Herbert-Reichner-Verlag

Aus Wien Geschichte Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche
Daten zur Organisation
Art der OrganisationArt der Organisation Verlag
Datum vonDatum (oder Jahr) von 1925
Datum bisDatum (oder Jahr) bis 1938
Benannt nach Herbert Reichner
Prominente Personen
Wien Geschichte WikiIdentifier/Persistenter URL zur Seite  71666
GNDGemeindsame Normdatei 1087508991
WikidataIDID von Wikidata
Siehe auchVerweist auf andere Objekte im Wiki  Verlagsgeschichte
RessourceUrsprüngliche Ressource 
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 3.11.2023 durch WIEN1.lanm09fri
  • 6., Strohmayergasse 6

Es wurden noch keine Bezeichnungen erfasst.

Es wurden noch keine Personen erfasst.

Die Karte wird geladen …

48° 11' 32.07" N, 16° 20' 26.88" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Das Gründungsjahr dieses Kleinverlages ist nicht genau festzustellen. Der gebürtige Wiener Herbert Reichner, der ihn nach eigenen Angaben 1925 ins Leben rief, hatte zwar keine buchhändlerische Ausbildung, besaß als Herausgeber der internationalen Monatsschrift "Philobiblon" aber einschlägige Kenntnisse. Diese Fachzeitschrift für Bücherliebhaber begann 1928 zu erscheinen und wurde bis 1936 im Herbert-Reichner-Verlag verlegt, ehe sie vom Verlag Rudolf M. Rohrer übernommen wurde. Jedes Heft enthielt Beiträge über Handschriften und Autographen und bibliophile Druckschriften, meist ergänzt um qualitativ hochwertige gedruckte Beilagen.

Die eigene Verlagsproduktion begann Reichner 1927 mit der bibliophilen Reihe "Bibliotheca typographica", in der insgesamt sechs Publikationen in Auflagen von jeweils 200 bis 350 Stück erschienen, so etwa "Die Druckerkunst in den Vereinigten Staaten von Amerika", "Die Gutenberg-Bibel der Sammlung Vollbehr. Schicksale des kostbaren Buches", "Civilité-Schriften", "The Merrymount Press of Boston" oder "Die deutsche Typographie im Zeitalter Goethes".

Erst nach 1933 begann der Verlag Werke aus dem Bereich Musik, Literatur und Geschichte zu verlegen. Zu den Verlagsmitarbeitern gehörte Rudolf Fuchs, der Korrektur las und als Verbindungsmann zu den verschiedenen Autoren, etwa zu Stefan Zweig, fungierte. Als dessen Verleger galt das Unternehmen in NS-Deutschland als "jüdischer" Verlag. 1936 kam es zu einer Blitzbeschlagnahme seines Lagers in Leipzig, und nur durch diplomatische Interventionen von höchster Stelle gelang es ihm, die konfiszierten Werke wieder freizubekommen. Herbert Reichner und seine Frau verließen Wien am Abend des "Anschlusses" nach Zürich, wo sich die dritte Niederlassung des Verlags befand. In Wien war der Standort in Mariahilf, Strohmayergasse 6. 1939 emigrierte die Familie nach New York, wo Herbert Reichner 1940 ein Geschäft für "Old, Rare and Scholarly Books" mit Schwerpunkt auf Literatur des 16. Jahrhunderts eröffnete. Der Herbert-Reichner-Verlag in Wien wurde 1938 zuerst kommissarisch übernommen und schließlich liquidiert.

Die Produktpalette des Verlags umfasste ausschließlich literarisch hochwertige Bücher in qualitätsvoller Ausführung. Ab 1934 erschienen belletristische Werke wie Gustave Flauberts "Der Büchernarr" mit drei Zeichnungen von Alfred Kubin oder Alexander Lernet-Holenias "Olympische Hymne". In weiterer Folge wurde Herbert Reichner zum Stammverleger Lernet-Holenias. Um die Jahreswende 1935/1936 begann der Verlag die Reihe "Zeitgenössische Dichtung" und gab vier Bände heraus: Als Band 1 erschien Stefan Zweigs "Jeremias", als Band 2 Werner Riemerschmids "Das veraltete Jahr", als Band 3 Felix Brauns "Ausgewählte Gedichte" und schließlich als Band 4 Lernet-Holenias "Der Herr von Paris. Eine Erzählung aus der Zeit der großen Revolution in Frankreich". Weitere Titel des Wiener Schriftstellers bei Reichner waren der Roman "Die Auferstehung des Maltravers" sowie "Die goldene Horde" in einer beschränkten Auflage von 600 nummerierten Exemplaren.

1935 begann der Herbert-Reichner-Verlag mit der Produktion fremdsprachiger Literatur in deutscher Übersetzung, die vor allem von Herbert E. Herlitschka vorgenommen wurden, so etwa Luigi Pirandellos "Man weiß nicht wie" (in Übersetzung von Stefan Zweig), Alberto Albertinis "Zwei Jahre", "Der Mensch und die Steppe" von Alexander Jakowlew oder Franz Molnárs Roman "Der grüne Husar". Außerdem etablierte sich Reichner als Verleger zvon Katherine Mansfield und James Hilton.

Zu den weiteren Autorinnen und Autoren zählten René Fülöp-Miller ("Katzenmusik", 1936), Lotte Lehmann ("Orplid, mein Land", 1937; "Anfang und Aufstieg. Lebenserinnerungen", 1937), Elias Canetti ("Die Blendung", 1936, mit einer farbigen Einbandzeichnung von Alfred Kubin), Emil Lucka ("Der Impresario", 1937; "Die große Zeit der Niederlande", 1937), Siegfried Trebitsch ("Heimkehr zum Ich", 1936); Friedrich Eckstein ("Alte unnennbare Tage! Erinnerungen aus siebzig Lehr- und Wanderjahren") sowie Hans von Hammerstein-Equord ("Alte und neue Gedichte", 1936) und Hermann Broch ("Rede zu Joyces 50. Geburtstag", 1936).

Der mit Abstand wichtigste und erfolgreichste Autor des Herbert-Reichner-Verlags war Stefan Zweig, von dem bis 1938 alle Werke in deutscher Sprache hier erschienen - sowohl einige vom Insel-Verlag übernommene Werke als auch seine neuen Bücher, darunter "Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam" (1934). Der allerletzte Vertrag zwischen Reichner und Zweig aus dem Jahre 1937 betraf ein Werk, an dem Zweig im Oktober 1937 noch arbeitete und für das bei Vertragsabschluss der Titel noch nicht feststand - der Roman "Ungeduld des Herzens", der schließlich 1939 bei Bermann-Fischer in Stockholm erschien.

Ein anderer Schwerpunkt des Verlags galt dem Thema Musik. Das vielfältige meist bibliophile Angebot reichte von Willi Reichs 1936 erschienener Alban Berg-Biografie, der Reproduktion der Original-Handschrift von Franz Grubers "Stille Nacht, Heilige Nacht", Hugo von Hofmannsthals Beethoven-Rede über die Werke Paul Stefans ("Die Zauberflöte", "Don Giovanni", Monografien über Arturo Toscanini und Bruno Walter) bis hin zu Wolfgang Amadeus Mozarts "Das Veilchen" in Faksimile.

Literatur

  • Murray G. Hall/Christina Köstner: "… allerlei für die Nationalbibliothek zu ergattern …". Eine österreichische Institution in der NS-Zeit. Wien/Köln/Weimar: Böhlau 2006, S. 112-115

Weblinks