Kriegsschädenplan (um 1946)
Dieser Plan verzeichnet Kriegssachschäden an Gebäuden, die anscheinend um 1946 vom Wiener Stadtbauamt erhoben wurden. Farbeinzeichnungen in Blätter des gedruckten Generalstadtplans 1 : 2.880.
Hintergrund der Anlage
Der NS-Zeit und dem Zweiten Weltkrieg fielen in Wien zahlreiche Menschen zum Opfer, sei es als Opfer der NS-Verfolgung jeder Art, sei es als Gefallener, sei es als ziviles Opfer von Bombenkrieg und Kampfhandlungen oder infolge der schweren Versorgungsmängel in allen Sektoren (vor allem Ernährung und medizinische Versorgung, aber auch Energie).
Sehr schwer wogen auch die baulichen und infrastrukturellen Schäden. Am 17. März 1944 erreichte erstmals ein Luftangriff Mannsdorf, einen Randort des damaligen "Groß-Wien". Am 16. Juni waren Floridsdorf, am 16. Juli Landstraße und Brigittenau betroffen. Der schwerste von 53 Fliegerangriffen auf Wiener Stadtgebiet fand am 12. März 1945, der letzte am 22. März 1945 statt. Am 5. und 6. April hatten Kräfte der 3. ukrainischen Front der Sowjetarmee den Süd- und Südostrand Wiens erreicht, am 13. April 1945 erklärten die Sowjets die "Schlacht um Wien" für beendet.
Inhalt
Nach Erhebungen des Stadtbauamtes waren insgesamt 46.862 Gebäude durch Kriegshandlungen beschädigt, das waren 41 Prozent des Gesamtbestandes. Davon wurden 6.214 Gebäude vollständig zerstört, oder so stark, dass ihre Wiederherstellung einem Neubau gleichkam. 12.929 Gebäude erlitten Teilschäden (Beschädigung von Konstruktionsteilen, die den Bestand des Hauses gefährdeten, Zerstörung von Geschoßen oder Geschoßteilen, andere Schäden in großem Umfang). Kleinschäden (Fenster- und Dachschäden sowie Beschädigungen von Konstruktionsteilen, die den Bestand eines Hauses nicht gefährdeten, jedoch ohne Glasschäden kleinen und mittleren Umfangs allein) entfielen auf 27.719 Gebäude. Dabei ging mit 86.875 Wohnungen (36.851 völlig zerstört, 50.024 schwer beschädigt) rund ein Achtel des Gesamtbestandes verloren. Ebenso wurden zahlreiche Industriebetriebe, sämtliche Donaubrücken, fast alle Brücken über den Donaukanal und alle großen Bahnhöfe zerstört. Ähnlich schwer waren die sonstigen Zerstörungen im Bereich der Infrastruktur, aber auch der historischen oder sonst kulturell wichtigen Gebäude. Eine Schätzung des Jahres 1945 setzte die baulichen Kriegsschäden Wiens mit 2.500 Millionen Schilling (Wert und Preise 1945!) an.
Entstehung
Über den vorliegenden Plan der Kriegssachschäden ist wenig bekannt. Er muss ab 1946 erstellt worden sein, denn einige Blätter der Grundkarte (Blätter des Generalstadtplans 1 : 2.880) stammen erst aus diesem Jahr. Aus der ehemaligen Plan- und Schriftenkammer gelangte er in das Wiener Stadt- und Landesarchiv. Unbekannt ist, welche Erhebungen dem Plan zugrunde liegen. Unbekannt ist auch, wie die Schadenskategorisierung erfolgte (es kann vermutet werden, dass sie ähnlich getroffen wurde wie oben dargestellt, es ist aber nichts darüber bekannt). Ebenso unbekannt ist, nach welchen Kriterien Gebäudeschäden aufgenommen wurden; so sind zwar zum Beispiel Staatsoper und Burgtheater, Universität und Parlament als beschädigt eingezeichnet, nicht aber Stephansdom und Rathaus, obwohl beide schwere Schäden davongetragen hatten. Ähnliches trifft für die Bahnhöfe zu, von denen der Westbahnhof und der Franz-Josefs-Bahnhof als beschädigt ausgewiesen wurden, Nord-, Ost- und Südbahnhof aber nicht, obwohl sie ebenfalls beschädigt waren.
Der Plan ist also in zweierlei Hinsicht unvollständig: Erstens sind die Blätter nur zu einem Teil des Stadtgebiets vorhanden, der Rest fehlt, wobei nicht bekannt ist, ob sie verloren gingen oder nicht (mehr) angelegt wurden. Zweitens sind die Eintragungen offensichtlich nicht vollständig, es gab mehr Schäden, als eingetragen sind (wurde der Plan überhaupt fertiggestellt, oder kam er als unfertiger Torso in die Plan- und Schriftenkammer?). Letztlich kann auch die Richtigkeit der vorgenommenen Kategorisierung der Schäden ohne Überprüfung im Einzelfall nicht zwingend als gegeben annehmen werden.
Doch trotz all dieser Probleme illustriert der Plan in eindrucksvoller Weise, wie stark das Stadtgebiet durch die Kriegsereignisse in Mitleidenschaft gezogen wurde. Gewisse Schwerpunkte des Geschehens lassen sich ablesen, für einzelne Gebäude gibt der Plan wichtige Hinweise.
Kein Bombenkataster
Dabei handelt es sich nicht um einen "Bombenkataster", wie er immer wieder für die Eingrenzung von Verdachtsflächen mit Blindgängergefahr gesucht wird. Ein solcher Bombenkataster ist nicht bekannt.