Goldschmiede
Der älteste namentlich bekannte Goldschmied in Wien war der um 1170 nachweisbare Meister Bruno "aurifex"; in der spät- und nachbabenbergischen Zeit des 13. Jahrhunderts werden die Goldschmiede Engelbert, Friedrich, Heinrich, Philipp, Sintram (1226), Walther und Wernhardt (1264) genannt, die in Wien und Klosterneuburg arbeiteten. Eine typische gotische Hofkunst, wie sie im übrigen Europa ab dem 13. Jahrhundert entstand, gelang in Wien nur in Ansätzen. 1302 wird eine Örtlichkeit "Goltsmitte" in der Gegend des Salzgrieses erwähnt, 1303 das "Streslein unter den Goltsmiden" (heute 1, Goldschmiedgasse). Damit waren die Vorbedingungen für die Schaffung einer Innung gegeben, die man am Beginn des 14. Jahrhunderts als bestehend annehmen kann. In der Goldschmiedgasse scheinen wohlhabende Meister als Hausbesitzer auf, andere waren in der Kärntner Straße behaust. Rudolf IV., der der Goldschmiedekunst einen wesentlichen Aufschwung hätte sichern können, starb zu früh, um als Mäzen sein Vorbild (Karl IV.) zu erreichen. Am 13. Oktober 1366 gaben Albrecht III. und Leopold III. den Goldschmieden ihre älteste Handwerksordnung (die während des 30jährigen Kriegs verloren ging); der Text hat sich durch eine Eintragung ins Eisenbuch erhalten ("brieff der goldsmid") und wurde 1775 letztmals erneuert. Am 15. Dezember 1367 gaben sich die Goldschmiede selbst eine Zechordnung, außerdem wurde damals ein Siegel geschaffen, das im Bild den Heiligen Eligius, den Schutzpatron der Goldschmiede, zeigt; es ist das älteste Wiener Handwerkersiegel. 1369 wurde die Probepunze eingeführt. Aus dem 14. Jahrhundert wissen wir, dass die Goldschmiede wertvolle Arbeiten für den Herzogshof und für die Kirche lieferten. Als 1396 durch das Ratswahlprivileg den Handwerkern der Einzug in den Inneren Rat ermöglicht wurde, befand sich unter den ersten Handwerkern der Goldschmied Oswald Pauch. Die älteste Nennung eines Gesellen fällt ins Jahr 1407 (Hanns Siebenbürger bei Niklas Kröpf). Das Privileg von 1366 wurde am 9. Juli 1446 von König Friedrich IV. bestätigt. Seit dem 15. Jahrhundert geben die Quellen bereits genauere Auskünfte über Personen und Lebensverhältnisse, ebenso auch über besondere Erzeugnisse. Obwohl die Edelschmiedekunst in Wien schon ab dem 14. Jahrhundert einen Aufschwung erlebte, gibt es erst seit 1524 Beschau- und Meisterzeichen, welche die Provenienz eindeutig sichern können.
Die Zeit Friedrichs III. brachte den Wiener Meistern kaum Aufträge, weil der Kaiser hauptsächlich Nürnberger Meister beschäftigt haben dürfte. Die Bruderschaft der Goldschmiede, deren Schutzpatron der Heilige Eligius war, ist 1520 als Verwalter einer Messstiftung des Goldschmieds Thomas Gerhard, genannt Siebenbürger († 1472) in der Eligiuskapelle des Stephansdoms nachweisbar. In einer Ergänzungsordnung zur Handwerksordnung von 1527 wird von Erzherzog Ferdinand am 5. Dezember 1527 auch Näheres für die Goldschmiede bestimmt (erstmals wird die Lehrzeit mit fünf Jahren schriftlich fixiert). Mit der Zunahme der Gewinnung von Gold in Österreich erfuhr die Goldschmiedekunst einen besonderen Aufschwung. Eine Erweiterung der Goldschmiedeordnung brachte deren Bestätigung durch Kaiser Rudolf II. vom 31. Mai 1582. Die Herkunftsorte der Wiener Goldschmiede zeigen, dass diese aus weiten Teilen Mitteleuropas nach Wien gekommen sind. Durch die Handwerksordnung vom 26. Jänner 1612 und jene vom 13. März 1666 kam es zu verschiedenen Änderungen: seit damals ist es den Goldschmieden gestattet, statt 20-karätigem auch 18-karätiges Gold zu verarbeiten. Die Zeit der Osmanenkriege brachte schwere Verluste, weil ein Großteil der Edelmetallobjekte eingeschmolzen werden musste. Die Barockzeit mit ihrem großen Repräsentationsbedürfnis führte im 18. Jahrhundert zu einer neuen Blüte der Goldschmiedekunst, deren Vertreter weiterhin zu den vornehmsten Handwerkern zählten. Bedeutenden Zuzug erhielten sie damals vor allem aus dem Westen des Reichs.
