Fischerstiege 3
1, Fischerstiege 3, (Konskriptionsnummer: 369). Mit dem Schildnamen "Zur Fischerstiege". (Heute: Fischerstiege 1-7; Neubau).
Das bis zum Jahr 1950 hier gestandene Haus gehörte zu den ältesten Häusern Wiens. Unmittelbar vor seinem Abbruch wurde das Alter dieses sowie das des Nachbarhauses Stadt 370 (Fischerstiege 5), auf 700 Jahre geschätzt. Dennoch scheinen hinsichtlich des Alters Zweifel berechtigt, da noch auf dem Suttingerplan vom Jahr 1684 die beiden Häuser Stadt 369 und 370 als ein Objekt dargestellt sind, eine bauliche Trennung also erst nach dieser Zeit durchgeführt worden sein konnte. Das musste doch wenn schon nicht mit einem Neubau zumindest mit einem umfangreicheren Umbau verbunden sein.
Platzliche Einschränkung innerhalb der Festungsmauern
Das mittelalterlich anmutende Aussehen des 1950 abgebrochenen Hauses und seine innere Einrichtung bestärkten den Glauben an sein hohes Alter. Wenn man das Innere des 33 Wohnungsparteien beherbergenden Hauses, betrat fühlte man sich gleich um einige Jahrhunderte zurückversetzt. Der Mangel an Luft und Licht, die düstere Winkelarchitektur gaben eine ungefähre Vorstellung davon, wie die Menschen der damaligen Zeit in der durch die Einschnürung der Stadt innerhalb der Festungsmauern gebotenen Enge wohnten und die Baumeister zu dieser unfreiwilligen Bauart zwang, die aus einem Bericht des Benediktinerabtes Densing, der zur Zeit Karls VI. lebte recht anschaulich gemacht wird. Es heißt dort: "Die Stadt an sich selbst ist gar nicht groß. Es seyen viele große Plätze darinn. So daß man sich wundern muss, wie in einem so engen Platz eine so ungeheure Menge Volks wohnen und so viel anderes Wesen sich befinden kann. Man muss aber wissen, dass erstlich die Häuser ziemlich hoch aufgebaut, die Gassen eng und alles voller Wohnungen ist. Unter dem Dach, unter den Stiegen, unter der Erd wohnen die Leut, auch an solchen Orten, wo man den ganzen Tag die Lichter muss anzünden, Es seyen auch zwei- und dreyfache Keller noch unter den Wohnungen theils zu Wein, theils zu Eis, Holz und anderen Nothdürften, also dass man gemeiniglich sagt: Wien stehe so tieff unter, als ober der Erden." Ein anderer Berichter, Johann Basilius Küchelbecker, hebt die großen und weitläufigen Häuser hervor, die man aufgrund ihres Umfanges als "Höfe" bezeichnet und in welchen mitunter etliche hundert Personen wohnten. Ein Umschwung dieser Bauart setzte allmählich erst unter der zweiten Türkenbelagerung ein, als die hoch aufschießende Baulust der hochrangigen Gesellschaft des Reiches, teilweise schon unter Leopold VI., noch mehr aber unter Karl VI. dem Bauschaffen größter Künstler einen mächtigen Antrieb gab und Wien das barocke Aussehen verlieh. Das blieb auch auf die Bauart der neuen Bürgerhäuser nicht ohne Einfluss. Freilich setzte dem die Beschränkung des verfügbaren Raumes ein kaum zu beseitigende Hindernis entgegen. Man war so gezwungen, mit dem Raum auf das Äußerste zu sparen und selbst noch gegen Ende des 18. Jahrhunderts entwirft Johann Pezzl davon ein anschauliches Bild. Er schreibt: "Jedes Erdenfleckchen ist da mit einer Steinmasse übertürmt, und weil dem ungeachtet die Stadt für alle diejenigen, welche darinnen wohnen wollten Missgeschick nicht anders abzuhelfen als dadurch, dass sie auf die Dächer der ersten Häuser fünf und sechs Stockwerke hoch wie Lady Worthlex Montague meint. Während zu jener Zeit", so schreibt Pezzl, "in London auf ein Haus neun Personen, in Paris 20, in Amsterdam acht und in Berlin neun kamen, zählte man auf ein Wiener Haus im Durchschnitt 47 Personen, wobei es sich mit ganz geringen Ausnahmen keineswegs um Zinskasernen im heutigen Sinn handelte, sondern um stark in die Höhe schießende Bauten auf meist sehr geringer Grundfläche."
Wandgemälde
Ein an dem Hause angebrachtes Wandgemälde, das eine brückenartige Stiege zeigte und die Bibelstelle vom Fischzug Petri interpretierte, soll an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert entstanden sein, doch könnte eher vermutet werden, dass es gelegentlich des oben erwähnten Umbaus geschaffen wurde, also gegen Ende des 17. Jahrhunderts. Die Inschrift lautete: "Dies Haus steht in Gotteshand, Zur Fischerstiege wird es genannt". Das Wandgemälde wurde 1839 und 1926/1927 aufgefrischt.
