Volksabstimmung zum Anschluss

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Propaganda für die Volksabstimmung im April 1938
Daten zum Ereignis
Art des Ereignisses Politisches Ereignis
Datum vonDatum (oder Jahr) von 10. April 1938
Datum bisDatum (oder Jahr) bis 10. April 1938
Thema
VeranstalterVeranstalter
Teilnehmerzahl
Gewalt
Wien Geschichte WikiIdentifier/Persistenter URL zur Seite  56724
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Letzte Änderung am 14.09.2022 durch WIEN1.lanm09lue
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BildunterschriftInformation, die unterhalb des Bildes angezeigt werden soll Propaganda für die Volksabstimmung im April 1938

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Vorgeschichte

Nach der noch vom austrofaschistischen Regime angekündigten und auf Druck des NS-Regimes abgesagten Volksbefragung am 13. März 1938 waren die Nationalsozialisten bemüht, den Anschluss (schein-)demokratisch zu legitimieren. Es wurde daher für den 10. April 1938 eine Volksabstimmung zum Anschluss im gesamten Deutschen Reich angesetzt.

Propagandaaktionen in der ganzen Stadt

Werbung für den Anschluss auf einem Straßenbahnwaggon

In den Wochen vor dem 10. April 1938, dem Tag der Volksabstimmung über den "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich, war Wien einer Propagandaoffensive ausgesetzt, die in ihrer Intensität bis dahin unbekannt war. Auf diese Weise gelang es den neuen nationalsozialistischen Machthabern, eine Art permanente Volksfeststimmung zu erzeugen. Bis zum Tag der Abstimmung steigerte sich diese Stimmung noch und kulminierte in einem regelrechten Vereinigungstaumel. Mit den modernsten Medien der damaligen Zeit war die erprobte NS-Propagandamaschinerie ausgezogen, um die noch unentschlossenen Teile der österreichischen Bevölkerung von einer gleichsam paradiesischen Zukunft im "Dritten Reich" zu überzeugen. Filme, Plakate, Flugtransparente, Lichtreklame, Flugzettel, Bilder und Musik aus 20.000 gratis verteilten "Volksempfängern" sollten ebenso dazu beitragen wie 200.000 in der Stadt plakatierte Hitlerbilder.

Anhand einer im Wiener Stadt- und Landesarchiv (MA 8) archivierten Fotoserie lassen sich viele der damaligen Propagandaaktionen heute noch nachvollziehen. Dazu gehören mehrere Großveranstaltungen, die im Vorfeld der Volksabstimmung stattgefunden haben wie etwa der Beamtenappell auf dem in Adolf Hitler-Platz umbenannten Wiener Rathausplatz am 8. April 1938. 70.000 öffentlich Bedienstete nahmen daran teil. Ein weiteres Beispiel sind die Massenausspeisungen von Wiener Bürgerinnen und Bürgern am Heldenplatz durch die deutsche Polizei. Für über 2.000 Personen waren Tische und Bänke auf- und Gulaschkanonen bereitgestellt. Den Höhepunkt dieser Veranstaltungen bildete der "Tag des Großdeutschen Reiches" am 9. April 1938. Adolf Hitler war dazu eigens nach Wien angereist und fuhr am Vortag des Palmsonntags wie ein Messias im offenen Wagen durch die Mariahilfer Straße zum Rathaus. Dort hielten er und Propagandaminister Joseph Goebbels vom Balkon aus eine Rede.

Werbeslogans und Prachtbauten

Der bei diesen Veranstaltungen am häufigsten skandierte Spruch "Ein Volk, ein Reich, ein Führer" war auf unzähligen Plakaten und Transparenten anzutreffen. Diese wiederum fanden sich auf so gut wie allen öffentlichen, aber auch auf unzähligen privaten Gebäuden. Weiters war dieser Spruch auf monströsen Propagandaskulpturen und auf Straßenbahnwaggons montiert. Es waren aber auch andere Sätze wie "Reicht Euch die Hände Germanen von Donau bis zum Rhein" zu lesen. Die größte Propagandaskulptur stand vor dem Westbahnhof. Für die Ankommenden waren die drei quaderförmigen Säulen, die mit Hakenkreuzen beziehungsweise einem Reichsadler bekrönt waren, unübersehbar. Die beiden äußeren Säulen waren circa 15 Meter hoch, die mittlere etwas niedriger. Auch an vielen anderen wichtigen Stellen des Stadtverkehrs waren Propagandabauten in allen möglichen Formen errichtet worden, etwa am unteren Ende der Mariahilfer Straße, auf dem Hietzinger Hauptplatz, vor der Staatsoper, vor dem Rathaus und vor dem Universitätsgebäude. Auf letzterem war eine große Karte des Deutschen Reiches samt Österreich zu sehen. Die zwischen diesen Ländern eingezeichnete Grenze war dabei rot durchgestrichen und darüber ein Schriftzug mit "75 Millionen - JA!" zu lesen.

