Gründung Universität Wien
Die Gründung der Wiener Universität war ein wichtiger Teil der Bestrebungen Herzog Rudolfs IV., die Bedeutung seines Herrschaftsgebietes zu steigern. Rudolf stand auch auf diesem Gebiet in Konkurrenz zu seinem Schwiegervater Kaiser Karl IV., der 1348 in Prag die - nach Paris - zweite Universität nördlich der Alpen eingerichtet hatte. Die Universitätsgründung weist auf den königsgleichen Rang Rudolfs hin, den er für sich und seine Dynastie beanspruchte, denn die beiden zeitlich vorangehenden Universitätsgründungen waren eben jene Karls IV. in Prag und die Gründung der Universität Krakau 1364 durch König Kasimir von Polen. Als wichtiger Berater diente Rudolf bei der Gründung neben seinem Kanzler, Johann Ribi von Lenzburg (gestorben 1374), Magister Albrecht von Sachsen (gestorben 1390), der bis dahin an der Pariser Universität lehrte (1353 Rektor). Er wurde der erste Rektor der Wiener Universität (amtierte bis zum 21. Oktober 1366, als er Bischof von Halberstadt wurde). Die Universitätsgründung ist in engem Zusammenhang mit Rudolfs Stiftung des Allerheiligenkapitels zu St. Stephan zu sehen, wodurch neben allen politischen und wirtschaftlichen Zielen der Gründung das religiöse Motiv deutlich hervortritt, nämlich die Förderung des Glaubens durch eine theologische Fakultät.
Zunächst ließ Rudolf – zusammen mit seinen Brüdern Albrecht III. und Leopold III. - in der großen Gründungsurkunde vom 12. März 1365 (Wien, Universitätsarchiv) die Statuten der Universität festschreiben. Der Text dieser Urkunde stammt wohl von Kanzler Johann Ribi. Wichtiges textliches Vorbild für das Regelwerk war die jenes für die Universität Krakau, die 1364 eingerichtet worden war. Die geplante Organisation der Wiener Universität orientierte sich am Modell der Universität Paris, nämlich in vier Nationen nach der Herkunft der Studenten und in vier Fakultäten. In der Wiener Gründungsurkunde wird der Universität ein eigenes Viertel nahe der herzoglichen Burg zugewiesen, das in der deutschen Version als „Pfaffenstadt“ bezeichnet wurde. Dies sollte den besonderen Schutz durch den Landesherrn deutlich machen. Die Angehörigen der Einrichtung unterstanden einem eigenen Gericht. Sie waren darüber hinaus von Maut, Zoll und Steuern befreit. Die Errichtung eine Universität war an eine Erlaubnis durch den Papst gebunden. Verhandlungen mit der Kurie ab 1364 fanden vorerst mit der Bulle Papst Urbans V. vom 18. Juni 1365 ihren Abschluss, in welcher der Papst die Gründung zwar bestätigte, jedoch ohne die Einrichtung einer theologischen Fakultät zu genehmigen.
Die Universität und die Stadt
Für die Bürgergemeinde von Wien stellte die geplante Errichtung einer Universität eine große Neuerung dar, die auch ihre negativen Seiten hatte. Es war aus bestehenden Universitätsstädten bekannt, dass es häufig zu Konflikten mit Universitätsangehörigen kam. Durch die rechtliche Sonderstellung hatten die Bürger wenige Möglichkeiten, sich in solchen Fällen zu wehren. Auch waren die Steuerfreiheit und die Privilegien ein Problem. Die Einrichtung der „Pfaffenstadt“ hätte darüber hinaus tiefe Einschnitte in die Besitzrechte der betroffenen Bürger – und auch Adeligen - bedeutet. Die Gründungsurkunde vom 12. März 1365 wurde wohl besonders in Hinblick auf die Bürgergemeinde auch in einer deutschen Fassung ausgefertigt. Dies lässt sich durch die Übersetzung belegen, bei der einige Passagen, die in den Ohren der Wiener Bürgerschaft problematisch waren, abgeschwächt wurden. Bürgermeister Lukas Popfinger, Stadtrichter Leopold Poltz und Wiener Bürgergemeinde bestätigten in einer Urkunde am 12. April 1365, die neue Einrichtung fördern zu wollen (WStLA, Hauptarchiv-Urkunden: 643 (lateinische Fassung), 644 (deutsche Fassung)).