Geschichte des Hauses
Die Geschichte des Gebäudes reicht bis in das 14. Jahrhundert zurück. Die Angabe, dass das Haus sich in diesem Jahrhundert im Besitz der Familie Würffel befand, ist unrichtig. Die beiden Würfelhäuser in dieser Gegend waren Nummer 378 und 379 (Salvatorgasse 6 und 8). In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts war das Haus Eigentum der Amleute von Gmunden, weswegen es bis in spätere Zeit "Gmundner Haus" genannt wurde. Vorerst nur im Besitz der zwei Drittel des Hauses, erwarben sie das dritte am 18. Mai 1385. Nach der diesbezüglichen Eintragung verkauften damals Janns von Weitra und dessen Frau Elzbeth ein Drittel Haus an der Vischerstieg, enengst Jansen Haus des Putenreich (nummer 368) Nathien den Schueler und Jörgen dem Wispechen, phleger in Yschenlant (Ischl) und amptleut zu Gmunden. Dieses Amt hatte sich mit den Angelegenheiten des Salzhandels und den Salzern zu befassen.
Am 14. April 1394 beurkunden beide, dem edlen Herrn Hans von Liechtenstein-Nikolsburg, Hofmeister des Herzog Albrecht III. (Österreich), "vnseraltan gelegen zwischen vnser haws vnd des egenanten herrn von Liechtenstain haws… vnd hat zu vnsern haws ghoredt, vnd die kamer vnder derselben alten vncz auf Friedreichs des Gruber des chursner gemach" 36 Pfund Wiener Pfennig verkauft zu haben.
Nach vielfachem Besitzerwechsel entstanden durch Abtrennung eines gemauerten Stockwerks 1561 zwei selbstständige Häuser: Stadt 569 und 570. Das Haus gehörte 1691 dem bürgerlichen Honig- und Zwetschkenhändler Johann Fruëth.
Angelehnt an das Haus Fischerstiege 3 befand sich ein mittelalterliches Stadttor, das Fischerstiegentor.
Nachdem das Haus abermals mehrfach den Besitzer gewechselt hatte, gelangte es 1923 in den Besitz der Gemeinde Wien, deren Eigentum es bis zum Abbruch blieb.
Neubau
1952 wurde durch die Architekten Otto Niedermoser und Hans Petermair an Stelle der Fischerstiege 3 ein neues Gebäude erbaut, das allerdings die Parzellen 1-7 umfasst.
Kriegsschäden
Im letzten Kriegsjahr hat es unter den starken Erschütterungen der ringsum einschlagenden Bomben, besonders jener, die am 12. März das gegenüberliegende Haus Fischerstiege 4 zerstörten, beträchtliche Mauerschäden erlitten. Im Zuge der Kampfhandlungen am 8. April riss ein Artillerietreffer in die bereits stark aufgelockerte Hauswand zwischen dem ersten und zweiten Stockwerk ein großes Loch, wobei auch das an dem Hause angebracht gewesene Wandgemälde zerstört wurde, das erst 1926/1927 aufgefrischt worden war. Dennoch überdauerte das Gebäude sogar noch den folgenschweren Einsturz des Nachbarhauses (Fischerstiege 1) im November 1948.
Gegen Ende 1949, Anfang 1950 gab es an der Fischerstiege neuerlich Alarm. Im Hause Nummer 3 zeigten sich an den an das frühere Haus Nummer 1 angrenzenden Räumen plötzlich Risse die eine Evakuierung der Bewohner in der Nacht und umfangreiche Pölzungsarbeiten erforderten. Es erging der Räumungsauftrag nicht nur für das Haus Nummer 3 sondern auf für das gleichfalls gefährdete Haus Nummer 5. Die Fischerstiege wurde gesperrt und blieb es lange Zeit in ihrem oberen Teilen. Da es abgesehen von der Kostenfrage ganz unmöglich gewesen wäre, die beiden Häuser so zu erhalten, dass sie der Nachwelt noch von historischem, wenn schon nicht von wohnlichem Wert hätten sein können, hat der Magistrat die Abtragung beschlossen und durchführen lassen. Damit versank ein Stück Alt Wien und eine umwälzende Baubewegung setzt ein, welche die Fischerstiege fast in ihrer ganzen Ausdehnung umfasste. Nach Fertigstellung der beiderseits neu aufgeführten Bauten und des neu planierten und verbreiterten Verkehrsweges wird nur noch durch den Gassenname, der ihm verblieben, an den einstigen mittelalterlichen Stiegen Aufgang erinnert.
Siehe auch: Fischerstiegentor
Literatur
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 339
- Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Geschichte und Kultur. Band 2, 4. Teil. Wien ²1953 (Manuskript im WStLA), S. 836-841
- Wilhelm Kisch: Die alten Straßen und Plätze von Wiens Vorstädten und ihre historisch interessanten Häuser. (Photomechan. Wiedergabe [d. Ausg. v. 1883]). Cosenza: Brenner 1967, Band 1, S. 439 f.
- Emmerich Siegris: Alte Wiener Hauszeichen und Ladenschilder. Wien: Burgverlag 1924, S. 76