Ringstraßenwettbewerb Projekt Nr.66

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Ringstraßenprojekt Nr. 66, 1858
Daten zum Eintrag
Datum vonDatum (oder Jahr) von 31. Jänner 1858
Datum bisDatum (oder Jahr) bis 31. Juli 1858
Siehe auchVerweist auf andere Objekte im Wiki  Ringstraße, Glacis
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Letzte Änderung am 11.09.2024 durch WIEN1.lanm08trj
BildnameName des Bildes Ringstraßenprojekt Sicard Nüll.jpg
BildunterschriftInformation, die unterhalb des Bildes angezeigt werden soll Ringstraßenprojekt Nr. 66, 1858

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Devise: Sustine et Abstine.


Verfasser: August Siccard von Siccardsburg und Eduard van der Nüll


Projekt Nr. 66 wurde am 31. Juli 1858 im Ministerium des Innern abgelegt, und darin das einzige Mal erwähnt, welchen Umfang ("Vier Piecen.") das Projekt hatte.[1] Am 20. November 1858 überbrachte der kommissionelle Berichterstatter Moritz Löhr das Urteil, dass das "…Projekt bei der Beurtheilung über die preiswürdigen Pläne der Schlussfassung der Gesamtcommission zu unterziehen…"[2] wäre.

Siccardsburg und van der Nüll reichten zwei Situationspläne ein, wovon das Projekt in zwei leicht unterschiedlichen Stadien in verschiedenen Maßstäben dargestellt wurde. Im ausgegebenen Plan zeigten sie das Projekt im vorgegebenen Maßstab (1":40°) während sie auf dem mehr als viermal so großen Plan die Vorstellungen detaillierten präsentieren konnte. Daneben gaben sie als Übersichtsplan Teile des Planes von 1832 sowie ein Riesenbild (187x238 cm) mit vier isometrischen Darstellungen ab.


Städtebaulicher Entwurf

Vier Leitprinzipien bestimmten den Entwurf des Architektenduos, die sie zu Beginn ihrer Denkschrift darlegten: Schonung der Innenstadt durch nur notwendige, möglichst geringe Straßenerweitungen; keine Stadterweiterung zum Donauarm hin; private Bauunternehmungen nur dort zulassen, wo qualitativ günstige Bodenverhältnisse vorhanden sind; die größtmögliche Ausnutzung des Bodens zur Gewinnmaximierung.
Den Boulevard legten die beiden direkt über den Stadtgraben, da sie diese Flächen als die unbrauchbarsten Bauplätze befanden. Lediglich die Oper mit ihren tiefen Kellern wäre geeignet, dorthin verlegt zu werden. Durch diese Lage tangierte die neue Prachtstraße an mehreren Passagen das Stadtgefüge der inneren Stadt. Der polygonale Verlauf des Boulevards endete abrupt bei der Franz-Josefs-Kaserne und wurde vor dem Militärbau als einfache Straße in Glacismitte bis zum Franz-Josefs-Kai geführt. Die Architekten gingen anscheinend davon aus, dass die damals noch junge Kaserne in naher Zukunft demoliert werden würde. Ihre Baufelder waren nicht stringent orthogonal ausgelegt, sondern wurden durch die bestehenden Straßen bedingt. Am Getreidemarkt und vor dem Fischerthor wurden auf orthogonalem Raster, der von Diagonalen durchzogen war, regelmäßige Blöcke angelegt. Die Bereiche vor dem Fischerthor und dem Kärntnerthor wurden den Leitprinzipien entsprechend vollständig als Bauflächen ausgenutzt, an den übrigen Stellen wurden in konzentrierter Form gestaltete Grünflächen eingefügt. Sicardsburg und van der Nüll entwickelten bevorzugt symmetrische Figurationen. Der Platz zwischen Hofburg und Hofstallungen wurde mit vier Flügelbauten gefasst, seine Breite entsprach der Fassade der Hofstallungen. Wo öffentliche Grünflächen an die Ringstraße stießen, sollten monumentale Bauten die Stelle akzentuieren, deren Schauseiten sollten von den Freiflächen der Ringstraßenzone aus als grandiose Prospekte definiert sein.
Auf dem ersten Situationsplan "Project" übernahmen die beiden Planer noch den Grundriss des von ihnen konzipierten Universitätsgebäudes. In ihrem zweiten Situationsplan "Detail-Plan" schlugen sie einige Veränderungen vor. Gärten wurden durch Wohnbauten ersetzt, die Kreuzung von fünf Straßen beim Getreidemarkt verschwand und es waren einige Grundrisse, auch jener der Universität verändert worden.
Der ideale Zustand der erweiterten Stadt Wien ist auf ihren isometrischen Ansichten anschaulich dargestellt. Neben den Universitätsgebäuden mit der Votivkirche wurden die Kaserne an der Augartenbrücke, das Opernhaus mit der Hofbibliothek und dem Reichsarchiv sowie die kaiserliche Hofburg mit den Museen als Schaubilder dargestellt. Offenbar haben sie bis zum Ende der Einreichfrist an dieser Tafel gearbeitet, denn das Gebäude des Gerichtshofes auf dem Schaubild der Votivkirche wurde – wohl aus Zeitnot – nicht mehr fertiggezeichnet. Während die monumentalen öffentlichen Gebäude meist mit nur drei, aber sehr hohen Geschoßen dargestellt sind, weisen die Wohnbauten vier aber auch fünf Geschoße auf. Die gezeigten Monumentalbauten – Votivkirche, Opernhaus, Kaserne und Hofburg – sind freistehend und mit Grünräumen umgeben, die kleinere Bauwerke (Brunnen, Monumente, etc.) aufnehmen. Während im Grundriss der Boulevard und seine Baumalleen in einem anschaulichen Verhältnis dargestellt sind, wirken die Baumreihen auf den isometrischen Darstellungen unproportioniert klein, die Mittelfahrbahn hingegen überaus breit.
Sicardsburg und van der Nüll wollten neben dem geforderten Bauprogramm noch weitere Funktionsbauten erstellen, darunter Unterhaltungsorte, eine Badeanstalt, eine Schule und ein Gymnasium sowie einen Gerichtshof.
Als Vergleichsstadt wurde einzig Paris angeführt, damit sich die Leser von Plan und Denkschrift Vergleichsbauten und -räume vorstellen konnten. Diese virtuelle 1:1-Erfahrung erwarteten sie etwa vom Besucher, als sie das Marsfeld (Champ de Mars) erwähnten. Darüber hinaus nannten sie die in ihren Augen falsch konzipierten Halles Centrales als Negativbeispiel, denn sie wollten die Markthallen "an verschiedenen Punkten der Stadt vertheilt und nicht centralisirt" errichten lassen.
In der Innenstadt blieb sichtlich kein Block von ihren Verbesserungsvorschlägen unberührt, obwohl, laut eigenen Aussagen, ihr oberstes Prinzip darin bestand, die bestehende Stadt möglichst vor Eingriffen zu schonen. Das Ausmaß zeigt der Detailplan im Maßstab 1":20° (heute 1:1.440). Noch ein weiteres ihrer Prinzipien missachteten sie. Obschon sie eigentlich keine Stadterweiterung in Richtung Donau anstrebten, schlagen sie in ihrem Gesamtstadtplan etwas anderes vor. In der Leopoldstadt – wie auch in anderen Vorstädten – sahen sie Regulierungs- und Parzellierungsarbeiten vor, und es wurden neue Straßen durch das bestehende Stadtgefüge durchgebrochen oder bestehende zumindest verbreitert, Baublöcke ausgewiesen und eine neue Brücke über den Donauarm projektiert. Aufgrund der Zeitungsmeldung über die Demolierung des Linienwalls rasierten sie in ihren Plänen die Erdwälle, legten eine Barriere in Form eines Zaunes an, der auf beiden Seiten von breiten Straßen (Circumvallationsstraßen) begleitet wurde. Auf der Stadtinnenseite reichten die Blöcke bis an die innere Circumvallationsstraße heran, die Außenseite wurde hingegen nicht beplant, doch schlugen sie an dieser Stelle eine Bebauung mit Vorgärten vor – eine Typologie, die in der inneren Stadt wegen der hohen Preise nicht möglich gewesen wäre.


