VS Favoritenstraße 96
48° 10' 50.00" N, 16° 22' 31.41" E zur Karte im Wien Kulturgut
Volksschule für Knaben und Mädchen, 10., Favoritenstraße 96.
Die Volksschule Favoritenstraße 96 war eine öffentliche Volksschule im 10. Wiener Gemeindebezirk, Favoriten.
Bis 1903 war der Name Himberger Straße für die Favoritenstraße im 10. Bezirk in Gebrauch. Nach der Verlängerung der Favoritenstraße durch die Einbeziehung des nördlichen Teils der Himberger Straße befand sich die Volksschule nicht mehr an ihrer ursprünglichen Adresse Himberger Straße 30, sondern in der Favoritenstraße 96, wo sie auch bis zu ihrer Auflassung bleiben sollte.
Schulgründung
Eine Volksschule für Knaben und Mädchen existierte bereits seit dem Jahr 1862 in der Himberger Straße. Die Schule war durchgehend in einem Privathaus eingemietet, dessen Hauseigentümer Heinrich Knöll hieß. Aufgrund der wachsenden Bevölkerung und der steigenden Schulkinderzahlen kam es zu zahlreichen Zusatzmietungen, bis dass der Gemeinderat zwischen 1865 und 1867 entschloss, eine Mädchenvolksschule in der Columbusgasse 10 einzurichten, sodass die Schule in der Himberger Straße zu einer reinen Knabenschule wurde. Zufolge Gemeinderatsbeschluss vom 14. Februar 1873 wurde die Schule dann wiederum zu einer Knaben- und Mädchenschule umgewandelt.
Entwicklungen bis 1914
Im ältesten, erhaltenen Standesausweis von 1876/1877 führte die Schule unter Oberlehrer Eduard Pollak als Schulleiter sechs Knabenklassen mit 362 Schülern und fünf Mädchenklassen mit 335 Schülerinnen. Neben dem größten Teil an römisch-katholischen Schulkindern besuchten sieben evangelische und 17 jüdische Schulkinder die Schule. Die Zahl der Schulkinder stieg langsam; die Konfessionsverteilung blieb bis 1914 relativ konstant. Circa ein Jahrzehnt später besuchten 404 Knaben in sieben Klassen und 353 Mädchen in sechs Klassen die Schule in der Himberger Straße 30. Neben den römisch-katholischen Schulkindern gab es zwei altkatholische, 22 evangelisch und 31 jüdische Schülerinnen und Schüler.
Da die Schule in keinem städtischen Schulgebäude untergebracht war, besaß die Doppelvolksschule anfangs auch keinen eigenen Turnsaal. Deshalb wurde auf den Turnsaal der Knabenvolksschule Keplergasse 11 zurückgegriffen.
Die Volksschule in der Himberger Straße 30 fungierte immer wieder über längeren Zeitraum als Religionssammelstelle für altkatholische Schulkinder sowie für evangelische Schulkinder beider Konfessionen. Im Schuljahr 1884/1885 wurde die evangelische Religionssammelstelle in der Himberger Straße 30 in den 4. Bezirk Wieden verlegt. In den Schuljahren 1886/1887 und 1887/1888 war die Doppelvolksschule in der Himberger Straße 30 allerdings wieder eine von neun Religionssammelstellen für den evangelischen Religionsunterricht.
Im Jahr 1913 wurde die Sonderschule, die sich ursprünglich in der Thavonatgasse (10) 20 befand, an die zentraler gelegene Volksschule in der Favoritenstraße 96 (ab 1903 Namensänderung) verlegt. Die "Hilfsschule für schwachbefähigte Kinder" führte zwei gemischte Klassen mit insgesamt 37 Kindern, die von drei Lehrkräften betreut wurden.
Erster Weltkrieg und Zwischenkriegszeit
Da die Schule in keinem städtischen Schulgebäude untergebracht war, kam es offenbar in der Zeit des Ersten Weltkriegs nicht zu Belegungen durch Militär oder Ähnlichem. Die Schülerinnen- und Schülerzahlen blieben konstant. Die Hilfsschule hatte weiterhin Bestand in der Kriegszeit. Auch ihre Funktion als Religionssammelstelle für altkatholischen und evangelischen Religionsunterricht konnte die Schule aufrecht erhalten.
