Mühlbach vom Mariabrunner Wehr
48° 12' 9.80" N, 16° 14' 43.94" E zur Karte im Wien Kulturgut
Am Mariabrunner Wehr wurde einer der sechs Mühlbäche am Wienfluss ausgeleitet, welche in erster Linie der energetischen Wassernutzung dienten.
Verlauf und Entwicklung
Die Entstehung des Mühlbachs vom Mariabrunner Wehr lässt sich aufgrund mangelnden Quellenmaterials nur schwer rekonstruieren. Die ältesten Mühlen können bis ins 12. Jahrhundert zurückverfolgt werden. Dies lässt den Schluss zu, dass das Gerinne bereits im Mittelalter angelegt wurde. Im Franziszeischen Kataster (ca. 1825) wurde sein Verlauf detailliert kartografisch erfasst.
Der Mühlbach wurde kurz nach der Einmündung des Mauerbachs am linksseitigen Ufer aus dem Wienfluss ausgeleitet. Insbesondere die Wehrstelle und der obere Teil der Ausleitungsstrecke veränderten sich mehrmals im Lauf des 19. Jahrhunderts. Dieser Bereich war einerseits besonders verwundbar gegenüber den verheerenden Hochwässern des Wienflusses, andererseits war der nutzbare Raum durch die zunehmende Urbanisierung eingeschränkt. Somit musste der Mühlbach an die sich wandelnde Infrastruktur (Kaiserin-Elisabeth-Bahn, Linzer Straße, Wienflussregulierung) angepasst werden.
Im weiteren Verlauf durch Hütteldorf überquerte der Mühlbach den Halterbach und den Rosenbach (die Überleitung erfolgte in hölzernen Gerinnen, sogenannten Fludern). Er endete nach einem Verlauf von ca. 4,3 km in Baumgarten (zwischen Preindlgasse und Guldengasse). Dort mündete er ursprünglich in den Wienfluss und setzte sich im rechtsseitigen Hackinger Mühlbach fort. Durch die flussmorphologische Dynamik war der Mündungsbereich jedoch starken Veränderungen unterworfen. Ab den 1850er Jahren – nachdem sich der Wienfluss aufgrund von Regulierungsarbeiten eingetieft hatte – erfolgte die Überleitung hier ebenfalls in einem hölzernen Gerinne aufgrund des Niveauunterschieds.
Der Mühlbach vom Mariabrunner Wehr überdauerte als einziger die umfassende Regulierung, allerdings in stark verkürzter Form. Ein Stadtplan aus dem Jahr 1910 zeigt, dass er nur noch bis zum Halterbach bzw. bis zum Hütteldorfer Bahnhof reichte. Im Bereich des Linienamts (Linzer Straße 457) wurde der Mühlbach eingewölbt. Die Wehrstelle befand sich im Mauerbach, unmittelbar vor dessen Einmündung in den Wienfluss – es lieferte in diesem Fall also eigentlich der Mauerbach das Wasser für den Mühlbach.
Technische Ausgestaltung
Pläne aus dem späten 19. Jahrhundert zeigen, dass das Mariabrunner Wehr überwiegend in Steinbauweise und mit einer festen Wehrkrone ausgeführt war. Es diente ausschließlich der kontrollierten Wasserentnahme, der Anhebung des Wasserspiegels, sowie dem Rückhalt von Geschiebe und Totholz. Im Gegensatz zu Staumauern (Talsperren), wie sie an Flüssen im alpinen Raum üblich sind, ließ diese Technologie keine Speicherung des Wassers zu. Dieser Umstand wirkte sich durch die stark schwankende Wasserführung des Wienflusses nachteilig auf die Wasserkraftnutzung aus (vgl. Mühlbäche am Wienfluss): Die Anlagen standen aufgrund Wassermangels oft für mehrere Monate still oder konnten nur eingeschränkt betrieben werden.
Das Gerinne selbst war bis nach der Kreuzung mit der Eisenbahn (die in Form eines Durchlasses im Freispiegel-Abfluss erfolgte) mit Holz ausgekleidet und wurde ab dort als Erdgerinne geführt. Es war für einen Abfluss von ca. 0,5 m³/s ausgelegt.