Stellenwert

Die herausragende Qualität der Plandarstellung, die Größe und der Detaillierungsgrad luden die Besucher und Juroren besonders ein, die Pläne von Sicardsburg und van der Nüll genau zu studieren. Die Vorstellungen der beiden Architekten, wie das zukünftige Wien aussehen sollte, konnten sie mit ihren Schaubildern bestens vermitteln. Die öffentlichen Räume waren in klaren Formen gestaltet, ihre städtebauliche und architektonische Prämisse war die Symmetrie. Die beiden Kirchen am Glacis – die Votivkirche und eine neue Kirche im Quartier am Getreidemarkt – entsprechen der vorherrschenden Meinung, dass monumentale Kirchen wie auch andere Sonderfunktionsbauten frei stehen sollen. Dem entsprechen auch ihre Regulierungsvorschläge der Innenstadt. Rigoros wurden die Kirche am Hof und auch die Michaelerkirche freigestellt oder teilfreigestellt, die Minoritenkirche wurde sogar nach deren Abbruch an derselben Stelle neu errichtet und neu ausgerichtet. Neben der ökonomischen Flächenverwertung zeichneten den Entwurf der beiden Architekten vor allem zwei Charakteristika aus, die später auch in den endgültigen Grundplan einfließen sollten: Zum einen schufen sie die grandiose Platzgestaltung als Forum zwischen Hofburg und Hofstallungen. Zum anderen legten sie im Norden den Boulevard so an, dass er nicht auf die Kaserne ausgerichtet wurde, sondern südlich davon an den Donaukanal reichte. Das ermöglichte es ihnen, den Ring um die Stadt zu schließen.[3]


Siehe auch:


Quellen


Einzelnachweise

  1. Österreichisches Staatsarchiv, AVA, STEF, Karton 2, Faszikel Nr. 6816/M.I. 643-1858
  2. Österreichisches Staatsarchiv, AVA, Präsidialakte, Fasz. 119 ad11801/1858
  3. Zum Ringstraßenwettbewerb siehe: Harald R. Stühlinger, Der Wettbewerb zur Wiener Ringstraße, Birkhäuser, Basel 2015