Zielgruppenorientierte Werbung

Manche Propagandasprüche richteten sich an konkrete Zielgruppen wie etwa die Arbeiterschaft, die in Wien traditionellerweise der Sozialdemokratie verbunden war. Auf einem etwa vier Meter hohen, vor dem Rathaus aufgestellten Quader war in großen Lettern die Aufschrift "Seid Sozialisten der Tat" zu lesen. Auf einem anderen Foto ist zu sehen, wie vor den Wiener Gaswerken eine uniformierte Kapelle spielt, darüber ein Transparent mit der Aufschrift: "Durch unseren Führer Adolf Hitler wieder in Arbeit und Brot. Die Opfer vom Februar 1934". Ganz offensichtlich warben die neuen Machthaber um Personen, die durch den Verlust ihrer Arbeitsplätze zu Opfern des Dollfuß-Schuschnigg-Regimes geworden waren. Auf dem katholischen Milieu verhaftete Wählerinnen und Wähler zielte eine riesige Tafel vor dem Stephansdom. Sie zeigte zwei Engelsfiguren, die ihre Arme zum Gruß dem Wort "JA" entgegenstreckten. Ein Straßenschild am "Adolf-Hitler-Platz" war wie ein katholisches Heiligenbild gestaltet. Mit frischem Tannenreisig umrahmt und blumengeschmückt, zeigte es ein Porträt des "Führers". Über einem Kriegerdenkmal, auf dessen Sockel ein Kruzifix montiert war, war der monumentale Schriftzug "Sie starben, damit Deutschland lebe" zu lesen. Auch die Gefallenen Österreich-Ungarns wurden damit für das Deutsche Reich vereinnahmt.

Überwältigende Zustimmung

Schon seit den Märztagen des "Anschlusses" waren gegenüber der jüdischen Bevölkerung Wiens pogromartige Ausschreitungen im Gange. Auch Verhaftungen und Deportierungen der führenden Persönlichkeiten des Ständestaates sowie der Sozialdemokratie, der Kommunistischen Partei und der Monarchisten fanden statt. Angesichts dessen wirkt das überwältigend positive Ergebnis von 99,6 Prozent Ja-Stimmen als geradezu obszön. Zu diesem Ergebnis gilt es festzuhalten, dass etwa acht Prozent der Bevölkerung (Juden und verhaftete politische Gegner) von den Wahlen von vorneherein ausgeschlossen blieben. Ebenso bestanden Ängste, dass eine Nein-Stimme nicht anonym bleiben würde.

Der Propagandamaschinerie gelang es, bei sehr vielen Leuten negative Erfahrungen und bestehende Bedenken auszublenden. Die Menschen gönnten sich einen Augenblick des Glücks und des Triumphes, letzterer vor allem gegenüber den Gegnern des Ersten Weltkrieges. Die nationalsozialistische Propaganda belebte die starke Empfindung eines 1918 beziehungsweise 1919 in Versailles und Saint Germain en Laye erlittenen Unrechts wieder. Ebenso entfachte sie den bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland von nahezu allen politischen Kräften gehegten Wunsch nach einem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich neu. Viele Österreicherinnen und Österreicher empfanden die Republik Österreich als politisch bedeutungslos und konnten sich mit ihr nur schwer anfreunden.

Abgesehen von der Propaganda trugen zum überwältigenden Ja-Ergebnis insbesonders folgende Faktoren bei:

  • Die Abstimmung erfolgte nur nach außen hin frei. In den Wahllokalen wurden Stimmberechtigte aufgefordert ihr Bekenntnis offen abzugeben. War auf geheimer Abstimmung beharrte musste mit nachträglicher Verfolgung durch das Regime rechnen.
  • Mit dem Anschluss begann sich die wirtschaftliche Situation eines Teils der Wahlberechtigten durch die Hoffnung auf Arbeitsplätze, angefeuert von der deutschen Rüstungskonjuktur, zu verbessern. Das Regime schien eine bessere Zukunft zu verheißen.
  • Die Ja-Empfehlungen des in der Sozialdemokratie hoch angesehenen Karl Renner, des Kardinals Theodor Innitzer als Repräsentanten der österreichischen Bischofskonferenz sowie von Vertretern der Evangelischen Kirche haben bei vielen dazu beigetragen, letzte Bedenken auszuräumen. Dass selbst die Vertreter der tschechischen und slowakischen Minderheit für ein "Ja" geworben haben, zeigt, dass bei den genannten gesellschaftlichen Gruppen und ihren Repräsentanten keineswegs nur Überzeugungen und Hoffnungen, sondern auch massive Ängste um die eigene Klientel eine Rolle gespielt haben.

Link

Amateurfilm der Werbemaßnahmen für die Volksabstimmung am 10. April 1938

Literatur

  • Gerhard Botz: Nationalsozialismus in Wien. Machtübernahme, Herrschaftssicherung, Radikalisierung, Kriegsvorbereitung 1938/39. Wien: Mandelbaum Verlag 2018, S. 173-265
  • Ernst Hanisch, Der lange Schatten des Staates. Österreichische Gesellschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert, Wien 1994
  • Gerhard Botz, Die Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich. Planung und Verwirklichung des politisch-administrativen Anschlusses (1938–1940), Wien 1988