48° 10' 14.09" N, 16° 22' 43.32" E zur Karte im Wien Kulturgut
Bürgerschule für Knaben und Mädchen in getrennten Abteilungen, 10., Antonsplatz 11-12.
Die Bürgerschule Antonsplatz 11-12 war eine öffentliche Bürgerschule im 10. Wiener Gemeindebezirk, Favoriten. Die Mädchenbürgerschule befand sich am Antonsplatz 11, während die Knabenbürgerschule unter der Anschrift Antonsplatz 12 zu finden war.
Schulgründung
Im Jahr 1898 wurden die Planungen eines Schulgebäudes als Doppelbürgerschule am Antonsplatz in Angriff genommen. Das Schulhaus sollte auf den "Gasselfedergründen" / "Gasselfeder’schen Gründe", und zwar auf den für diesen Zweck abgetrennten drei Parzellen, erbaut werden. Das Schulgebäude bildete mit dem auf der anderen Seite des Platzes zu erbauende Pfarrhof einen wirkungsvollen Abschluss des genannten Platzes, auf dessen Mitte sich die prächtige Antonskirche erhob.
Wettbewerb
Das Bauprojekt wurde nicht wie üblich vom Stadtbauamt verfasst, sondern es wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, an welchem sich nur österreichische Architekten und Ingenieure beteiligen konnten. Als Grundlage der Wettbewerbsverhandlung dienten ein vom Stadtbauamt verfasster Situationsplan über die Ausgestaltung des Antonsplatzes, ein Grundriss des zu erbauenden Schulgebäudes, in welchem die Anzahl der zu gewinnenden Lokalitäten und deren Disposition dargestellt war, sowie ein entsprechendes Bedingungsheft. Die seitens der Gemeinde Wien berufene Jury bestand aus Vertretern des Gemeinderats, des Magistrats und des Stadtbauamts.
Unter den eingelangten Projekten wurde jenes mit dem Motto "Disterweg" der Wiener Architekten Karl Troll[1] und August Rehak mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Das Preisgeld betrug 1.000 Kronen. In diesem Projekt waren die aufgestellte Disposition, wonach das zu erbauende Schulgebäude und der in der Folge zu erbauende Pfarrhof eine symmetrische Lage zu der auf dem Antonsplatz neu erbauten Kirche erhalten sollen, ferner die vom Stadtbauamt verfassten Grundrisse des zu erbauenden Schulgebäudes nahezu unverändert beibehalten worden.
Den ersten Preis errang dieses Projekt hauptsächlich wegen der Ausgestaltung der Fassaden, welche sich im Erdgeschoß mit Rustik-Verputz, in den übrigen zwei Geschoßen als Rohbau mit verschiedenfärbigen Ziegeln und teilweise mit Verputz ausführenden Gesimsen in harmonischer Weise an die in ähnlicher Art ausgebildeten Außenseiten der neuen Antonkirche aufschlossen.
Das Projekt erlangte auch die Genehmigung des Gemeinderats, jedoch mit der Abänderung, dass statt der projektierten Platzgewölbe als Deckenkonstruktion aus Ersparungsrücksichten Decken aus Tramböden zwischen Traversen herzustellen seien.
Nach erfolgter Sicherstellung der auszuführenden Arbeiten und Lieferungen wurde mit den Bauarbeiten Anfang Oktober 1898 begonnen. Bereits gegen Jahresende stand der Rohbau, sodass der Dachstuhl aufgeschlagen und die Dachflächen eingedeckt werden konnten. Ende August 1899 war der Schulbau fertig. Mit Beginn des Schuljahres 1899/1900 konnte das neue Schulgebäude der Benützung wie geplant übergeben werden. Die feierliche Einweihung fand am 12. Oktober 1899 statt.
Schulausstattung
Das zweistöckige Gebäude stand nach allen vier Seiten hin frei und besaß reich verzierte Fassaden. An zwei Seiten befanden sich kleine Schulgärten, welche innerhalb eines eisernen Einfriedungsgitters lagen. Der größte Teil des einen der beiden Schulgärten war als Sommerspielplatz hergerichtet.
Das Schulgebäude enthielt 22 Lehrzimmer, vier Zeichensäle, zwei Turnsäle inklusive Garderoben, zwei Konferenzzimmer, sechs Lehrmittelzimmer, zwei Kanzleien und zwei Schuldienerwohnungen, welche Räume sich gleichmäßig auf beide Schulen verteilten. Die Zeichensäle an der Mädchenschule waren zudem als Handarbeitssäle eingerichtet.
