Nuntiaturgebäude
Nuntiaturgebäude (Apostolische Nuntiatur [Gesandtschaft des Kirchenstaats], in der der Apostolische Nuntius [diplomatischer Vertreter des Papstes] in Österreich seinen Sitz hat). Bis ins 17. Jahrhundert hatten die Nuntien in Wien kein eigenes Gebäude, sondern wohnten (in Wien nachweisbar ab 1529) in Mietobjekten oder Klöstern (beispielsweise im Franziskanerkloster).
1) Nuntiaturgebäude Am Hof (1., Am Hof 4, Naglergasse 24; Konskriptionsnummer 321)
Auf diesem Areal stand ursprünglich die bis 1575 nachweisbare Pankrazkapelle, die dann in ein Haus umgebaut wurde. Michael Graf Althan schenkte es 1630 dem Papst als Sitz für den jeweiligen Nuntius. Nach 1683 wurde es mit einem angrenzenden Haus, das einst zwischen der Pankrazkapelle und dem Nachbarhaus Stadt 320 lag, baulich vereinigt (siehe Am Hof 3-4). Anstelle dieses baufällig gewordenen Gebäudes ließ Papst Clemens XIII. 1767/1768 einen Neubau mit einer Hauskapelle ("Zu Mariä Schmerzen") errichten. Zur Erinnerung an den Wien-Aufenthalt Papst Pius' VI. (Papstbesuch, sub 1) wurde im zweiten Stock des Nuntiaturgebäudes eine Büste des Papstes aufgestellt. Laut Czeike (Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien) wohnte der Papst allerdings nicht im Nuntiaturgebäude, sondern in der Hofburg. Harrer Paul Harrer: Wien, seine Häuser gibt jedoch an, dass Pius VI. vom 22. März bis zum 22. April 1782 im Nuntiaturgebäude wohnte. Nuntius Michaele Viale Preta ließ 1858 am Gebäude eine Gedenktafel zur Erinnerung an den Abschluss des Konkordats (1855) anbringen. 1913 wurde das Haus an die Zentralbank deutscher Sparkassen verkauft und abgebrochen. Auf dem Areal und jenem des angrenzenden Hauses Am Hof 3 (Naglergasse 22), das ebenfalls 1913 demoliert wurde, entstand das heutige Haus Am Hof 3-4 (Naglergasse 22-24), das nach mehrfachem Besitzerwechsel 1934-1938 Zentrale der "Vaterländischen Front" war. 1936-1938 Sitz des Generalkommando der Frontmiliz und des Kommandos 2. Milizbrigade. 1941 vom Deutschen Reich übernommen ging es 1948 in das Eigentum der Republik Österreich über (Österreichische Kontrollbank).
2) Heutiges Nuntiaturgebäude (4., Theresianumgasse 31, Viktorgasse 2)
1913 übersiedelte die Nuntiatur in einen auf Veranlassung Papst Pius' X. 1911-1913 nach Plänen von Pietro Palumbo errichteten Neubau (Gedenktafel in der Halle). An der Hoffassade wurden zwei Gedenktafeln vom früheren Nuntiaturgebäude Am Hof (von 1630 beziehungsweise 1768) angebracht. Die Kapelle enthält ein Altarbild um 1700 und ein aus dem älteren Nuntiaturgebäude stammendes Glasgemälde (1887); im Vorraum befindet sich das Gemälde „Christus vor dem Hohepriester" von L. Schnorr von Carolsfeld (1831).
Quellen
Literatur
Ad 1:
- Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Geschichte und Kultur. Band 2, 2. Teil. Wien ²1952 (Manuskript im WStLA), S. 254-262
- Wilhelm Kisch: Die alten Straßen und Plätze von Wiens Vorstädten und ihre historisch interessanten Häuser. (Photomechan. Wiedergabe [d. Ausg. v. 1883]). Band 1. Cosenza: Brenner 1967, S. 17 f.
- Paul Kortz: Wien am Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung. Hg. vom Oesterreichischen Ingenieur und Architekten-Verein. Band 2. Wien: Gerlach & Wiedling 1906, S. 392
Ad 2:
- Bundesdenkmalamt [Hg.]: Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreichs. Wien. II. bis IX. und XX. Bezirk. Wien: Schroll 1993, S. 152
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 400
- Elisabeth Kovács, Der Pabst in Teutschland. Die Reise Pius VI. im Jahre 1782. München: Oldenbourg 1983
- Robert Messner: Die Wieden im Vormärz. Historisch-topographische Darstellung der südwestlichen Vorstädte und Vororte Wiens auf Grund der Katastralvermessung. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1982 (Topographie von Alt-Wien, 7), S. 186