Als Hauptmeister der Barockzeit wird Johann Känischbauer (1660-1739; 1696 Meister, 1712 kaiserlicher Kammergoldschmied, 1723 "Edler von Hohenried") bezeichnet (beispielsweise Strahlenkranz-Monstranz für Klosterneuburg, 1714); seine Prager Sonnenmonstranz wurde für die österreichischen Goldschmiede vorbildlich. Sein Erbe übernahm im Rokoko Joseph Moser (beispielsweise Messkelch in der Geistlichen Schatzkammer, Kreuzreliquiar im Österreichischen Museum für angewandte Kunst, Sonnenmonstranz für die Liesinger Schlosskapelle). Die den Goldschmieden am 27. August 1708 und 1722 neu erteilten Ordnungen unterzogen die bisherigen Privilegien einer strengen Revision (Lehrzeit sechs Jahre, Arbeitszeit von 5:30 bis 19 Uhr, der Zechmeister heißt fortan Vorsteher). 1750 schuf Anton Domanek (1713-1779) eine Frühstücks- und Toilette-Garnitur für Maria Theresia. Ab 19. Juli 1793 besaßen die Goldschmiede (bis zur Auflösung 1938) eine Witwen-Kasse. Der Rang einzelner Goldschmiede zeigt sich seit damals in Nobilitierungen (so etwa 1791 Juwelier Franz Kaspar Mack, 1827 der Hofjuwelier Ignaz Würth). Auch Anfang des 19. Jahrhunderts mussten aus finanziellen Gründen (Napoleonische Kriege) zahlreiche Kunstgegenstände eingeschmolzen werden. 1819 entschied die k. k. Hofkammer (als oberste Gewerbebehörde), dass die Silberarbeiter keinen gesonderten Berufszweig darstellen, sodass die Einheit der Innung gewahrt blieb. Das kunstgewerbliche Können der Gold- und Silberschmiede, das im In- und Ausland Anerkennung fand, erwies sich auch bei der Gewerbeproduktenausstellung 1835. In der Biedermeierzeit nahm die Zahl der Goldschmiedemeister rasch zu (um 1830/1850 gab es 342 bürgerliche Goldschmiede, deren Punze überliefert ist); hervorzuheben sind um die Mitte des 19. Jahrhunderts K. Klinkosch (1821-1860) und J. H. Köchert (1831-1869).
Nach 1840 begannen maschinell hergestellte Arbeiten zu überwiegen; gleichzeitig verbreiteten sich feuervergoldete Silberarbeiten (Vermeil). In der Ringstraßenära verschafften die großen Architekten den Goldschmieden einen neuen Aufgabenbereich, ebenso trug das von Rudolf Eitelberger begründete Österreichische Museum für Kunst und Industrie viel zur Neubelebung des Kunsthandwerks bei. Dieses trat unter anderem bei der Weltausstellung 1873 mit hervorragenden Erzeugnissen an die internationale Öffentlichkeit. Mit Gesetz von 15. März 1883 (Abänderung der Gewerbeordnung von 1859) wurde eine Neufassung des "Statuts der Juweliere, Gold- und Silberschmiede" notwendig, am 2. Dezember 1905 wurde das Witwenpensionsinstitut mit der Gründung eines "Vereins zur Unterstützung der Witwen und Waisen nach Juwelieren, Gold- und Silberschmieden" erneuert. Die Secession und die Wiener Werkstätte gaben der Goldschmiedekunst neue Impulse. Um die Jahrhundertwende gab es viele sehr bekannte Goldschmiede (unter anderem Anton Heldwein, Josef Hofstättner, Julius Hügler, die Familie Klinkosch, Heinrich und Theodor Köchert und Franz Steinhausen). Die Secession und die Wiener Werkstätte förderten die Herstellung von Goldschmuck durch neue künstlerische Kreationen; Entwürfe lieferten unter anderem Carl Otto Czeschka, Josef Hoffmann, Kolo Moser und Dagobert Peche. Für Schmuckzwecke darf in Österreich nur Gold mit einem Feinheitsgehalt von mindestens 14 Karat verwendet werden.
Wappen
Für die Wappenbeschreibung siehe Artikel Juweliere.
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Innungen und Handelsgremien: Goldschmiede
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Innungen und Handelsgremien, U: Urkunden: Gesamtserie aller Innungen (enthält Urkunden der Goldschmiedeinnung)
Literatur
- 600 Jahre Wiener Gold- und Silberschmiede. In: Uhren & Juwelen. Die offizielle Zeitschrift des Bundesinnung und des Bundesgremiums 35 (1967), Heft Mai. Darin unter anderem:
- Hanns Jäger-Sunstenau: Herkunftsorte und Konnubium der Wiener Goldschmiede 1350-1800
- Hanns Jäger-Sunstenau: Innungsmeisterverzeichnis der Wiener Goldschmiede
- Wilhelm Mrazek: Schatzkammern und Sammlungen von Werken der Wiener Goldschmiedekunst
- Gustav Otruba: Alter, Verbreitung und Zunftorganisation des Goldschmiedehandwerks in Österreich
- Hanns Jäger-Sunstenau: Geschichte der Wiener Goldschmiede-Innung. Prüfungsarbeit am Institut für Österreichische Geschichtsforschung. Univ. Wien 1953
- Gerlinde Sanford: Wörterbuch von Berufsbezeichnungen aus dem siebzehnten Jahrhundert. Gesammelt aus den Wiener Totenprotokollen der Jahre 1648-1668 und einigen weiteren Quellen. Bern/Frankfurt am Main: Lang 1975 (Europäische Hochschulschriften. Reihe 1: Deutsche Sprache und Literatur, 136), S. 38 f.
- Wien im Mittelalter. 41. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, Karlsplatz, 18. Dezember 1975 bis 18. April 1976. Wien: Eigenverlag der Museen der Stadt Wien 1975 (Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, 41), S. 86, 142
- Karl Lind, Beiträge zur Kunde der älteren Gemeinde-Siegel und Wappen in Nieder-Oesterreich. In: Mitteilungen und Beiträge des Alterthums-Vereins zu Wien XV, 1875, S. 45 f.