Antonie Lehr
Antonie Lehr, * 30. November 1907 Czernowitz, Bukowina, † 1. März 1997 Wien, Angestellte, Journalistin, Widerstandskämpferin, Zeitzeugin.
Biografie
Antonie Lehr wurde 1907 in Czernowitz geboren und kam 1914 nach Wien. Hier besuchte sie die Volksschule und die Schwarzwaldschulen. Von 1923 bis 1927 engagierte sich Lehr bei der Sozialistischen Arbeiterjugend. Sie studierte an der Hochschule für Welthandel in Wien. 1927 wechselte sie zur Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ), arbeitete als Funktionärin in ihrem Heimatbezirk Alsergrund und im Parteisekretariat mit, war in der Roten Hilfe (einer Hilfsorganisation für inhaftierte Kommunistinnen und Kommunisten) aktiv und gehörte der kommunistischen Studentenfraktion an. Nach Abschluss ihres Studiums ging sie nach Moskau, wo sie im Rahmen der Internationalen Roten Hilfe wirkte. 1933 kehrte sie nach Wien zurück, wo sie als illegale Funktionärin der KPÖ und Kontaktfrau zur Komintern tätig war. Über Prag kam sie 1935 nach Paris, wo sie sich im "Spanienkomitee" engagierte, ohne aber im Spanischen Bürgerkrieg zu kämpfen.
Nach der Besetzung Frankreichs durch die Wehrmacht 1940 wirkte Lehr im Widerstand und wirkte an der Herstellung der Untergrundzeitung "Soldat im Westen" für Soldaten der Wehrmacht mit. Trotz der Verfolgung als Jüdin durch das nationalsozialistische Regime meldete sie sich 1943 in einem Rekrutierungsbüro unter dem Namen Annette Lutterbach (andere, von Lehr verwendete Decknamen waren Annette Lefèvre und Edith) als französische "Fremdarbeiterin" für eine Tätigkeit in Wien an und erhielt eine Anstellung als Dolmetscherin in der Lagerleitung der Floridsdorfer Lokomotivfabrik. Eigentliches Ziel ihres Aufenthalts war aber kommunistische Untergrundaktivität. Im Juli 1944 wurde sie enttarnt und verhaftet und im November 1944 in das KZ Auschwitz deportiert. Von dort wurde Antonie Lehr im Jänner 1945 nach Ravensbrück überstellt. Nachdem ein Hinrichtungsbefehl für sie erlassen worden war, wurde sie von Mithäftlingen – etwa Maria Berner und Anna Hand – versteckt und im April als Französin getarnt mit einem Transport des Roten Kreuzes über Dänemark nach Schweden evakuiert.
Im August 1945 kehrte die Kommunistin nach Wien zurück und arbeitete in verschiedenen Funktionen für die KPÖ, unter anderem als Sekretärin von Johann Koplenig und von 1953 bis zu ihrer Pensionierung 1967 als Redakteurin (Auslandsressort) des kommunistischen Blattes "Volksstimme". Nach Kritik an der Niederschlagung des Prager Frühlings (1968) durch Intervention des Warschauer Pakts wurde sie 1971 aus der KPÖ ausgeschlossen. Daneben engagierte sie sich unter anderem im Friedensrat, im KZ-Verband sowie in den Lagergemeinschaften Auschwitz' und Ravensbrück. Als aktive Zeitzeugin erzählte sie in Schulen, Publikationen und diversen TV- und Radiosendungen von ihren Erlebnissen während des Nationalsozialismus. Antonie Lehr starb im März 1997 in Wien. Seit 2019 erinnert im 21. Bezirk die Antonie-Lehr-Straße an sie.
Quellen
- ANNO: Gemeinsam und einig für den Frieden – gegen den Neonazismus. In: Der Neue Mahnruf, Mai 1950
- ANNO: Österreichischer Friedensrat. In: Volkswille, 22.06.1950
- ANNO: Auszeichnung österreichischer Widerstandskämpfer. In: Der Neue Mahnruf, Oktober 1959
- ANNO: Konstituierung des BPA. In: Der Neue Mahnruf, Mai/Juni 1987
- ANNO: Die Lagergemeinschaft Auschwitz. In: Der Neue Mahnruf, Dezember 1993
Literatur
- Hans Schafranek: Antonie Lehr – eine biographische Skizze. In: Alfred Klahr Gesellschaft Mitteilungen 4 (Dezember 2022), S. 1–8
- Maria Bianca Fanta: Arbeiter der Feder. Die Journalistinnen und Journalisten des KPÖ-Zentralorgans "Österreichische Volksstimme" 1945-1956. Graz: Clio 2016, S. 84 ff. und 152 f.
- Wolfgang Neugebauer: Der österreichische Widerstand 1938 - 1945. Wien: Steinbauer 2015, S. 11 f.
Weblinks
- biografiA: Lehr Antonie
- Internationales Ravensbrück Komitee: Antonie (Toni) Lehr
- DÖW: Lehr, Antonie
- DÖW: Antonie Lehr: Die heroische Zeit des OMS-Apparates
- DÖW: Antonie Lehr: Der erste Hoffnungsschimmer
- DÖW: Antonie Lehr: Freiwillig nach Deutschland
- ORF Science: Geflüchtet, heimgekehrt, erschüttert, 06.03.2017