VS Uhlandgasse 1/1a
48° 10' 42.52" N, 16° 22' 45.64" E zur Karte im Wien Kulturgut
Volksschule für Knaben und Mädchen in getrennten Abteilungen, 10., Uhlandgasse 1/1a.
Die Volksschule Uhlandgasse 1 war eine öffentliche Volksschule für Knaben im 10. Wiener Gemeindebezirk, Favoriten. Im selben Gebäude, allerdings mit einem anderen Eingang und deshalb unter der Adresse Uhlandgasse 1a, befand sich die Volksschule für Mädchen.
Schulgründung
Zu Beginn des Schuljahres 1882/1883 wurde eine Knaben- und Mädchenvolksschule mit je fünf Klassen und sechs beziehungsweise fünf Parallelabteilungen in dem neuen Schulgebäude Uhlandgasse 1 eröffnet. Im gleichen Jahr wurde zudem ein neuer Turnplätze zur Schule eröffnet. Eine von gemeinnützigen Vereinen unterhaltene Knabenbeschäftigungsanstalt kam ebenfalls im neuen Schulgebäude unter.
Im Schuljahr 1883/1884 stand die Knabenvolksschule unter der Leitung von Oberlehrer Franz Rasp und wurde von 819 Schülern besucht, die auf 14 Klassen aufgeteilt waren. Unter den Schulkindern waren 798 römisch-katholische, zehn evangelischen sowie zehn jüdische Schüler. Im ersten Schuljahr bestand die Lehrerbibliothek aus 67 Werken, während die Schülerbibliothek noch im Begriff war, angeschafft zu werden.
Die Mädchenvolksschule wurde von Oberlehrer Alois Langer geleitet und wurde von 810 Schülerinnen besucht, die auf 13 Klassen aufgeteilt waren. Hier gab es 794 römisch-katholische, sieben evangelische und zehn jüdische Mädchen. Auch hier bestand bereits eine Lehrerbibliothek mit 51 Werken, während die Schülerinnenbibliothek noch nicht existierte.
Schulausstattung
Im Jahr 1900 fanden Umänderungen größeren Umfangs am Schulgebäude statt. Die Wohnung des Leiters der Knabenschule im dritten Stock wurde aufgelassen, zu zwei Lehrzimmern und zwei Lehrmittelzimmern adaptiert und eingerichtet. Weiters wurde aus einem Lehrzimmer im Erdgeschoß eine Schuldienerwohnung geschaffen. Die baulichen Umänderungen fanden in den Hauptferien des Jahres 1900 statt.
Erster Weltkrieg und Zwischenkriegszeit
Während der Zeit des Ersten Weltkrieges war die Mädchenvolksschule Uhlandgasse 1a in der Mädchenvolksschule Keplerplatz 7, die Knabenvolksschule Uhlandgasse 1 in der Knabenvolksschule Keplergasse 11 untergebracht, wo die Schulkinder Halbtags- und Wechselunterricht erhielten. Diese Unterbringung dauerte zumindest für die Knaben noch nach dem Krieg an (mindestens bis ins Schuljahr 1920/1921; spätestens im Schuljahr 1922/1923 befand sich die Schule wieder an ihrem gewohnten Standort). Beide Volksschulen in der Uhlandgasse 1/1a hielten während der Kriegszeit ihre Funktion als Religionssammelstelle für den jüdischen Unterricht, die sie seit 1903/1904 innehatten, aufrecht. Die Knabenvolksschule blieb bis mindestens 1924/1925 eine jüdische Religionssammelstelle, und die Mädchenvolksschule bis zur Errichtung des Ständestaats 1934/1935.
Währenddessen gab die Mädchenbürgerschule Antonsplatz 11 parallel dazu an, dass sie in den Jahren 1914/1915 bis 1916/1917 in der Uhlandgasse 1 untergebracht war. Es ist davon auszugehen, dass sich beide Mädchenschulen in der Schule am Keplerplatz befanden.
Der Turnsaal in der Uhlandgasse 1 wurde vom Schülerhilfskorpus der Bürgerschule Eugengasse 30/32 sowie von der Knabenbürgerschule Antonsplatz 12 benützt. In der schulfreien Zeit diente der Turnsaal der Kriegsfürsorge.
Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler sank während der Kriegszeit langsam aber stetig, sodass sich die Zahlen gegen Kriegsende um ein Drittel reduziert hatten:
- Schuljahr 1914/1915: 647 Knaben in 15 Klassen und 686 Mädchen in 14 Klassen
- Schuljahr 1915/1916: 584 Knaben in 13 Klassen und 694 Mädchen in 13 Klassen
- Schuljahr 1916/1917: 559 Knaben in zwölf Klassen und 591 Mädchen in elf Klassen
- Schuljahr 1917/1918: 534 Knaben in elf Klassen und 337 Mädchen in zehn Klassen
Im Schuljahr 1923/1924 ist in der Uhlandgasse 1a zudem eine Volksschule für Mädchen mit tschechischer Unterrichtssprache dokumentiert. Ein Vermerk deutet daraufhin, dass die Schule ab 1924/1925 in die Mädchenvolksschule Laaer Straße 1 verlegt wurde.