Wasserkraftanlagen
Die folgenden Wasserkraftnutzungen bestanden am Mühlbach vom Mariabrunner Wehr (in Fließrichtung):
- Glutmühle (auch Gluthmühle, Utendorfmühle; eine Mahlmühle, die im 19. Jahrhundert vier oberschlächtige Wasserräder aufwies und schon um 1100 bestand; Utendorfgasse)
- Hütteldorfer Brauerei (ehemals Pitterleinmühle; Braurecht ab 1599; Bergmillergasse)
- Hackinger Mühle / Färberei Seidel (ursprünglich ebenfalls eine Mahlmühle, die bereits um 1100 bestand; daneben ab Beginn des 19. Jahrhunderts eine Baumwolldruckerei, die das Mühlenareal nach 1850 aufkaufte und als Betriebsgelände nutzte; Hackinger Straße / Deutschordenstraße)
- Herschmühle (auch Holzmühle, Sinamühle; ursprünglich Mahlmühle und ab ca. 1875 eine chemische Fabrik)
Neben diesen energetischen Nutzungen diente der Mühlbach aber auch anderen Zwecken: Ab ca. 1850 speiste er ein öffentliches Bad (im heutigen Ferdinand-Wolf-Park) und nach Abschluss der umfassenden Regulierung wurde darauf im Winter Eis gelaufen. Im Franziszeischen Katataster sind Kanäle ersichtlich, die der Bewässerung gedient haben könnten.
Es ist auch bekannt, dass in Mühlbächen häufig Abwässer und Abfälle entsorgt wurden. Diese vielfältigen Nutzungen führten insbesondere mit zunehmender Industrialisierung und Urbanisierung des Wientals zu Konflikten (z.B. durch hygienische Probleme und Behinderung des ungehinderten Abflusses und Mühlenbetriebs durch eingetragene Feststoffe) (siehe: Wasserverschmutzung Wienfluss).
Spuren in der urbanen Gewässerlandschaft
Die umfassende Regulierung des Wienflusses sowie die Infrastrukturentwicklung haben die meisten Spuren des Mühlbachs beseitigt. Lediglich zwei obsolet gewordene Steinbrücken im Park des Europahauses und die Einwölbung beim ehemaligen Linienamt sind stumme Zeugen des einstigen Verlaufs.
Quellen
Literatur
- Franz Atzinger / Heinrich Grave: Geschichte und Verhältnisse des Wien-Flusses sowie Anträge für dessen Regulirung und Nutzbarmachung. Mit Rücksichtnahme auf die jetzigen allgemeinen und localen Anforderungen. Wien: Hölder 1874
- Sándor Békési: Die Metamorphosen des Wienflusses. Zur Geschichte der Vergesellschaftung von Natur am Beispiel eines städtischen Gewässers. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 66 (2010), S. 37–61
- Friedrich Hauer / Severin Hohensinner / Christina Spitzbart-Glasl: How water and its use shaped the spatial development of Vienna. In: Water History (in preparation)
- Severin Hohensinner: Historische Hydromorphologie Wienfluss und Bäche. Unpubliziertes Manuskript, Universität für Bodenkultur Wien
- Gebhard Klötzl: Die Fabriken des Wientales (13. und 14. Bezirk). Wien: 2004 (Penzinger Museumsblätter, 61)
- Paul Kortz: Wien am Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung. Herausgegeben vom Oesterreichischen Ingenieur und Architekten-Verein. Band 1. Wien: Gerlach & Wiedling 1905
- Klaus Lohrmann: Die alten Mühlen an der Wien. Wien: Jugend & Volk 1980 (Wiener Bezirkskulturführer, 26)
- Karl Loos: Plan der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien im Maße 1 : 25.000. Herausgegeben unter Mitwirkung des Wiener Stadtbauamtes. Wien: Lechner 1910
- Museumsverein Penzing (Hg.): Handwerk und Industrie im 14. Bezirk. Führer durch die Ausstellung. Wien: 1969 (Penzinger Museumsblätter, 21/22)
- Gudrun Pollack: Verschmutzt – Verbaut – Vergessen. Eine Umweltgeschichte des Wienflusses von 1780 bis 1910. Wien: 2013 (Social Ecology Working Paper, 138)