Otto Stoessl
Otto Stoessl, * 2. Mai 1875 Wien, † 15. September 1936 Wien, Jurist, Beamter (Eisenbahnministerium), Schriftsteller.
Biografie
Otto Stoessl war der Sohn des aus einer Brünner Rabbinerfamilie stammenden Arztes Adolf Stoessl. Er studierte an der Universität Wien (Dr. jur. 1900) und hörte danach philosophische, kunsthistorische und philologische Vorlesungen. Als Beamter bei der Kaiser-Ferdinand-Nordbahn tätig, widmete er sich schon frühzeitig seinen literarischen Neigungen. Mit seinem Freund Robert Scheu verfasste er die Dramen "Waare" (1897) und "Tote Götter" (1898). Um diese Zeit lernten Scheu und dann auch Stoessl Karl Kraus kennen. Als Anhänger Hermann Bahrs stand Stoessl Kraus nach dessen Satire "Die demolirte Literatur" von 1897 erst ablehnend gegenüber. Dass Kraus sich allerdings für die Autorenrechte von Scheu und Stoessl und gegen die Macht von Theaterdirektionen, die auch den beiden Autoren Schwierigkeiten machte, einsetzte, führte zu einer Annäherung.
Mit Stoessls Antwort auf Kraus' Bitte um einen Beitrag für die Zeitschrift "Fackel" begann 1902 ein bis 1925 andauernder Briefwechsel, der von enger Freundschaft und gegenseitigem Einfluss zeugt. Zwischen 1903 und 1911 erschienen fünf Gedichte, fünfzehn Essays und eine Erzählung von Stoessl in der "Fackel". Auch nach dem letzten (edierten) Brief von 1925 besuchte Stoessl Vorlesungen von Kraus – 1936 wusste er von dessen Offenbach-Vorlesungen zu berichten, die erst zwischen 1926 und 1931 stattfanden. Bis mindestens 1931, als Stoessl auch einen Aufruf zur Gründung eines "Theaters der Dichtung Karl Kraus" unterzeichnete, gehörte er zu den regelmäßigen Lesern der "Fackel".
Stoessl schuf ein umfangreiches Prosawerk in der Tradition des Realismus ("In den Mauern", 1907; "Morgenrot", Roman, 1912; "Das Haus Erath", Roman, 1920; "Sonnenmelodie", ein Roman über den Komponisten Josef Matthias Hauer, 1923). Hinzu kamen Erzählungen und Novellen, formstrenge Lyrik ("Antike Motive", 1928) und Essays zu Gottfried Keller, Conrad Ferdinand Meyer, Adalbert Stifter und anderen. Ab 1919 war Stoessl Burgtheaterkritiker der Wiener Zeitung. Ab 1933 erschien eine Werkausgabe in vier Bänden.
Nach seiner Heirat mit Auguste Frauenberger (1910) übersiedelte er nach Hacking. 1912 zog er mit seiner Frau und seinem Sohn Franz in ein von seinem Freund Adolf Loos erbautes und eingerichtetes Haus (das sogenannte Haus Stoessl) im 13. Bezirk in der Matrasgasse 20, in dem er bis zu seinem Tod im Wiedner Krankenhaus lebte. Am 14. Oktober 1981 wurde eine am Haus angebrachte Gedenktafel enthüllt.
1955 wurde die Stoesslgasse in Wien-Hietzing nach dem Schriftsteller benannt. (Sein Grab am Ober-St.-Veiter Friedhof wurde laut Bürgermeister-Entschluss von 28. April 1983 ehrenhalber durch die Stadt Wien in Obhut genommen.)
1982 stiftete Franz Stoessl den Otto-Stoessl-Literaturpreis, der alle zwei Jahre in Graz an deutschsprachige AutorInnen vergeben wird.
Quellen
- Karl Kraus / Otto Stoessl: Briefwechsel 1902−1925. Hg. von Gilbert J. Carr. Wien: Deuticke 1996
Literatur
- Gilbert J. Carr: Einleitung: Karl Kraus und Otto Stoessl. In: Karl Kraus / Otto Stoessl: Briefwechsel 1902–1925. Hg. von Gilbert J. Carr. Wien: Deuticke 1996, S. 11–32
- Isabella Ackerl / Friedrich Weissensteiner: Österreichisches Personenlexikon [der Ersten und Zweiten Republik]. Wien: Ueberreuter 1992
- Murray G. Hall / Gerhard Renner: Handbuch der Nachlässe und Sammlungen österreichischer Autoren. Wien [ u.a.]: Böhlau 1992 (Literatur in der Geschichte, Geschichte in der Literatur, 23)
- Sylvia Mattl-Wurm [Red.]: Interieurs. Wiener Künstlerwohnungen 1830−1930. Wien: Eigenverlag 1990 (Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, 138), S. 168
- Walter Kleindel: Das große Buch der Österreicher. 4500 Personendarstellungen in Wort und Bild, Namen, Daten, Fakten. Unter Mitarbeit von Hans Veigl. Wien: Kremayr & Scheriau 1987
- Christoph Heinrich Binder: Otto Stoessl. In: Briefmarkenabhandlung der Postdirektion anläßlich des Erscheinens von österreichischen Briefmarken, 03.09.1986
- Hans Heinz Hahnl: Vergessene Literaten. Fünfzig österreichische Lebensschicksale. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1984
- Hans Giebisch / Gustav Gugitz: Bio-Bibliographisches Literaturlexikon Österreichs von den Anfängen bis zur Gegenwart. Wien: Hollinek 1963
- Magda Maetz: Otto Stoessl. Sein Leben und seine Jugendwerke. Diss. Univ. Wien. Wien 1948
- Herta Mreule: Otto Stoessls spätere Schaffensperiode. Diss. Univ. Wien. Wien 1948
- Franz Planer [Hg.]: Das Jahrbuch der Wiener Gesellschaft. Biographische Beiträge zur Wiener Zeitgeschichte. Wien: F. Planer 1929
Weblinks
- Wikipedia: Otto Stoessl [Stand: 19.03.2024]
- Wikipedia: Otto-Stoessl-Preis [Stand: 19.03.2024]
- Austria-Forum: Otto Stoessl [Stand: 19.03.2024]