politik begann in der Schulzeit. Seit 1923 besuchte er das Rainer Realgymnasium, das heutige Sperlgymnasium, im Zweiten Bezirk. Im Schuljahr 1927/28 gründete er mit Klassenkameraden den "Verband Zionistischer Mittelschüler". Seine Hinwendung zu sozialistischen und kommunistischen Standpunkten erfolgte mit dem Eintritt in den "Haschomer Hazair". Damit verlor die Auswanderung ("Alijah") nach Palästina, die er als junger Zionist noch angestrebt hatte, an Bedeutung. Sein Entschluss in Europa zu bleiben, wurde durch die sie sich verschärfende politische Stimmung am Kontinent mitbestimmt. 1931 ging er nach der Matura auf die Walz nach Deutschland und erlebte dort den Aufstieg des Nationalsozialismus mit. Nach seiner Rückkehr inskribierte er im Wintersemester 1931/32 Geschichte, Germanistik und Philosophie an der Universität Wien. Einer seiner Studienkollegen war Jura Soyfer, mit dem ihn fortan eine Freundschaft verband. Am Studium selbst hatte er jedoch bald kein Interesse mehr. Die Ausschaltung des Parlaments im März 1933, die anschließende Diktatur unter Engelbert Dollfuß und der Bürgerkrieg im Februar 1934 führten zum Eintritt in die KPÖ und er begann sich im Widerstand zu engagieren.
Im Widerstand
Franz Marek trat 1934 der KPÖ bei und wurde im Widerstand gegen das Dollfuß-Schuschnigg Regime aktiv. Zu diesem Zeitpunkt nahm er auch seinen Kampfnamen Franz Marek an, den er bis zu seinem Lebensende führte. 1935 wurde er mit der Leitung des illegalen Apparats beauftragt. Er kümmerte sich um die Sicherung der Verbindungen zwischen Österreich und der Tschechoslowakei, wohin die KPÖ-Spitzenfunktionäre nach dem Verbot der Partei am 26. Mai 1933 übersiedelt waren, und vertrieb Flugblätter, Literatur, Broschüren und die Parteizeitung "Rote Fahne". Er fand sich rasch im Widerstand zurecht und erlernte alle wichtigen Regeln der Illegalität. 1936 wurde er zum Leiter der illegalen Agitation und Propaganda befördert. Diese Position hatte er bis Ende Februar 1938 inne. Nach dem "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 floh Franz Marek nach Frankreich. Auch dort betätigte er sich politisch.
Marek wurde für den "Secours populaire"', einer Hilfsorganisation, die sich der Betreuung von Kommunistinnen und Kommunisten sowie Antifaschistinnen und Antifaschisten verschrieben hatte, aktiv. Zudem arbeitete er für die "Nouvelles d’Autriche" – Österreichische Nachrichten, einer Zeitung der deutschsprachigen Emigration. In Paris lernte Franz Marek auch seine spätere erste Ehefrau Tilly Spiegel kennen, die wie Marek im NS-Regime als Jüdin und Kommunistin verfolgt wurde und darum nach Frankreich geflohen war. Franz Marek und Tilly Spiegel heirateten am 14. Mai 1947 in Wien. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939 wurden die Aufenthaltsbedingungen für Angehörige des Deutschen Reichs in Frankreich deutlich verschärft. Die Behörden verhängten die Internierung aller Männer. Franz Marek wurde im Stade Olympique Yves-du-Manoir in Colombes in der Nähe von Paris festgesetzt. Ab dem 8. September 1939 war er im Lager Meslay du Maine im Departement Mayenne im Nordwesten Frankreichs interniert. 1941, nach der Besetzung Frankreichs durch die Deutsche Wehrmacht, die Errichtung des Vichy-Regime und dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941, wurde er wieder im kommunistischen Widerstand aktiv.
Marek wurde in Paris eingesetzt und Teil der dortigen KPÖ-Leitung. Ab Winter 1941/42 war er zudem Mitglied der Führungsspitze des "Travail allemand" (TA), der neben Marek auch Otto Niebergall von der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und Artur London von der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KSČ) angehörten. Die TA leistete unter den deutschsprachigen Soldaten antifaschistische Aufklärungsarbeit. Frank Marek war für die Herausgabe der Agitationszeitung "Soldat im Westen" mitverantwortlich und organisierte die "Mädelarbeit", in der Frauen Soldaten ansprachen, um sie von der Sinnlosigkeit des Kriegs zu überzeugen. 1944 wurde Franz Marek gemeinsam mit Tilly Spiegel verhaftet. Im Militärgefängnis Fresnes warteten beide auf ihre Hinrichtung, die wegen der Befreiung von Paris ab dem 19. August 1944 jedoch nicht mehr vollzogen wurde.
