Schiffsmühlen

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Schiffsmühlen, als wichtiger Industriezweig dargestellt in "Die österreichisch-ungarische Monarchie" (Kronprinzenwerk), 1886.
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Letzte Änderung am 29.05.2020 durch WIEN1.lanm08swa
BildnameName des Bildes Schiffsmühlen Monarchie WGW.jpg
BildunterschriftInformation, die unterhalb des Bildes angezeigt werden soll Schiffsmühlen, als wichtiger Industriezweig dargestellt in "Die österreichisch-ungarische Monarchie" (Kronprinzenwerk), 1886.


für Wien charakteristische Mühlen, die an den Donauarmen in größerer Zahl vorhanden waren. Schiffsmühlen bestanden aus zwei Schiffen, dem breiten Hausschiff auf dem sich das Mahlwerk befand und dem schmalen Waidschiff. Zwischen den beiden Schiffen war das Wasserrad befestigt, das etwa einen Durchmesser von etwa fünfeinhalb Metern besaß. Die Schiffsmühlen waren mit Seilen und Eisenketten am Ufer befestigt und mittels eines Stegs mit diesem verbunden. Die Konstruktion der Schiffe und des Wasserrads war stark an die Strömungsbedingungen der Flüsse angepasst. An der Wiener Donau waren die Räder mit unter fünf Metern im Vergleich zu anderen Flüssen relativ schmal und die Schiffe waren mit einem spitzen Bug ausgestattet - dies hat mit der vergleichsweise hohen Strömungsgeschwindigkeit zu tun. Schiffsmühlen befanden sich oft am konkaven Ufer schmaler und tiefer Flussarme, da dort die vorteilhaftesten Bedingungen für deren Antrieb herrschten. Die Drehungen des Wasserrads wurden direkt auf die Mühlsteine übertragen, die Strömungsgeschwindigkeit bestimmte, ob sich die Mühlsteine schneller oder langsamer drehten. An Land befanden sich, meist mit etwas Entfernung zum Ufer die Wohnhäuser der Müllersfamilien sowie direkt am Ufer ein Magazin für Mahlgut, Mahlprodukte und Geräte. Dieses Gebäude wurde auf Säulen gestellt, um es vor Überschwemmungen zu schützen.

Schiffsmühlen an der regulierten Donau (Media Wien).

Im Winter wurden die Schiffsmühlen zum Schutz vor dem Einfrieren an Land gezogen und dort zerlegt. Die Mühlen wurden meist Anfang Dezember abgetragen (ein Sprichwort besagte: "Nikolaus baut Mühlen aus!") und Anfang März wieder aufgebaut. Im Winter führten die Müller Ausbesserungsarbeiten durch. Für das Herausziehen der Mühle aus dem Fluss war die Arbeitskraft von circa 20 Männern notwendig, die Schiffsmüller-Gemeinschaft musste zusammen helfen. Für das Abtragen arbeiteten etwa 12 Personen zusammen. Jedes Jahr mussten die Schiffsmüller erneut bei der Grundherrschaft um die als 'Haftplätze' bezeichneten Anlegeplätze ansuchen und diese bezahlen. Der erste Haftplatz in einer Reihe von Schiffsmühlen war am vorteilhaftesten. Durch das Herausnehmen der Schiffsmühlen im Winter und die Neuvergabe der Haftplätze im Sommer konnte die Bevorzugung einzelner Müller vermieden werden.

Die meisten Schiffsmühlen wurden für die Verarbeitung von Getreide genutzt, aber es wurden auch Walzmühlen, Säge- und Farbholzmühlen betrieben. Vermahlen wurden Roggen, Weizen, Gerste und Mais. Schiffsmühlen konnten durch die beständig verfügbare, starke Antriebskraft der Donau große Mengen Getreide sehr rasch vermahlen, aber die Qualität des Mehls galt im Vergleich mit festen Mühlen als minderwertiger. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts konzentrierten sich die Wiener Schiffsmüller auf die Vermahlung von Roggen, der zu Schwarzbrot verarbeitet und vor allem von der ärmeren Bevölkerung konsumiert wurde. Roggenmehl konnte auf den Schiffsmühlen günstiger produziert werden, als in den neuen Dampfmühlen. Die Bedeutung der Schiffsmühlen für die Lebensmittelversorgung der wachsenden städtischen Bevölkerung ist daher nicht zu unterschätzen.

