48° 10' 44.50" N, 16° 22' 28.70" E zur Karte im Wien Kulturgut
Volksschule für Knaben, 10., Keplergasse 11. Im selben Gebäude, allerdings mit einem anderen Eingang und unter einer anderen Adresse, befindet sich die VS Keplerplatz 7.
Schulgründung
Bevor die Knabenvolksschule im Jahr 1871 unter der Leitung des Oberlehrers Anton Paullal in das neue Gebäude am Keplerplatz, das auch von der Mädchenvolksschule VS Keplerplatz 7 bezogen wurde, umsiedelte, befand sie sich in der Keplergasse 23. Die Doppelvolksschulen Keplerplatz-Keplergasse wurden Anfang Oktober 1871 eröffnet und gelten als erste öffentliche Volksschule des Bezirks Favoriten, wobei sie bis zum Jahr 1874 noch dem 4. Gemeindebezirk Wieden zugeordnet waren.
Im Jahr 1876/1877 gab es insgesamt elf Knabenklassen, welche auf sechs Stufen aufgeteilt waren. Die größte Klasse fasste 82 Schüler. Insgesamt besuchten in diesem Schuljahr 788 Knaben die Schule, davon waren 755 der katholischen, einer der protestantischen und 32 der jüdischen Konfession zugehörig. Die Schule fungierte zudem bis zum Schuljahr 1902/1903 als Religions- beziehungsweise Konfessionssammelstelle für Schüler des jüdischen Glaubens. Ab 1902/1903 findet sich auch keine jüdische Lehrperson mehr in der Liste der Lehrkräfte. Die gleiche Funktion als Religionssammelstelle hatte die Volksschule zwischen 1912/1913 und 1938/1939 für Schüler des evangelischen Glaubens inne.
Schulausstattung
Beim Schulgebäude handelt es sich um einen von der Gemeinde Wien errichteten Ziegelbau, bei dessen Eröffnung auch der damalige Wiener Vizebürgermeister Ritter von Khunn anwesend war. Das Schulgebäude verfügte über einen Turnsaal sowie einen Sommerturnplatz, die von den beiden Volksschulen gemeinsam benützt wurden. Eine Dienstwohnung für den Leiter der Schule gab es ebenfalls, dies allerdings nur bis November 1906.
Erster Weltkrieg
Im Verlauf des Ersten Weltkriegs wurden Räumlichkeiten der Schule von der Brot- und Mehlkommission Nummer 5 und 6 genützt. Diese Nutzung von Schulen durch militärische oder zivile Behörden in Kriegszeiten stellte eine allgemeine Praxis dar. Der eigene Turnsaal, den die Knabenvolksschule mittlerweile besaß, wurde ab Kriegsbeginn unter anderem von der Kartenstelle Nummer 65 zur Vergabe von Lebensmittelkarten benützt, weswegen wiederum teilweise auf den Turnsaal der Mädchenvolksschule am Keplerplatz 7 zurückgegriffen wurde. Zeitweise war auch die Knabenvolksschule Uhlandgasse 1 in der Keplergasse 11 untergebracht, wo den Schülern halbtags beziehungsweise Wechselunterricht erteilt wurde.
Ständestaat und Gleichschaltung
Nach den vom 12. bis 16. Februar anhaltenden Februarkämpfen im Jahr 1934 kam es auch in der Knabenvolkschule zu Veränderungen. Am 19. Februar fand ein Wechsel in der Schulleitung statt, so übernahm nun Oberlehrer Karl Stepanek die Agenden der Schulleitung. Der vorangegangene Leiter Anselm Koteletsky scheint nicht mehr auf.
Nach dem "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 übernahm am 1. September 1938 Oberlehrer Alexander Maly die Leitung. Ein kausaler Zusammenhang mit der Gleichschaltung ist denkbar, aber nicht belegt. Auch wurden ab dem Schuljahr 1938/1939 keine jüdischen Schüler mehr aufgeführt.
Spätes 20. Jahrhundert
Im Schuljahr 1986/1987 war die VS Keplergasse 11 eine sogenannte Standschule für 32 Lehrerinnen der Elementarstufe, welche nicht klassenführend waren. Im Gegensatz dazu hatte die VS Keplerplatz 7 im selben Gebäude nur elf Lehrerinnen und einen Lehrer im Kollegium bei circa gleich vielen Schülern. Beide Einrichtungen setzten einen Schwerpunkt auf Zusatzunterricht in Türkisch und Serbokroatisch.
1992/1993 war Marianne Klicka die letzte Leiterin der VS Keplergasse 11. Seit 1993/1994 hat nun nur mehr die VS Keplerplatz 7 Bestand, welche gegenwärtig alleine am Standort aufscheint. Es ist anzunehmen, dass beide Schulen vereint wurden beziehungsweise die ehemaligen Knabenvolksschule Keplergasse 11 in der ehemaligen Mädchenvolksschule Keplerplatz 7 aufging.
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Stadtschulrat, A9/1 – Standesausweise: Öffentliche Schulen 1916-1945
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Stadtschulrat, B4 – Standesausweise 1876-1915
- Handbuch der Stadt Wien 1992/93. 107. Jahrgang (amtlich redigiert). Wien: Jugend und Volk [1993]
- Die Gemeinde-Verwaltung der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien in den Jahren 1871 bis 1873. Bericht des Bürgermeisters Dr. Cajetan Felder in den Jahren 1871-1873 vorgelegt dem Gemeinderathe in der Sitzung vom November 1874. Wien: Verlag des Gemeinderathes der Stadt Wien 1874
- Wienbibliothek Digital: Wiener Kommunalkalender und städtisches Jahrbuch. Wien: Gerlach & Wiedling (1863 bis 1922)
Literatur
- Klemens Dorn: Favoriten. Ein Heimatbuch des 10. Wiener Gemeindebezirkes. Wien: Deutscher Verlag für Jugend und Volk 1928