Olly Schwarz
Olga "Olly" Schwarz , * 10. März 1877 Prag, † 1960 Chicago, Pädagogin, Berufsberaterin, Frauenrechtlerin.
Biografie
Olly Schwarz wurde als Olga Frankl in eine assimilierte deutschsprachige jüdische Familie geboren. Bereits in jungen Jahren zeigte sich ihr Wunsch ärmeren Menschen zu helfen. Als ein Mitschüler ihres Bruders, dessen Vater Schuster war, von seinem ewigen Hunger erzählte, konnte sie ihre Familienmitglieder dazu bewegen, diesen Buben jeweils einmal in der Woche zu verköstigen. Einem elternlosen Kind brachte sie Französisch bei. Als sie älter war, gab sie Gartenpartys, den Erlös spendete sie an soziale Institutionen. Früh in die "bessere Gesellschaft" eingeführt, erlebte sie immer wieder, welch untergeordnete Rolle ein Mädchen zu spielen hatte. Sie fühlte sich von der Oberflächlichkeit und Herablassung der jungen aufstrebenden Mittelschichtssöhne abgestoßen, schrieb sie in ihren Memoiren. Auch ihre eigene schulische Ausbildung wurde im Gegensatz zu der ihres Bruders nicht ernst genommen.
Nach Unruhen zwischen der deutsch- und tschechischsprachigen Bevölkerung 1898 übersiedelte Olly Frankl mit ihrer Familie nach Wien. 1899 heiratete sie den Arzt und Hämatologen Emil Schwarz und trat aus dem Judentum aus.
In Wien lernte sie den Volksbildner Ludo Moritz Hartmann kennen und engagierte sich selbst für Frauenbildung und die Berufstätigkeit von Frauen. Sie wurde Mitbegründerin und Mitglied von "Athenäum", einem Verein für Frauenweiterbildung von Ludo Moritz Hartmann. Für die Dauer des Bestehens des Vereins (1900 bis 1921) fungierte sie als Kassiererin. Daneben war sie Vorstandsmitglied des "Neuen Wiener Frauenklubs" (Vorgängerorganisation: Erster Wiener Frauenklub), kurz darauf auch Leiterin der Musikabteilung des Frauenklubs. 1907 gründete Olly Schwarz gemeinsam mit Olga Steindler den "Verein zur Förderung der höheren kommerziellen Frauenbildung", der die Wiener Handelsakademie für Mädchen in der 2., Stephaniestraße 16 (seit 1919: Hollandstraße), eröffnete. Schwarz wurde Kuratorin der Schule, Steindler Direktorin. Der Lehrplan war dem der Burschen angeglichen. "Die Handelsakademie wird in ihren Absolventinnen der Frauenbewegung neue Kämpfer [!] für das Recht auf gleiche Bildung, gleichen Beruf und gleichen Lohn zuführen", war Olly Schwarz überzeugt. Für sie war es ein Anliegen, den Absolventinnen bei der Arbeitssuche zu helfen. Sie trat daher als Vorstandsmitglied in die "Vereinigung der arbeitenden Frauen" ein und absolvierte selbst einen Kurs für Berufsberaterinnen. Vom "Bund österreichischer Frauenvereine" mit einem Referat über weibliche Berufstätigkeit betraut, nahm sie im Mai 1914 am Internationalen Kongress des Frauenweltbundes (ICW) in Rom teil. Ihr Vorhaben, einen Verband von Frauenvereinen zu gründen, konnte sie wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges nicht realisieren.
Während des Krieges arbeitete sie als Krankenpflegerin im Kriegsspital, das in der Wiener Stiftskaserne eingerichtet war. Nach acht Monaten musste sie den Dienst aus gesundheitlichen Gründen wieder aufgeben. 1916 gründete sie die "Zentralstelle für weibliche Berufsberatung", deren Ziel die Schaffung einer wissenschaftlichen Amtsstelle für Frauenberufsberatung war. Olly Schwarz hielt Vorträge in verschiedenen Städten der Monarchie und organisierte 1917 eine Tagung für die Berufsinteressen der Frauen. Im Verlauf des Krieges trat sie auch dem patriotisch orientierten "Kuratorium für Kriegerwitwen" bei, ihr Hauptengagement galt aber weiterhin einer Institutionalisierung der Berufsberatung. Für ihr Engagement wurde sie mit dem "Kriegskreuz 2. Klasse für Zivilverdienste" ausgezeichnet.
Im Herbst 1917 wurde das neues "Ministerium für soziale Verwaltung" eingerichtet, das unter anderem für die Berufsberatung zuständig war. Es wurde eine eigene "Kommission für Frauenarbeit" mit Unterausschüssen eingesetzt. Eine der brennendsten die Frauenarbeit betreffende Probleme, mit der sich die Pionierinnen der Frauenbewegung auseinandersetzen mussten, war damals die Regelung der Arbeitsbedingungen für Hausgehilfinnen. Olly Schwarz erinnerte sich: "Ich war auch an den Verhandlungen des Ausschusses für Hausgehilfinnen interessiert, weil eine Vorlage zu einem Hausgehilfinnengesetz bevorstand, um die ganz veraltete Dienstbotenordnung zu ersetzen. Dadurch hoffte ich, dieser Frauenberuf würde eine höhere Stufe erreichen."