Nach 1922 ist eine Volksschule in der Favoritenstraße 96 nicht mehr auffindbar. Somit findet die Volksschule mit Oberlehrer Klemens Dorn als Schulleiter im Kommunalkalender von 1922 ihre letzte Erwähnung.
Allerdings hatte die Hilfsschule weiterhin Bestand und wuchs auch rasch an. Im Schuljahr 1922/1923 besuchten unter Schulleiter Gustav Führer zehn gemischte Klassen mit 80 Knaben und 83 Mädchen die Hilfsschule in der Favoritenstraße 96. Zudem existierte eine zweiklassige Expositur in der Laaer Straße 1, wo auch spätestens ab 1927/1928 eine Knabenmädchenvolksschule mit tschechischer Unterrichtssprache unter dem provisorischen Leiter Johann Schwab existierte. Ab 1925/1926 wurde dann eine vierklassige Expositur in der Quellenstraße 52 eröffnet. Als Sommerturnplatz wurde hier der Waldmüllerpark verwendet.
Im Schuljahr 1925/1926 besuchten bereits 16 Klassen mit 112 Knaben und 130 Mädchen die Hilfsschule Favoritenstraße 96. In den 1920er Jahren diente ein Lehrzimmer dem Polnischen Fürsorgeverein zu wöchentlichen Übungszwecken in der polnischen Sprache. Ab dem Jahr 1929/1930 kam eine siebte Klasse mit hauswirtschaftlicher Richtung hinzu.
Ab 15. September 1934 übernahm der neu bestellte Josef Emler die provisorische Leitung. Im Jahr 1935/1956 siedelte die Hilfsschule Favoritenstraße 96 unter dem gleichen Leiter in die Uhlandgasse 1a um. Obwohl die Volksschule Uhlandgasse 1/1a im Schuljahr 1944/1945 stillgelegt wurde, scheint die Hilfsschule noch weiterhin geführt worden zu sein. Im Schulgebäude kam mittlerweile auch die Hilfsschule Herderplatz 1 aus dem 11. Bezirk unter. Bis wann genau noch eine Hilfsschule in der Uhlandgasse 1a existiert hat, ist unklar. Anfang der 1950er Jahre scheint keine Hilfsschule mehr an diesem Standort auf.
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Stadtschulrat, A9/2 – Standesausweise: Sonderschulen 1915-1945
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Stadtschulrat, A9/1 – Standesausweise: Öffentliche Schulen 1916-1945
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Stadtschulrat, B4 – Standesausweise 1876-1915
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Kartographische Sammlung, Pläne der Plan- und Schriftenkammer, P10/2.120422
- Georeferenzierter Kriegsschädenplan von 1946 in Wien Kulturgut
- Administrations-Berichte des Bürgermeisters der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien Dr. Andreas Zelinka für die Jahre 1865 und 1866. Vorgelegt in der Sitzung des Gemeinderathes vom 26. April 1867. Wien: Selbstverlag des Wiener Gemeinderathes 1867
- Die Gemeinde-Verwaltung der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien in den Jahren 1871 bis 1873. Bericht des Bürgermeisters Dr. Cajetan Felder vorgelegt dem Gemeinderathe im November 1874. Wien: Verlag des Gemeinderathes der Stadt Wien 1874
- Die Gemeinde-Verwaltung der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien in den Jahren 1880 bis 1882. Bericht des Bürgermeisters Eduard Uhl. Wien: Verlag des Gemeinderathes der Stadt Wien 1884
- Verwaltungsbericht der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien für das Jahr 1884. Vorgelegt vom Bürgermeister Eduard Uhl. Wien: Verlag des Gemeinderathes der Stadt Wien 1885
- Verwaltungsbericht der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien für das Jahr 1887. Vorgelegt vom Bürgermeister Eduard Uhl. Wien: Verlag des Gemeinderathes der Stadt Wien 1889
- Verwaltungsbericht der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien im Jahre 1913. Bericht des Bürgermeisters Dr. Richard Weiskirchner. Wien: Gerlach & Wiedling, Buch und Kunstverlag 1914
Literatur
- Herbert Tschulk: X. Favoriten. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1985 (Wiener Bezirkskulturführer, 10), S. 15