Emmy Freundlich
Emmy Freundlich, * 25. Juni 1878 Aussig (Böhmen), † 17. März 1948 New York, Schriftstellerin, Politikerin.
Biografie
Emmy Freundlich wuchs als Tochter des Eisenbahntechnikers und liberalen Politikers Alfred Kögler und dessen Frau Emma im protestantischen deutschsprachigen Milieu Böhmens auf. Emmy hatte einen älteren Bruder und eine jüngere Schwester. Nach dem frühen Tod ihrer Eltern übernahm sie schon in jungen Jahren Verantwortung für die Familie. Ihr Onkel Carl Kögler machte die junge Frau mit der Sozialdemokratie vertraut. Bei einem Wien-Aufenthalt 1899 intensivierte sie ihren Kontakt zu sozialdemokratischen Funktionärinnen.
1900 heiratete sie den Herausgeber der sozialdemokratischen Zeitung "Volkswacht" in Mährisch-Schönberg, Leo Freundlich. Das Paar hatte zwei Töchter. In Mährisch-Schönberg engagierte sich Emmy Freundlich bei der Organisation von Textil-, Tabak- und Heimarbeiterinnen und half ihrem Mann bei der Errichtung eines Arbeiterheimes, das neben der Redaktion der "Volkswacht" Vereinsräume des sozialdemokratischen Arbeitervereins "Arbeiterheim", ein Gasthaus mit Theatersaal und auch ein Verkaufslokal des Konsum beherbergte. Emmy Freundlich hielt hier Kurse für Frauen und arbeitete publizistisch für die sozialdemokratische Monatszeitschrift "Der Kampf" von 1907 bis 1928. 1908 wurde sie als Landesvertrauensperson mit der Betreuung und dem Ausbau von politischen Frauenvereinen in Böhmen betraut.
1911 zerbrach die Ehe der Freundlichs. Emmy war aufgrund des Erbes ihrer Eltern finanziell unabhängig und ging mit ihren Töchtern nach Wien. Hier arbeitete sie auf Empfehlung Karl Renners in der Konsumgenossenschaftsbewegung und widmete sich der Erziehungs- und Bildungsarbeit wie etwa als Sekretärin des Reichsverbandes Kinderfreunde von 1917 bis 1923 und als Redakteurin der Zeitschrift "Kinderland". Aufgrund ihrer leitenden Funktion im Verband der Konsumgenossenschaften wirkte Emmy Freundlich im Ersten Weltkrieg in Bereich der Lebensmittelverteilung und der Volksernährung.
Nach dem Ersten Weltkrieg gehörte sie dem Provisorischen Gemeinderat der Stadt Wien an. Sie kandidierte für die Sozialdemokratische Arbeiterpartei im 19. Bezirk und war von 1919 bis 1920 Mitglied des Gemeinderates der Stadt Wien, von 1920 bis 1923 Abgeordnete zum Wiener Landtag und Mitglied des Gemeinderates der Stadt Wien. Emmy Freundlich zählte zu den ersten weiblichen Gemeinderatsmitgliedern. Zudem war sie Mitglied der Konstituierenden Nationalversammlung und bis 1934 Abgeordnete des Nationalrates. In dieser Zeit war Emmy Freundlich Direktorin im Ministerium für Approvisionierung (späteres Ernährungsamt) und fungierte 1928 als österreichische Delegierte auf der Weltwirtschaftskonferenz, 1929 als Delegierte im Komitee der Wirtschaftssektion des Völkerbundes und von 1921 bis 1948 als Präsidentin der "International Cooperative Womens Guild" (ICWG). Als führende Funktionärin der Sozialdemokratie wurde sie im Februar 1934 vom Dollfuß-Schuschnigg-Regime verhaftet, jedoch nach internationalen Interventionen am 26. März 1934 wieder freigelassen.
1938 sprach sie sich offen für ein "Nein" bei der Volksabstimmung über den "Anschluss" aus. 1939 emigrierte sie nach London. Hier wurde sie Mitglied des "Austrian Labour Clubs" und war 1943 Mitbegründerin des "Austrian Committee for Relief and Reconstruction", dessen Vorsitzende sie auch wurde. 1947 ging sie mit ihren beiden Töchtern nach New York und war Beobachterin der "International Cooperative Women's Guild" (ICWG) beim Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen.
2004 wurde die Emmi-Freundlich-Gasse im 21. Bezirk nach der Politikerin benannt.
Werke (Auswahl)
- Emma Freundlich: Frührot. Wien: Heller 1907
- Emma Freundlich: Die Frauenfrage. Zehn Vortragsdispositionen. Wien: Danneberg 1912
- Emma Freundlich: Unser tägliches Brot. Eine Einführung in die Fragen der Zoll- und Handelspolitik. Wien: H. Heller 1917
- Emma Freundlich: Die Macht der Hausfrau. Ein Aufruf an Hausfrauen. Wien: Verlag der Wiener Volksbuchhandlung 1927
- Emma Freundlich: Die Genossenschaftsbewegung im Lande und der Gemeinde Wien. Ihre Entwicklung, ihr Aufbau und ihre Zukunft. Wien: "Vorwärts" 1930
- Emma Freundlich / Karl Renner: Die Internationale der Genossenschaften. Der Mensch in der Wirtschaft und der Sozialismus. Wien: Verlag der Organisation Wien der Sozialdemokratischen Partei 1930
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, BPD Wien, K11 − Prominentensammlung, 19. Jh.−20. Jh.: Meldezettel von Freundlich Emma, 25.6.1878
- Wienbibliothek im Rathaus, Tagblattarchiv: Emmy Freundlich (Signatur: TP-013661)
- Wienbibliothek Digital: Freundlich, Emma
Literatur
- Ilse Korotin [Hg.]: biografiA. Lexikon österreichischer Frauen. Band 1: A−H. Wien / Köln / Weimar: Böhlau 2016, S. 910 f.
- Gabriella Hauch: Vom Frauenstandpunkt aus. Frauen im Parlament 1919−1933. Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1995, S. 259 ff.
- Wolfgang Solt: Mitglieder des Gemeinderates der Stadt Wien (Wiener Landtages) und des Stadtsenates der Stadt Wien (der Wiener Landesregierung) 1918−1934. Wien: 1995
- Edith Prost [Hg.]: "Die Partei hat mich nie enttäuscht". Österreichische Sozialdemokratinnen. Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1989, S. 88 ff.
- Wienbibliothek Digital: Oswald Knauer: Der Wiener Gemeinderat 1861−1962. In: Handbuch der Stadt Wien. Band 77. Wien: Verlag für Jugend und Volk 1963 [Stand: 11.11.2019]
Emmy Freundlich im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.
Weblinks
- POLAR − Wiener Politikerinnen und Politiker Archiv − Gemeinderätinnen 1918−1934: Emmy Freundlich
- Das rote Wien. Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie: Freundlich, Emmy (geb. Kögler)
- Österreichisches Parlament: Emmy Freundlich
- Wikipedia: Emmy Freundlich
- Wienbibliothek im Rathaus: Webausstellung Die Zerstörung der Demokratie. Österreich, März 1933 bis Februar 1934