Stiftskaserne
48° 12' 6.98" N, 16° 21' 18.37" E zur Karte im Wien Kulturgut
Stiftskaserne (7, Stiftgasse 2-2A, Mariahilfer Straße 22-24), ausgedehnter, historisch gewachsener Kasernenkomplex hinter den ehemaligen Hofstallungen (ehemalige Vorstadt Laimgrube).
Hofkammerrat Johann Konrad Richthausen Freiherr von Chaos, der 1663 sein großes Vermögen wohltätigen Zwecken stiftete (Chaossche Stiftung), erwarb 1656 an der Mariahilfer Straße einen weitläufigen Acker (auf dem er ein ebenerdiges Haus samt Stadel errichten ließ); diese Realität kam in den Besitz der Stiftung, die sie als Sommerheim für die Waisenkinder benutzte. 1679 auch als Zufluchtsstätte während der Pestepidemie (kein Zögling erkrankte damals). Ebenfalls 1679 wurde durch Grundemann ein Trakt an der Mariahilfer Straße errichtet (der seinen Namen nach dem Stiftungsverweser Johann von Moser trägt, weil ihn dieser 1732-1736 aufstocken ließ [heute strenghistoristische Fassade mit monumentaler Gliederung durch zwei mansardbekrönte Risalite mit kräftiger Eckrustika]); damit war Raum für 150 Zöglinge geschaffen. 1681 wurde der Besitz mit einer Mauer umgeben. 1683 erlitten die Gebäude durch die Osmanen schwere Schäden, wurden aber bis 1687 wieder in einen bewohnbaren Zustand versetzt und bis 1693 durch Zubauten erweitert.
Als die Zöglinge nunmehr für dauernd vom Stiftungshaus in der Kärntner Straße auf die Laimgrube übersiedelten, wurde der Komplex erweitert und 1696 durch ein eigenes Spitalsstöckel ergänzt; das Gebäude reichte schließlich bis zum Spittelberg. Als der Hofbuchhaltereibeamte Georg Franz von Griener der Hofkammer am 4. Februar 1735 einen Betrag von 20.000 Gulden mit der Bestimmung übergab, davon eine Anzahl von Jünglingen in den Kriegs- und Ingenieurwissenschaften auszubilden, entstand 1736 im Zusammenwirken mit der Chaosschen Stiftung die Ingenieurschule (aus der sich die Ingenieursakademie entwickelte); ihr wurde ein Teil des Stiftungsgebäudes abgetreten.
1739 wurde (unter Moser) der Grundstein zur Stiftkirche gelegt, 1746 von Herzogin Maria Theresia von Savoyen-Carignan (geborene Liechtenstein, Witwe nach dem Neffen Prinz Eugens, Herzog Thomas Emanuel von Savoyen-Carignan) die Savoyische Adelige Akademie gestiftet. Für diese wurde 1746/1749 auf einem von der Herzogin von der Chaosschen Stiftung erworbenen, hinter der Kirche gelegenen Grundstück der langgestreckte 52-achsige, drei-, seit 1869 viergeschossige Akademietrakt (Stiftgasse 2-2A) mit seinen beiden kräftig vortretenden fünfgeschossigen Risaliten erbaut (samt der an der Ecke Stiftgasse-Siebensterngasse gelegenen Reitschule [sie diente in der Ersten Republik als Turnhalle und war der Ausgangspunkt für den am 25. Juli 1934 unternommenen nationalsozialistischen Putschversuch; 1985 abgetragen]), der 1749 eröffnet, 1756 der Kaiserin unterstellt und 1776 mit der Theresianischen Akademie vereint wurde. Nach inzwischen mehrmaligem Ortswechsel übersiedelte 1769 die Ingenieurakademie wieder in das Chaossche Stiftungshaus (Technische Militärakademie); als sie 1851 nach Klosterbruck bei Znaim verlegt wurde, wurde aus dem Gebäudekomplex die "Stiftkaserne", für die man in dem zum Hof gewordenen Garten einen vierstöckigen Mitteltrakt errichtete (1851-1853).