Politiker und Publizist
1945 kehrte Franz Marek auf Geheiß der KPÖ nach Wien zurück, wo er in der Partei erneut rasch aufstieg. 1946 wurde er Chefredakteur des theoretischen Organs der KPÖ "Weg und Ziel", 1948 Mitglied des Politischen Büros der Partei. Neben Ernst Fischer war Franz Marek einer der wichtigsten Redner und Autoren der KPÖ. Dennoch verlor die Partei in der Besatzungszeit an Einfluss und konnte innenpolitisch, auch wegen der sowjetischen Besatzung und der Etablierung der Volksrepubliken in der österreichischen Nachbarschaft, keine Erfolge erzielen. Die Geheimrede Nikita Chruschtschows am 20. Parteitag der KPdSU 1956 und die blutige Niederschlagung der ungarische Revolution im Herbst 1956 ließen in Marek erste Zweifel an Stalin und der Sowjetunion aufkommen. Es begann eine Wandlung hin zum Reformkommunisten. Wichtige Impulse hierbei nahm Marek aus der Italienischen kommunistischen Partei und den Schriften Antonio Gramscis. 1963 kritisierte er die Sowjetunion im Rahmen einer Auseinandersetzung über die sowjetische Kulturpolitik erstmals öffentlich. Er war nun der Überzeugung, dass der Weg zum Sozialismus in Westeuropa über die Demokratie erfolgen müsse. 1965 beschloss die KPÖ am 19. Parteitag ein von Franz Mareks Ideen beeinflusstes Parteiprogramm, dass Autonomie und Demokratie in den Mittelpunkt stellte. Marek engagierte sich fortan verstärkt für den Austausch der kommunistischen Parteien Westeuropas und gilt damit als Wegbereiter des Eurokommunismus. In der KPÖ wurden die Reformen jedoch immer deutlicher in Frage gestellt. Die Auseinandersetzung erreichte 1968, und um den "Prager Frühling" sowie den Einmarsch einer Koalition des Warschauer Pakts ab dem 21. August ihren Höhepunkt. Franz Marek sah im "Prager Frühling" den demokratischen Sozialismus erfüllt, die Niederschlagung des Reformprojekts desillusionierte ihn jedoch vollends und führte zum Bruch mit der Sowjetunion. Die KPÖ verurteilte zwar den Einmarsch, der innerparteiliche Konflikt wurde jedoch immer schärfer geführt. Er endete 1969 mit einer Niederlage der reformorientierten Kräfte. Franz Marek trat 1969 als Chefredakteur von "Weg und Ziel" zurück und schied aus dem Politischen Büro aus. 1970 folgte der Parteiausschluss.
Nach dem Ausschluss aus der KPÖ betätige er sich weiter als Publizist. Seit 1970 war er Chefredakteur des "Wiener Tagebuchs", einer antifaschistischen Wochenzeitung mit Schwerpunkt auf Kultur, Politik und Wirtschaft. Für dieses war er bereits zuvor als Autor tätig gewesen. Unter seiner Leitung entwickelte sich das Medium zu einer zentralen Zeitschrift der österreichischen aber auch europäischen Linken. Neben Marek waren zahlreiche seiner Weggefährtinnen und Weggefährten aus dem Widerstand, die ebenso aus der Partei ausgeschlossen wurden oder ausgetreten waren, wie Antonie Lehr, Leopold Spira, Josef Meisel oder Teddy Prager, in der Zeitschrift aktiv. Zudem bot sie jungen Schriftstellern wie Martin Pollack, Erich Hackl oder Karl-Markus Gauß eine erste Plattform.
Franz Marek starb am 28. Juni 1979 an seinem Urlaubsort in Neukirchen in Oberösterreich. Seit 1966 und bis zu seinem Tod war er mit der Journalistin Barbara Coudenhove-Kalergi liiert.
Werke (Auswahl)
- Franz Marek: Was ist Sozialismus? Wien: Stern 1946
- Franz Marek: Frankreich. Von der Dritten zur Vierten Republik. Wien: Stern 1947
- Franz Marek: Was ist Volksdemokratie? Mit einer Einleitung über die bürgerliche Demokratie. Wien: Stern 1948
- Franz Marek: Stalin. Der Mensch und das Werk. Zu seinem siebzigsten Geburtstag am 21. Dezember 1949. Wien: Stern 1949
- Franz Marek: Lenin. Der Lehrer der Revolution. Zum achtzigsten Jahrestag seiner Geburt am 22. April 1950. Wien: Stern 1950
- Franz Marek: Friedrich Engels: Denker und Kämpfer. Zu seinem fünfundfünfzigsten Todestag am 5. August 1895, Wien: Stern 1950
- Franz Marek: Karl Marx. Wien: Stern 1951
- Franz Marek: Frankreich. Wien: Stern 1958
- Franz Marek: Was ist Marxismus? Kapitalismus? Sozialismus Kommunismus? Freiheit? Wien: Stern 1960
- Franz Marek: Philosophie der Weltrevolution. Beitrag zu einer Anthologie der Revolutionstheorien, Wien/Frankfurt/Zürich: Europa 1966
- Ernst Fischer/Franz Marek: Was Marx wirklich sagte, Wien/München/Zürich: Molden, 1968
- Ernst Fischer/Franz Marek: Was Lenin wirklich sagte, Wien/München/Zürich: Molden, 1969
- Franz Marek: Was Stalin wirklich sagte, Wien/München/Zürich: Molden 1970
- Franz Marek: Eurokommunismus. In: Gesellschaft und Politik. Schriftenreihe des Institutes für Sozialpolitik und Sozialreform 15 (1979) 3, S. 7–24.
Literatur
- Maximilian Graf/Sarah Knoll/Ina Markova/Karlo Ruzicic-Kessler: Franz Marek. Ein europäischer Marxist. Die Biografie. Wien/Berlin: Mandelbaum 2019
- Maximilian Graf/Sarah Knoll (Hg.), Franz Marek. Beruf und Berufung Kommunist. Lebenserinnerungen und Schlüsseltexte. Wien: Mandelbaum 2017
- Sabine Bergler/Gabriele Kohlbauer-Fritz [Hg.]: Genosse. Jude. Wir wollten nur das Paradies auf Erden. Wien: Amalthea 2017
Franz Marek im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.