Mit Rudolfs überraschendem Tod am 27. Juli 1365 geriet der Gründungsprozess ins Stocken. Es waren offenbar nicht alle Unstimmigkeiten beiseite geräumt worden, denn es wurde festgelegt, dass die beiden Gründungsurkunden und die Bestätigung durch die Stadt beim Kirchenmeister von St. Stephan für zwei Jahre hinterlegt werden sollten, so lange die Verhandlungen über die konkrete Umsetzung der Stiftungsbestimmungen andauerten. Dass dies offenbar zu keinem positiven Ergebnis gekommen war, zeigt nicht zuletzt der Umstand, dass die Bestätigungsurkunde der Stadt wieder zurück in deren Besitz gekommen und daher im Wiener Stadt- und Landesarchiv überliefert ist. Sie wurde durch einen Schnitt wohl für ungültig erklärt. Als provisorischer Sitz der Universität diente die Bürgerschule zu St. Stephan. Dort fand zwar ein Lehrbetrieb statt, doch war dieser anfangs eher bescheiden.
Reform Albrechts III.
1384 waren die Voraussetzungen günstig, einen Neustart der Gründung zu wagen. Durch die Kirchenspaltung von 1378 waren nicht nur bedeutende Gelehrte der Pariser Universität auf der Suche nach neuen Stellen, sondern auch Papst Urban VI. zur Förderung der Wiener Einrichtung bereit, da Gegenpapst Clemens VII., von der Pariser Universität unterstützt wurde. Es wurde daher von Urban VI. die Einrichtung einer theologischen Fakultät bewilligt. Damit konnte auch das wichtigste Gebiet mittelalterlicher Wissenschaft abgedeckt werden. Herzog Albrecht III. sorgte für die Bereitstellung von Pfründen für die Versorgung der Universitätsangehörigen. Wichtig war auch die Stiftung des Collegium ducale, ein Magisterkolleg nach Pariser Vorbild, das nahe dem Dominikanerkloster eingerichtet wurde. Um dieses herum siedelten sich in der Folge Einrichtungen der Universität und zahlreiche Bursen an.
Quellen
- Archiv der Universität Wien, Gründungsurkunde 1365 (lateinische Fassung)
- Archiv der Universität Wien, Gründungsurkunde 1365 (deutschsche Fassung)
- WStLA, Hauptarchiv Urkunden: 643 (Bestätigung der Universitätsgründung durch die Stadt Wien, lateinische Fassung)
- WStLA, Hauptarchiv Urkunden: 644 (Bestätigung der Universitätsgründung durch die Stadt Wien, deutsche Fassung)
- Archiv der Universität Wien, Gründungsurkunde 1384
Literatur
- Kurt Mühlberger, Die Gemeinde der Lehrer und Schüler. Alma Mater Rudolphina. In: Peter Csendes, Ferdinand Opll (Hg.), Wien. Geschichte einer Stadt, Band 1: Von den Anfängen zur Ersten Wiener Türkenbelagerung (1529). Wien-Köln-Weimar: Böhlau 2001, S. 319-410
- Karl Ubl, Die Universität als Pfaffenstadt. Über ein gescheitertes Projekt Rudolfs IV. In: Kurt Mühlberger, Meta Niederkorn-Bruck (Hg.), Die Universität Wien im Konzert europäischer Bildungszentren. 14. – 16. Jahrhundert. Wien: Böhlau 2010, S. 17-26
- Frank Rexroth, Städtisches Bürgertum und landesherrliche Universitätsstiftung in Wien und Freiburg. In: Heinz Duchhardt (Hg.), Stadt und Universität. Köln-Weimar-Wien: Böhlau 1993 (Städteforschung. Veröffentlichungen des Instituts für vergleichende Städtegeschichte in Münster Reihe A, Bd. 33), S. 13-31
- Frank Rexroth, Deutsche Universitätsstiftungen von Prag bis Köln. Die Intentionen des Stifters und die Wege und Chancen ihrer Verwirklichung im spätmittelalterlichen deutschen Territorialstaat. Köln-Weimar-Wien: Böhlau 1992 (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 34)
- Peter Csendes: Die Rechtsquellen der Stadt Wien, In: Fontes rerum Austriacarum, 3. Abteilung: Fontes iuris 3 (1896) 9, S. 149 ff. (lateinische und deutsche Fassung der Gründungsurkunde), S.173ff. (Bestätigung durch die Stadt)