Ständestaat, NS-Zeit und Zweiter Weltkrieg
Nach den bürgerkriegsähnlichen Ereignissen im [Februar 1934]] kam es zu einem Wechsel in der Leitung der beiden Volksschulen. Ab 15. September 1934 übernahm Otto Wolff die Agenden der Knabenvolksschule, währen Oberlehrerin Editha Pfaundler ab dem 1. September 1934 die Mädchenvolksschule leitete. Die ohnehin vereinzelten jüdischen Schulkinder, die noch 1934/1935 die Schulen besuchten (zwei Schüler und drei Schülerinnen), verschwanden während der Zeit des Ständestaats gänzlich, sodass zum Zeitpunkt des "Anschlusses" Österreichs an das Deutsche Reich im Jahr 1938 keine jüdischen Kinder mehr in den Standesausweisen der beiden Volksschulen auftauchen. Außerdem wurden ab 1936/1937 beziehungsweise 1937/1938 beide Schulen unter einer gemeinsamen Leitung geführt mit einer Knaben- und einer Mädchenabteilung.
Ab 1935/1936 siedelte die Hilfsschule, die sich zwischen 1913/1914 und 1935/1936 in der Favoritenstraße 96 befunden hatte, in die Uhlandgasse 1a um.
In der NS-Zeit musste die Schule ihre Räumlichkeiten unter anderem nationalsozialistischen Organisationen bereitstellen. So wurde der Turnsaal, der noch vor 1934 dem jüdischen Turnverein "Makkabi" zur Verfügung gestellt worden war, von der städtischen Kinderausspeisestelle, von der NSDAP-Ortsgruppe Humboldtplatz, vom Bund deutscher Mädel und der Hitlerjugend sowie von der Mädchengruppe "Jungvaterland", eine Jugendorganisation der Vaterländischen Front, mitbenützt.
Während der Zeit des Zweiten Weltkriegs waren auch einige anderen Schulen in der Uhlandgasse 1/1a untergebracht. So befanden sich die Mädchenvolksschule Quellenstraße 52, die Knabenvolksschule Quellenstraße 54 und die Knabenmädchenvolksschule Kempelengasse 20 ab 1940/1941 bis 1944 in der Uhlandgasse, wo die Schulkinder zeitweise Wechselunterricht erhielten. Ab 1942/1943 wurde wieder gleichzeitiger Normalunterricht mit der Knabenvolksschule Quellenstraße 54 abgehalten. Offensichtlich muss die Schule ebenfalls zeitweise als Religionssammelstelle für den römisch-katholischen Religionsunterricht gedient haben, denn ab 1942/1943 findet sich der Vermerk, dass die Konfessionssammelstelle in die Knabenmädchenvolksschule Quellenstraße 72 verlegt wurde.
Das Schuljahr 1943/1944 war das letzte Jahr für die Schule in der Uhlandgasse, da sie im Jahr 1944/1945 bereits stillgelegt war. Laut dem Kriegsschädenplan von 1946 wurde das Schulgebäude in der Uhlandgasse 1 im Luftkrieg von Bombentreffer getroffen, was wohl auch der Grund für die Stilllegung sein dürfte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg ist eine Schule in der Uhlandgasse nicht mehr auffindbar, weshalb davon auszugehen ist, dass es nach der Stilllegung zu keiner Neueröffnung kam. Somit findet die Knabenmädchenvolksschule mit Josef Schober als Leiter im Handbuch Reichsgau Wien von 1944 ihre letzte Erwähnung. Heute befindet sich an diesem Standort in der Uhlandgasse 1/1a eine Wohnhausanlage.
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Stadtschulrat, A9/1 – Standesausweise: Öffentliche Schulen 1916-1945
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Stadtschulrat, B4 – Standesausweise 1876-1915
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Kartographische Sammlung, Pläne der Plan- und Schriftenkammer, P10/2.120422
- Georeferenzierter Kriegsschädenplan von 1946 in Wien Kulturgut
- Die Gemeinde-Verwaltung der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien in den Jahren 1880 bis 1882. Bericht des Bürgermeisters Eduard Uhl. Wien: Verlag des Gemeinderathes der Stadt Wien 1884.
- Verwaltungsbericht der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien im Jahre 1900. Bericht des Bürgermeisters Dr. Karl Lueger. Wien: Wilhelm Braumüller, k. u. k. Hof- und Universitäts-Buchhändler 1903.
- Handbuch Reichsgau Wien. 65./66. amtlich redigierter Jahrgang. Wien: Deutscher Verlag für Jugend und Volk 1944.