Die Beheizung der Lehrräume erfolgte durch eine Niederdruckdampfluftheizung unter stellenweiser Anordnung von örtlichen Heizkörpern (Radiatoren), für welche das Kesselhaus in der Knabenschule untergebracht war. Die Nebenräume, wie etwa die Kanzleien und Lehrmittelzimmer, wurden durch Regulierfüllöfen beheizt. Das Stiegenhaus, die Gänge und Aborte wurden hingegen nicht beheizt.
Im Schuljahr 1902/1903 wurde die Mädchenbürgerschule von Direktor Anton Diessl geleitet. 632 Mädchen besuchten in zehn Klassen die Schule. Die Konfessionsverteilung unter den Schulkindern war ziemlich homogen: 623 waren römisch-katholisch und neun evangelisch. Ein Raum wurde wöchentlich dem "Verein zur Förderung des Werkes des heiligen Philipp Neri" zur Verfügung gestellt.
Die Knabenbürgerschule wurde von Direktor Karl Winkeler geleitet und von 641 Knaben in elf Klassen besucht. Davon waren 628 römisch-katholisch, elf evangelisch und zwei griechisch-orthodox. Als Fremdsprache wurde (wie auch in der benachbarten Mädchenbürgerschule) gleich von zwei Lehrern Französisch unterrichtet. An der Schule befand sich eine gewerbliche Fortbildungsschule für Lehrlinge und Gehilfen. Die Gewerbeschulkommission benützte wöchentlich zwei Zeichensäle sowie sechs Lehrzimmer für Fortbildungszwecke mit.
Erster Weltkrieg und Zwischenkriegszeit
Während der Zeit des Ersten Weltkriegs war die Mädchenbürgerschule durchgängig in der Volksschule Uhlandgasse 1a untergebracht, da das eigene Gebäude für militärische Zwecke beziehungsweise ab 1915/1916 spezifisch als Invalidenspital genützt wurde. Die Schülerinnen erhielten abwechselnd Halbtagsunterricht mit den Schülerinnen der Mädchenbürgerschule Erlachgasse 91. Offensichtlich konnten die Knaben der Bürgerschule im Schulgebäude vorerst am Antonsplatz verbleiben. Auch schien die fachliche Fortbildungsschule für Metalldreher, Gießer und Modelltischler weiterhin Bestand zu haben, da sie als solche noch angegeben wurde. Im Schuljahr 1907/1908 ist allerdings vermerkt, dass die Räumung des gesamten Schulgebäudes am Antonsplatz erfolgte, weshalb davon auszugehen ist, dass die Knaben ebenfalls an einem anderen Standort unterkamen, ohne dass dieser näher angegeben wurde.
Die Schülerinnen- und Schülerzahl sank in den Kriegsjahren in geringem Ausmaße. Im Schuljahr 1914/1915 besuchten 549 Schülerinnen in zehn Klassen und 586 Schüler in elf Klassen die Bürgerschule. Im Schuljahr 1917/1918 waren es 473 Schülerinnen in neun Klassen und 520 Schüler in elf Klassen.
Ständestaat, NS-Zeit und Zweiter Weltkrieg
Unmittelbar nach den bürgerkriegsähnlichen Ereignissen im Februar 1934 kam es noch im gleichen Monat zu einem Wechsel in der Leitung der Knabenhauptschule (frühere Bürgerschule vor dem Hauptschulgesetz 1927), einige Monate später dann auch in der Mädchenhauptschule. So wurde Franz Hauer als provisorischer Leiter der Knabenhauptschule für den 23. Februar 1934 bestellt, während Olga Stenzl ebenfalls als provisorische Leiterin ab 15. September 1934 die Agenden der Mädchenhauptschule übernahm.
Zu diesem Zeitpunkt befanden sich noch insgesamt 18 jüdische Schulkinder in der Hauptschule. Allerdings ist dies das letzte Jahr, in dem eine jüdische Lehrerin Französisch als Fremdsprache unterrichtete. Überhaupt verdrängte Englisch die französische Sprache schrittweise vom Lehrplan: Nachdem beide Sprachen kurzzeitig parallel unterrichtet wurden, erhielten die Schulkinder spätestens ab 1937/1938 nur noch englischen Fremdsprachenunterricht. Die Knaben und Mädchen den Hauptschulen PTS Pernerstorfergasse 30-32 sowie die Knaben vom Hebbelplatz und die Mädchen vom Hebbelplatz 2 nahmen an diesem Unterricht teil.