Schiffsmühlen mit nachgelagerten Magazinen bei Zwischenbrücken, dargestellt im Franziszeischen Kataster.

Die ältesten Mühlen sind zur Zeit der ersten Türkenbelagerung 1529 nachgewiesen. Die Müller der Schiffsmühlen waren ab 1674 in einer eigenen Zunft, der Asperner Schiffmüllerzeche, organisiert. Die Müllerordnung von 1672, erlassen von Leopold I., begrenzte die Zahl der Schiffsmühlen bei Wien auf 38. Zur Zeit der Seelenkonskription und Hausnummerierung von 1770/1771 wurden 20 zwischen den Brücken nächst Wien gelegene Schiffsmühlen verzeichnet; an ihnen waren die Hausnummern ihrer Besitzer anzubringen und sie wurden in die Verzeichnisse jenes Orts eingetragen, in dem sich das Haus des Besitzers befand (sechs in Leopoldau, zwölf in Wien und zwei in Rodaun). Kleine Gruppen von Schiffsmühlen fanden sich an vielen verschiedenen Orten in der weitverzweigten Flusslandschaft. Um 1820 befanden sich beispielsweise in Floridsdorf oberhalb der Kaiserwasserbrücke sieben Mühlen, am Südufer des sogenannten Totenköpfels drei Mühlen, an der Domwiese und am Fischerhaufen 14 Mühlen, am Biberhaufen fünf Mühlen und am Bruckhaufen sieben Mühlen. Bekannt sind die Kaisermühlen bei Stadlau, die im Besitz des Kaiserhauses waren und an Tschaikistenoffiziere in Ruhestand verpachtet wurden. Sie erzeugten vorwiegend Mehl für die Versorgung des Militärs. Eine weitere größere Gemeinschaft von Schiffsmüllern befand sich in Zwischenbrücken und wurde von der Grundherrschaft des Stifts Klosterneuburg verwaltet. Mit der Mühlenordnung von 1814 wurde, wohl bereits unter dem Eindruck der stark wachsenden städtischen Bevölkerung, das Limit von 38 Schiffsmühlen aufgehoben. Die Zahl der Schiffsmühlen nahm in den folgenden Jahrzehnten beständig zu. Um 1830 bestanden mehr als 50 Schiffsmühlen, 1870 waren es über 60. 1848 wurde die Schiffsmühlenzeche im Zuge der Reform der Gewerbeordnungen aufgelassen und stattdessen die Wiener Schiffsmühlengenossenschaft gegründet.

Die Schiffsmüller befanden sich seit jeher in Konflikt mit der Schifffahrt. Vor allem bei der Naufahrt, bei der die Zugseile über die Schiffsmühlen geführt werden mussten, kam es immer wieder zu Problemen. Haftplätze waren nur dort erlaubt, wo die Schifffahrt nicht behindert wurde. Im Donaukanal waren Schiffsmühlen aus diesem Grund verboten.

Schiffsmühlen an der regulierten Donau in der Schwarzlackenau während eines Eisstoßhochwassers, wohl in den 1880er oder 1890er Jahren.

Wiener Schiffsmüller betrieben ihre Gewerbe in einer hoch dynamischen Flusslandschaft, sie mussten mit Hochwasserereignissen, Eisstoßgefahr und anderen Ansprüchen an die Nutzung des Flusses und der Aulandschaft umgehen. Nach Überschwemmungen und der dabei auftretenden Umlagerung von Flussarmen mussten die Schiffsmüller oft neue Standorte suchen. Dies wird besonders beim Eisstoßhochwasser von 1830 deutlich, in dessen Folge die meisten Haftplätze der Schiffsmühlen bei Zwischenbrücken verlandeten. Die Müller überstellten ihre Mühlen an das linke Ufer des Hauptarms, an das Mühlschüttel und die Leopoldauer Haide. Am neuen Standort waren die Schiffsmühlen für die Bauern aus dem Marchfeld gut erreichbar. Es war einer Kombination aus guten Strömungsbedingungen, guter Verkehrsanbindung und der Konzentration auf die Verarbeitung von Roggen zu verdanken, dass die Zahl der Schiffsmühlen bei Wien in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ihren Höhepunkt erreichte.

