Naglergasse
48° 12' 36.88" N, 16° 22' 3.29" E zur Karte im Wien Kulturgut
Naglergasse (1.). Entlang der heute gerade nummerierten Häuserzeile verlief die (der römischen Lagermauer entsprechende) mittelalterliche Burgmauer; bei der Irisgasse stand das Reflertor.
Der ursprüngliche Name "Hinter St. Pankraz" ist 1310 beziehungsweise 1326 urkundlich belegt und bezog sich auf die Pankrazkapelle. Für das Teilstück zwischen Kohlmarkt und Haarhof ist ab 1432 die Bezeichnung "Unter den Nadlern" gebräuchlich, weil hier nach der Zunftordnung von 1378 die Nadler (Schmiede, die verschiedener Arten von Nadeln erzeugten) ihr Gewerbe ausübten. 1547/1548 ist für diesen Teil erstmals die Bezeichnung Naglergasse nachzuweisen (lediglich eine Verballhornung des ursprünglichen Namens), wogegen der restliche Teil weiterhin Hinter St. Pankraz hieß. Erst 1642 wird die Bezeichnung Naglergasse auf den gesamten Straßenzug angewendet (um 1600 war die Pankrazkapelle profaniert worden).
Die Krümmung der Naglergasse bei der Einmündung in den Heidenschuss markiert noch heute das abgerundete Eck der römischen Lagermauer beziehungsweise mittelalterlichen Burgmauer. Südlich der Naglergasse befand sich der Stadtgraben (in der Verlängerung des heutigen Grabens), der sich noch im Gefälle zum Haarhof (Grabensohle) erkennen lässt (Retzengraben). Die Gasse besitzt, besonders an ihrer südlichen Seite, eine Reihe bemerkenswerter alter Häuser, die in ihrem Kern auf das 15./16. Jahrhundert zurückgehen.
Ende des 19. Jahrhunderts stand die Naglergasse im Mittelpunkt heftiger Diskussionen, da man im Sinne der damaligen Stadtregulierungspläne an eine Verlängerung des Grabens in dessen Breite nach Nordwesten dachte, was zur Schleifung der meisten historischen Häuser geführt hätte. Im frühen 20. Jahrhunderts wurde die rechtsseitige Häuserreihe niedergerissen. An ihrer Stelle kamen Neubauten.
Gebäude
- Nummer 1 (Graben 20): Karyatiden von Franz Melnitzky.
- Nummer 2: Das 1901 erbaute Haus mit seiner schmalen Stirnfront bildet den optischen Abschluss der Nordwest-Ecke des Grabens und ist mit späthistoristischen von Jugendstilanklängen durchdrungenem Baudekor gegliedert (Akzentuierung durch zwei Eckerker, die von monumentalen Mädchengestalten getragen werden); Gedenktafel über dem Haustor (Hinweis auf die hier verlaufende römische Lagermauer).
- Nummer 3
- Nummer 4: "Zum Bogner", erbaut 1902; Relief "Maria mit Jesukind".
- Nummer 5
- Nummer 7 (Körblergasse 2): Renaissancehaus mit Erker und Giebel aus der Zeit um 1600, klassizistische Fassade 1796; in der Körblergasse Barockportal.
- Nummer 9 (Haarhof 1): klassizistischer Bau aus dem beginnenden 19. Jahrhundert; Esterházykeller.
- Naglergasse 11
- Nummer 13 (Haarhof 4): "Zur heiligen Dreifaltigkeit"; Giebelhaus, dessen Kern aus dem 15./16. Jahrhundert stammt; die Fassade ist nach dem Umbau der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zuzuordnen. Über dem Portal befindet sich eine Dreifaltigkeitsskulptur mit Marienkrönung aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.
- Nummer 15: spätgotisches Giebelhaus auf schmaler Parzelle; im Baukern auf das 15. Jahrhundert zurückgehend, wurde es um 1700 adaptiert (neue Fassade und neue Giebelform).
- Nummer 17: spätgotisches Giebelhaus, im Baukern auf das 15./16. Jahrhundert zurückgehend, 1704 erneuert und neu fassadiert, originell ausgestalteter Hausgiebel mit balustradenartigen Seitenteilen, Vasen und Büste.
- Nummer 19: Giebelhaus mit Renaissanceerker auf Konsolen, im Kern aus dem 16./17. Jahrhundert stammend, 1773 adaptiert; Gedenktafel (Geburtshaus von Eduard Heinl [mit Porträtrelief).
- Nummer 21: Gebäude mit schöner Barockfassade (um 1720) und Hauszeichen "Maria Immaculata".