Die Zahl der Schulkinder verringerte sich in der Zeit des Ständestaats und weiters in der Kriegszeit. Die Mädchenzahl sank um die Hälfte, während die Knabenzahl sich fast um zwei Drittel reduzierte. Im Schuljahr 1933/1934 besuchten noch 401 Schülerinnen in elf Klassen und 459 Schüler in 13 Klassen die Hauptschule am Antonsplatz. Im Schuljahr 1938/1939 besuchten 310 Schülerinnen und 257 Schüler in jeweils acht Klassen die Schule. Im letzten Kriegsjahr 1944/1945 waren es dann nur noch 203 Schülerinnen in fünf Klassen und 162 Schüler in vier Klassen.
Bereits 1938/1939 griffen andere Schulen, aber auch die Hitlerjugend (HJ-Bann Wien-Südost (504)) und der Bund deutscher Mädel auf den Knabenturnsaal zurück. Da seit 6. Juli 1940 alle Räume vom Militär (genauer von der 2. Kompanie des Schützen-Ersatz-Bataillons) mit 240 Mann, einer Feldküche und elf Fahrzeugen besetzt wurden, mussten beide Hauptschulen vom Antonsplatz 11-12 an die Hauptschule am Hebbelplatz verlegt werden. Nachdem beide Schulen offenbar wieder in ihr ursprüngliches Gebäude zurückkehren konnten, besetzte die Luftschutzpolizei 1943/1944 das ganze Schulgebäude bis auf zwei Lehrzimmer (wovon eines der Kartenstelle Nummer 75 zur Vergabe von Lebensmittelkarten diente). Deshalb wurden die Mädchen in der Knabenabteilung Antonsplatz 12 einquartiert. Auch der Turnsaal konnte nicht mehr als solcher genützt werden, da er als Depotraum der Luftschutzpolizei verwendet werden musste. Anfang des Schuljahres 1944/1945 wurde der Turnsaal und das Konferenzzimmer von der "Betreuungsstelle für Bombenbeschädigte" genützt.
Am 6. November 1944 wurde die Schule schlussendlich von einer Bombe getroffen und erlitt einen Totalschaden. Im Standesausweis von 1944/1945 steht vermerkt: "Zugang zu den Bibliotheken unmöglich. Lehrzimmer unbenützbar. Die Gänge sind teilweise eingestürzt, die Stiege baufällig, die Abortanlagen sind auf einer Seite ganz zerstört."[2] Ab 13. November 1944 kamen beide Schulen in der Oberschule für Jungen in der Jagdgasse 40 unter.
Nach dem Zweiten Weltkrieg ist eine Schule am Antonsplatz 11-12 auch nicht mehr auffindbar, weshalb davon auszugehen ist, dass die Hauptschulen nach dem Krieg nicht mehr Bestand hatten. Somit finden die Schulen mit Maria Horatszuk als Schulleiterin der Mädchenhauptschule und mit Johann Gülg als Schulleiter der Knabenhauptschule im Handbuch Reichsgau Wien von 1944 ihre letzte Erwähnung.
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Stadtschulrat, A9/1 – Standesausweise: Öffentliche Schulen 1916-1945
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Stadtschulrat, B4 – Standesausweise 1876-1915
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Schulpläne, P10/7: Schulplan Antonsplatz 11-12
- Georeferenzierter Kriegsschädenplan von 1946 in Wien Kulturgut
- Handbuch Reichsgau Wien. 65.66. amtlich redigierter Jahrgang. Wien: Deutscher Verlag für Jugend und Volk 1944
- Verwaltungsbericht der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien im Jahre 1898. Bericht des Bürgermeisters Dr. Karl Lueger. Wien: Wilhelm Braumüller, k. u. k. Hof- und Universitäts-Buchhändler 1901
- Verwaltungsbericht der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien im Jahre 1899. Bericht des Bürgermeisters Dr. Karl Lueger. Wien: Wilhelm Braumüller, k. u. k. Hof- und Universitäts-Buchhändler 1902