Mühlbäche am Wienfluss
Am Wienfluss wurden – teils bis ins frühe 20. Jahrhundert – mehrere Mühlbäche ausgeleitet. Diese dienten der Nutzung der im Wasser enthaltenen Energie zum Antrieb von Mühlen und anderen mechanischen Anwendungen.
Hydrologie und Technologie
Ausschlaggebend für die an einem Flussabschnitt nutzbare Wasserkraft sind der Durchfluss (d.h. die zur Verfügung stehende Wassermenge) und das Gefälle. Letzteres ist beim Wienfluss sehr hoch – mit 4,4 ‰ im Stadtgebiet ca. zehnmal so hoch wie das Gefälle der Donau – was den Betrieb von Mühlen begünstigte. Bedingt durch dieses Gefälle sowie durch die Niederschlags- und Bodenverhältnisse im oberen Einzugsgebiet (Wienerwald) weist der Wienfluss jedoch das Abfluss- und Sedimentregime eines Gebirgsflusses auf: eine stark schwankende Wasserführung (0,2–450 m³/s) und den Transport von großen Geschiebemengen bei Hochwässern. Dies stellte für die Wasserkraftnutzung ein Problem dar, da in Niederwasserperioden die Mühlen aus Wassermangel manchmal für einige Monate stillstanden, während Hochwässer Schäden an den technischen Anlagen verursachten.
Um die Energie eines Flusses optimal nutzen zu können, wurden verschiedene Technologien eingesetzt. Umwandlungsmaschinen wie Wasserräder benötigen einen möglichst konstanten Durchfluss. Deshalb wurde üblicherweise an einem Querbauwerk – im Fall der Mühlbäche am Wienfluss einem Wehr, mit dem auch der Wasserspiegel angehoben wurde – ein Gerinne ausgeleitet. Dies waren am Wienfluss meist Erdgerinne mit einfachen Querschnitten, die an kritischen Stellen (z.B. Wehrstelle, Durchlässe) mit Holz ausgekleidet waren. An diesen Mühlbächen waren verschiedene Anlagen angeordnet, welche die durch Wasserräder umgewandelte mechanische Rotationsenergie für bestimmte Anwendungen (z.B. Mahlen, Schleifen, Stampfen) nutzten.
Historische Entwicklung
Die Entstehung der Mühlbäche liegt weitgehend im Dunkeln. Die ältesten bekannten Mühlen am Wienfluss stammen aus dem 12. Jahrhundert. Mühlbäche mussten damals händisch gegraben werden und es kann davon ausgegangen werden, dass auch Seiten- und Altarme des Flusses herangezogen wurden, um diese Arbeit zu vereinfachen.
Sowohl die Lage der Wehre als auch der Verlauf der Gerinne veränderten sich im Lauf der Jahrhunderte. Dies war einerseits bedingt durch die wiederholte Zerstörung der technischen Anlagen bei Hochwässern und durch die ständigen morphologischen Veränderungen des vor seiner Regulierung hochdynamischen Wienflusses. Aber auch die wachsende urbane Infrastruktur, speziell ab dem Beginn der Industrialisierung des Wientals, erforderte laufende Adaptionen.
Im Lauf des 19. Jahrhunderts verschwanden im Zuge der Wienflussregulierung die meisten Mühlbäche aus der Flusslandschaft. Nur der Mühlbach vom Mariabrunner Wehr überdauerte die umfassende Regulierung und existierte zumindest teilweise auch noch im frühen 20. Jahrhundert.
Lage der Mühlbäche am Wienfluss
Im heutigen Stadtgebiet befanden sich (ab Stadtgrenze, in Fließrichtung) die folgenden Mühlbäche:
- Mühlbach vom Mariabrunner Wehr
- Hackinger Mühlbach (teilweise im 18. Jahrhundert aufgrund der Anlage von Schönbrunn aufgegeben; Rest Anfang des 20. Jahrhunderts aufgelassen)
- Pfeifferscher Mühlbach
- Mühlbach vom Meidlinger Wehr (bis 1847) [ Mühlbach (6) ]
- Mühlbach vom Gumpendorfer Wehr (bis 1856/1857) [ Mühlbach (6) ]
- Mühlbach von Wieden (Anfang des 17. Jahrhunderts aufgelassen) [ Mühlbach (4) ]
Siehe auch:
- Wienfluss
- Wienflussregulierung
- Wienflussregulierungsprojekte um 1780
- Wienflussregulierungsprojekte um 1870
- Mühlbach
Literatur
- Franz Atzinger / Heinrich Grave: Geschichte und Verhältnisse des Wien-Flusses sowie Anträge für dessen Regulirung und Nutzbarmachung. Mit Rücksichtnahme auf die jetzigen allgemeinen und localen Anforderungen. Wien: Hölder 1874
- Sándor Békési: Die Metamorphosen des Wienflusses. Zur Geschichte der Vergesellschaftung von Natur am Beispiel eines städtischen Gewässers. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 66 (2010), S. 37–61
- Friedrich Hauer / Severin Hohensinner / Christina Spitzbart-Glasl: How water and its use shaped the spatial development of Vienna. In: Water History (in preparation)
- Severin Hohensinner: Historische Hydromorphologie Wienfluss und Bäche. Unpubliziertes Manuskript, Universität für Bodenkultur Wien
- Klaus Lohrmann: Die alten Mühlen an der Wien. Wien: Jugend & Volk 1980 (Wiener Bezirkskulturführer, 26)
- Gudrun Pollack: Verschmutzt – Verbaut – Vergessen. Eine Umweltgeschichte des Wienflusses von 1780 bis 1910. Wien: 2013 (Social Ecology Working Paper, 138)
- Heinrich L. Werneck: Beiträge zur Geschichte der Wasserkraftanlagen an der mittleren und unteren Traisen, Fladnitz, Perschling (Mühlen, Hammer, Großgewerke) von 885–1965. Herzogenburg / Horn: Berger 1965