- Nummer 23: "Zum goldenen Pflug"; aus dem 15./16. Jahrhundert, Fassade im 17. Jahrhundert erneuert, neben dem Eingang ein Stein mit der Jahreszahl 1779.
- Nummer 24 (Am Hof 4): Auf einem Teil des Areals stand die Pankrazkapelle, ab dem 17. Jahrhundert befand sich hier das Nuntiaturgebäude (sub 1). Nach der Demolierung (1913) entstand ein Neubau, der die Parzelle Nummer 22 mit einschloss (1934-1938 Sitz der "Vaterländischen Front", heute Österreichische Kontrollbank).
- Nummer 25: "Zum guten Hirten" oder "Zur Stadt Mainz"; den Baukern bilden zwei Häuser aus der Zeit um 1600, die im 18. Jahrhundert vereinigt wurden. Umbau 1802 durch Franz Xaver Polinfürst für Peter Franz Rinaldi.
- Nummer 27: Kernbau aus dem 15./16. Jahrhundert, Fassade des 18. Jahrhunderts von Lorenz Lechner.
- Nummer 29: Im vierten Stock wohnten die vier Schwestern Wagner, von denen Antonie als treue Freundin von Ferdinand Raimund bekannt wurde (sie ist hier 1879 gestorben).
Pfarrzugehörigkeit bis 1938
Bis 1938 lag die Standesführung in Österreich in den Händen der konfessionellen Behörden. Die Geburts-, Ehe-, und Sterbematriken von katholischen Bewohnerinnen und Bewohnern wurden von der zuständigen Pfarre geführt.
- ab 1783: Pfarre Am Hof
- ab 1908: ungerade Orientierungsnummern (ONr.): Pfarre St. Michael; gerade ONr.: Pfarre St. Peter
- ab 1926: ungerade ONr. 1-9 und gerade ONr. ab 2: Pfarre St. Peter; ungerade ONr. ab 11: Pfarre Schotten
Bilder
Quellen
Literatur
- Felix Czeike: Wien. Kunst und Kultur-Lexikon. Stadtführer und Handbuch. München: Süddeutscher Verlag 1976, S. 113 f.
- Felix Czeike: Wien. Innere Stadt. Kunst- und Kulturführer. Wien: Jugend und Volk, Ed. Wien, Dachs-Verlag 1993, S. 120 f.
- Emil Ritter von Förster: Die Durchquerung der inneren Stadt und der Engpaß in der Bognergasse und Naglergasse am Graben. 1894
- Rudolf Geyer: Handbuch der Wiener Matriken. Ein Hilfswerk für Matrikenführer und Familienforscher. Wien: Verlag des Österreichischen Instituts für Genealogie, Familienrecht und Wappenkunde, 1929
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 472
- Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Geschichte und Kultur. Band 2, 2. Teil. Wien ²1952 (Manuskript im WStLA), S. 339
- Hugo Hassinger: Kunsthistorischer Atlas der k.k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien und Verzeichnis der erhaltenswerten historischen, Kunst- und Naturdenkmale des Wiener Stadtbildes. Wien: Schroll 1916 (Österreichische Kunsttopographie, 15), S. 71
- Wilhelm Kisch: Die alten Straßen und Plätze von Wiens Vorstädten und ihre historisch interessanten Häuser. (Photomechan. Wiedergabe [d. Ausg. v. 1883]). Cosenza: Brenner 1967, Band 1, S. 581 f.
- Ferdinand Lettmayer [Hg.]: Wien um die Mitte des XX. Jahrhunderts - ein Querschnitt durch Landschaft, Geschichte, soziale und technische Einrichtungen, wirtschaftliche und politische Stellung und durch das kulturelle Leben. Wien: 1958, S. 284
- Hans Markl: Die Gedenktafeln Wiens. Wien: ABZ-Verlag 1949, S. 34
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- Gabriele Praschl-Bichler: Wien speziell. Architektur des Barock. Wo finde ich Schlösser, Palais, Öffentliche Profanbauten, Kirchen, Klöster, Bürgerhäuser, Denkmäler, Brunnen, Museen, Sammlungen in Wien. Wien: Christian Brandstätter Verlag 1990, S. 51
- J. E. Schlager: Wiener-Skizzen aus dem Mittelalter, Neue Folge 2. 1842, S. 320 ff.
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- Emmerich Siegris: Alte Wiener Hauszeichen und Ladenschilder. Wien: Burgverlag 1924, S. 80
- Christian Ulrich: Studie über eine Regulierung der Naglergasse. 1894
- Renate Wagner-Rieger: Das Wiener Bürgerhaus des Barock und Klassizismus. Wien: Hollinek 1957 (Österreichische Heimat, 20), S. 66 ff.
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