1875 wurde der (1679 durch Grundemann erbaut und 1732 durch Moser aufgestockte) Mosertrakt (Mariahilfer Straße 22-24) nach Plänen von Eugen Schweigel umgestaltet. Der sogenannte Sappeur- und der Mitteltrakt blieben bis 1875 Infanteriekaserne. 1859-1865 war die Kriegsschule in der Stiftskaserne untergebracht, 1869-1898 wurde die Infanteriekadettenschule hierher verlegt (danach nach Breitensee). Die (ab 1869 in der Stiftskaserne befindliche) Technische Militärakademie kam 1904 nach Mödling. In die einst der Savoyen Akademie vorbehaltenen Räumlichkeiten wurden das Kriegsarchiv und die Bibliothek aus dem Kriegsministerialgebäude (1905-1990) übertragen.
Östlich an den Mosertrakt anschließend befindet sich der (1754 erbaute) Sappeurtrakt (Mittelrisalit mit Mansarddach, Lisenengliederung, Trophäenreliefs in den Sturzfeldern, monumentales Mittelportal mit plastischer Ausstattung); ab 1902 wurden (nach Freiwerden großer Räumlichkeiten durch den Auszug der beiden Kadettenschulen) wieder Truppen einquartiert.
Bis 1914 fanden auch mehrere Stäbe und Inspektorate in der Stiftskaserne Unterkunft. Im Ersten Weltkrieg wurde die Kaserne Lazarett. Zwischen 1918 und 1920 waren Volkswehrverbände, darunter die Rote Garde, sowie Liquidationsstellen der k. k. Armee hier untergebracht. Das Bundesheer belegte die Kaserne mit verschiedenen Infanterie-Regimentern, Fachkursen und Schulen. 1935 zogen Teile des neu aufgestellten Gardebataillons ein. Nach dem "Anschluss" Österreichs (1938) übernahm die deutsche Wehrmacht die Stiftskaserne.
1943/1944 wurde im Akademiehof ein Flakturm errichtet. Während der Besatzungszeit war die Stiftskaserne amerikanischen Truppen zugeordnet (auch Militärpolizei). Wie schon in der Zwischenkriegszeit belegten ab 1955 österreichische Truppen und später auch Teile des Verteidigungsministeriums die Kaserne, die auch wieder für Kurs- und Schulungszwecke herangezogen wurde. Aus der Stabsakademie entstand 1967 die "Landesverteidigungsakademie", die im Sappeurtrakt ihre Heimstätte fand. Im Sappeurhof (zwischen Küchentrakt [erbaut 1876] und Mitteltrakt) fand 1973 ein Franz-Joseph-Denkmal Aufstellung (zuvor im Hof einer Wiener Mittelschule). In den 1980er Jahren forderten Stadtplaner eine andere Nutzung der Baulichkeiten. 1991 wurde die Stiftskaserne in Amtsgebäude Stiftgasse umbenannt.
Literatur
- Die Kasernen Österreichs. Hg. vom Heeresgeschichtlichen Museum, Militärwissenschaftliches Institut. Band 1: Manfried Rauchensteiner / Erwin Pitsch: Die Stiftskaserne in Krieg und Frieden. Wien: Bundesministerium für Landesverteidigung 1977
- Friedrich Gatti: Geschichte der k.u.k. Technischen Militär-Akademie. Wien: Kaiser 1901
- Elfriede Faber: Mariahilf und Neubau. Zaltbommel : Europäische Bibliothek 1989 (Wien in alten Ansichtskarten ), S. 48
- Elfriede Faber: Neubau. Geschichte des 7. Wiener Gemeindebezirks und seiner alten Orte. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1992 (Wiener Heimatkunde, 7)
- Hans Rotter: Neubau. Ein Heimatbuch des 7. Wiener Gemeindebezirkes. Wien: Deutscher Verlag für Jugend und Volk 1925, S. 76 f.
- Wolfgang Mayer: VII. Neubau. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1983 (Wiener Bezirkskulturführer, 7), S. 56 f.
- Technischer Führer durch Wien. Hg. vom Österreichischen Ingenieur- und Architekten-Verein. Red. von Martin Paul. Wien: Gerlach & Wiedling 1910, S. 435 ff.
- Bundesdenkmalamt [Hg.]: Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreichs. Wien. II. bis IX. und XX. Bezirk. Wien 1993, S. 288 f.
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 1: Geschichte, historische Hilfswissenschaften, Festungswerke und Kriegswesen, Rechtswesen, Kulturgeschichte, Sittengeschichte. Wien: Touristik-Verlag 1947, S. 129