Die vorrangigen Ziele der Donauregulierung 1870-1875 waren ein Ausbau der Donau als Wasserstraße für den Verkehr von großen Dampfschiffen sowie Stabilisierung der Ufer, Hochwasserschutz und die Gewinnung neuer Flächen für die Expansion der Stadt. Die Interessen der Schiffsmüller wurden zwar von der Donauregulierungskommission diskutiert, die schließlich umgesetzte Variante war allerdings für die Schiffsmüller sehr ungünstig. Zwar wurden ihnen neue Haftplätze in der Freudenau und in der Schwarzlackenau zugeteilt, im begradigten Flussbett waren allerdings die Strömungsbedingungen unvorteilhaft und die Transportwege und Erreichbarkeit eingeschränkt. Die Zahl der Schiffsmühlen ging rasch zurück. Nach dem ersten Weltkrieg bestanden noch sieben Mühlen. Anstelle von Roggen waren in den Kriegsjahren vor allem Ersatzstoffe wie Kakao-, Sonnenblumenkern- und Nussschalen gemahlen worden. Die letzte Schiffsmühle wurde am 10. Jänner 1935 aufgelassen. Sie gehörte Carl Hiedl, dem letzten Vorsteher der Schiffsmüller-Genossenschaft Wien und befand sich am rechten Donauufer in der Freudenau.

Wappen der Schiffmüller

Wappen der Schiffmüller von Hugo Ströhl 1904/1910.

1904 hat der Heraldiker Hugo Gerard Ströhl Wappen der Genossenschaften vorgelegt, die zur künstlerischen Innenausstattung der Versorgungsheimkirche dienten. Das Wappen der Schiffmüller hat folgendes Aussehen:

In Blau eine in silbernem Wasser vor einem grünen Ufer verankerte braune Schiffmühle mit goldenem Mühlrad, das Dach besteckt mit zwei rotsilbernen Fähnchen und von dem Wiener Kreuzschildchen überhöht. Im Wasser schwimmen drei 2:1 gestellte, blaugeschuppte, rotbeflosste Fische mit goldenen Augen.

Literatur

  • Jakob Dont: Das Wiener Versorgungsheim. Eine Gedenkschrift zur Eröffnung. Wien: Verlag der Gemeinde Wien 1904, Taf. V
  • Jakob Dont [Hg.]: Der heraldische Schmuck der Kirche des Wiener Versorgungsheims. Mit dem Anhang: Beschreibung der Siegel der ehemaligen Wiener Vorstädte und Vorort-Gemeinden. Wien: Gerlach & Wiedling 1910, S. 28, Taf. V
  • Christina Spitzbart-Glasl: Feste Wassermühlen und Schiffsmühlen als Bestandteil der Wiener Gewässerlandschaft. In: Máté Tamáska, Csaba Szabó (Hg.): Donau-Stadt-Landschaften. Beiträge der Tagungen in Wien (16.04.2014) und Budapest (23.-24.01.2015). Lit Verlag, Berlin 2016, S. 271-275.
  • Anton Tantner: Die Hausnummern von Wien. Der Ordnung getreue Zahlen. Weitra: Bibliothek der Provinz 2016 (Enzyklopädie des Wiener Wissens, XXIV), S. 51 f.
  • Sabine Bergauer und Gabriele Hrauda: Leben mit der Donau. Schiffmühlen von Wien bis Bratislava. Böhlau, Wien - Köln - Weimar 2011, S. 8-53.
  • Christine Pörner: "Zwischen den Donaubrücken nächst Wien" Eine kulturhistorische Untersuchung über Schiffsmüller und deren Umfeld im 19. Jahrhundert. Dissertation an der Universität Wien, 2000.
  • Hans Smital: Geschichte der Großgemeinde Floridsdorf umfassend die Orte Floridsdorf, Jedlesee, Donaufeld und das Jedlersdorfer Fabriksgebiet. Verlag der Gemeinde, Floridsdorf 1903, S. 192-203, 233-245, 306-315, 333-341.
  • Robert Weissenberger: Wiener Nutzbauten des 19. Jahrhunderts als Beispiele zukunftsweisenden Bauens. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1977 (Wiener Schriften, 38), S. 89 f.
  • Daniela Gräf: Boat Mills in Europe from Early Medieval to Modern Times. Landesamt für Archäologie mit Landesmuseum für Vorgeschichte, Dresden 2006, S. 327-328.