Am 2. Dezember 1919 erging ein Erlass des Ministeriums an alle Bürgermeister von Städten mit eigenem Statut, "in welchem die Notwendigkeit zur Errichtung kommunaler Ämter für Berufsberatung angeregt wurde". Die Gemeinde Wien zögerte zunächst, doch Olly Schwarz fand in den sozialdemokratischen Frauenführerinnen, "die sich für alle neuen sozialen Aufgaben energisch einsetzten", Verbündete. Am 12. Juli 1921 genehmigte der Gemeinderatsausschuss schließlich ein Übereinkommen mit der "Zentralstelle", deren Beratungsstelle von der Gemeinde Wien übernommen wurden "bei gleichzeitiger Anstellung ihrer Vorsitzenden zur Leiterin der weiblichen Abteilung des Berufsberatungsamts der Stadt Wien". So wurde Olly Schwarz am 2. April 1922 Gemeindebeamtin.
Im Laufe der Jahre erfuhr das "Berufsberatungsamt" immer größere – auch internationale – Anerkennung und wurde zu einem Vorzeigeprojekt der Gemeinde Wien. Olly Schwarz organisierte Tagungen, hielt Referate, schrieb Artikel und Berichte. Als im aufkommenden Austrofaschismus das Gemeindebudget gekürzt wurde, konnte die Berufsberatung nur durch die Angliederung an das Landesarbeitsamt für Wien gerettet werden, Olly Schwarz wurde pensioniert. Zu dieser Zeit verfasste sie das Buch "Wir stehen im Leben", das die Berufserlebnisse von fünf Frauen schildert. Außerdem war sie weiterhin bis 1936 in der "Zentralstelle" aktiv und arbeitete für die Liga der Menschenrechte. Im Rahmen dieser Arbeit, versuchte sie für Flüchtlinge aus dem nationalsozialistischen Deutschland Arbeit zu finden und wurde angezeigt, illegale Heimatscheine besorgt zu haben. Durch das strenge Arbeitsverbot für Ausländer wurde ihre Arbeit sehr erschwert, schließlich wurde das Büro geschlossen. Während der NS-Zeit richtete Olly Schwarz einen Treffpunkt in ihrer Wohnung ein, bereitete sich jedoch zusammen mit ihrem Mann auf die Emigration vor, da beide als Jüd*innen verfolgt wurden. 1939 gelang dem Ehepaar Schwarz mithilfe von Verwandten die Flucht in die USA. Während ihr Mann bald wissenschaftlich arbeiten konnte, widmete sich Olly Schwarz zunächst dem Haushalt. Bald schon jedoch wurde sie unter anderem Mitglied des Frauenkomitees des YMCA (Young Men’s Christian Association), nahm an der Gründung eines Jung-Mädchen-Klubs und an Friedenskundgebungen teil und ging mit ihrem Mann zahlreichen gesellschaftlichen Verpflichtungen nach. 1945 erhielt sie die amerikanische Staatsbürgerschaft. 1954 besuchte das Ehepaar im Rahmen eines internationalen Kongresses noch einmal Wien. Emil Schwarz starb 1955.
Olly Schwarz verstarb 1960 in Chicago, nachdem sie ihre Memoiren geschrieben hatte. Seit 2011 erinnert im 22. Bezirk die Olly-Schwarz-Gasse und im 7. Bezirk ein Erinnerungsteppich an die Pädagogin und Frauenrechtlerin.
Quellen
- Wienbibliothek im Rathaus / Tagblattarchiv: Personenmappe Olly Schwarz (TP 049556)
- ANNO: Buchbesprechungen "Wir stehen im Leben" von Olly Schwarz. In: Die Hausfrau, Juni 1934
Literatur
- Elke Krasny: Stadt und Frauen. Eine andere Topographie von Wien. Wien: Metroverlag 2008
- Susanne Blumesberger [Hg.]: Handbuch österreichischer Autorinnen und Autoren jüdischer Herkunft 18. bis 20. Jahrhundert. München: Saur Verlag 2002
- Albert Lichtblau: Olly Schwarz (geborene Frankl). In: Ebd.: Als hätten wir dazugehört. Österreichisch-jüdische Lebensgeschichten aus der Habsburgermonarchie. Wein / Köln / Weimar: Böhlau Verlag 1999, S. 353–369
- ANNO: Athenäum. Die Geschichte einer Frauenhochschule in Wien. In: Zeitgeschichte, 1986 (3. Heft)
- Frauen in Bewegung: Schwarz, Olly [Stand: 08.08.2024]
Olly Schwarz im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.