Stella Kadmon
Stella Kadmon, * 16. Juli 1902 Wien, † 12. Oktober 1989 Wien, Kabarettistin, Schauspielerin, Kabarett- und Theaterdirektorin.
Biografie
Stella Kadmon kam als Tochter des aus Belgrad stammenden Moritz Kadmon und seiner Ehefrau Malvine, geborene Nelken, in Wien zur Welt. Ihr Vater war ein Beamter und Ingenieur, ihre Mutter eine ausgebildete Konzertpianistin, die diesen Beruf allerdings nicht ausübte, sondern zeitweise als Musikpädagogin tätig war.
Von 1919 bis 1922 studierte Stella Kadmon an der Staatsakademie für Musik und darstellende Kunst. Ihre ersten Engagements führten sie an das Linzer Landestheater (1922/1923) und das Deutsche Theater in Mähren-Ostrau (1924/1925). Es folgten Auftritte in Deutschland und in Wien, wo sie unter anderem in Stücken von Fritz Grünbaum zu sehen war.
Inspiriert von Werner Fincks "Katakombe" in Berlin, gründete sie gemeinsam mit Kollegen, darunter der Textautor Peter Hammerschlag, im Keller des Café Prückel das Kabarett "Der Liebe Augustin". Das am 7. November 1931 eröffnete Theater, an dem beispielsweise Franz Eugen Klein als Hauskomponist engagiert war, galt als die erste politisch-literarische Kleinkunstbühne in Wien. Ab 1933 traten im "Lieben Augustin" auch zahlreiche ExilantInnen aus Deutschland auf. Stella Kadmon war nicht nur Direktorin des "Lieben Augustin", sondern stand auch selbst auf der Bühne.
Mit dem "Anschluss" 1938 musste das Kabarett schließen und Stella Kadmon, Jüdin im Sinne der "Nürnberger Gesetze", flüchtete über Jugoslawien und Griechenland nach Palästina. Im Exil gründete sie, nachdem sie Hebräisch gelernt hatte, ein hebräisch-sprachiges Kabarett, veranstaltete aber auch deutschsprachige Programme und gab Lesungen und Chansonabende. Zudem engagierte sie sich in der "Free Austrian Movement".
1947 kehrte Stella Kadmon nach Wien zurück. Nachdem sie ihre Theaterkonzession zurückerkämpft hatte, bemühte sie sich wieder um die Direktion des "Lieben Augustin", der seit 1945 von Fritz Eckhardt und Carl Merz geleitet wurde. Nach anfänglichen Misserfolgen erzielte sie im April 1948 mit Bert Brechts "Furcht und Elend des dritten Reiches" einen durchschlagenden Erfolg. Stella Kadmons Bühne zählte damit zu den ersten, die sich künstlerisch mit der Vergangenheitsbewältigung auseinandersetzten. Die Kabarettbühne "Der Liebe Augustin" wurde in Theater der Courage umbenannt und legte den Fokus auf Gegenwartsliteratur und Stücke neuer AutorInnen. Zahlreiche Plakate des "Theater der Courage" befinden sich in der Plakatsammlung der Wienbibliothek im Rathaus. Stella Kadmon leitete das Theater bis 1981, als es mit Ende des Jahres endgültig die Pforten schließen musste.
Stella Kadmon gilt als eine der bedeutendsten Theaterpersönlichkeiten der Zwischen- und Nachkriegszeit. Sie hatte maßgeblichen Anteil an der Entwicklung der Kleinkunst- und Kellerbühnen in Österreich. Unter ihrer Direktion wurden zahlreiche Erst- und Uraufführungen gezeigt sowie junge SchauspielerInnen und RegisseurInnen gefördert. Für ihr Wirken erhielt sie mehrere Auszeichnungen. 1996 widmete ihr das Jüdische Museum Wien eine Schau. Eine Gedenktafel und der nach ihr benannte Stella-Kadmon-Weg erinnern an die Prinzipalin.
Quellen
Meldezettel von Stella Kadmon (WStLA, BPD Wien: Historische Meldeunterlagen, K11)
Literatur
- Ilse Korotin [Hg.]: biografiA. Lexikon österreichischer Frauen. Band 2. Wien/Köln/Weimar: Böhlau Verlag 2016, S. 1533 f.
- Barbara Nowotny: Theater im Souterrain. Das politische Wiener Theater der 1. Republik. Dipl.-Arb. Univ. Wien. Wien 2010
- Elke Krasny: Stadt und Frauen. Eine andere Topographie von Wien. Wien: Metroverlag 2008, S. 58, 97, 179
- Birgit Peter: Geschichte schreiben und Geschichtsschreibung. Stella Kadmon – eine Wiener Legende. In: Verspielte Zeit. Österreichisches Theater der dreißiger Jahre. Hg. von Hilde Haider-Pregler / Beate Reiterer. Wien: Picus Verlag 1997, S. 247–255
- Henriette Mandl: Cabaret und Courage. Stella Kadmon – Eine Biographie. Wien: WUV Universitätsverlag 1993
- Werner Röder / Herbert A. Strauss: Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933 / International biographical dictionary of Central European émigrés 1933 – 1945. Hg. vom Institut für Zeitgeschichte München und von der Research Foundation for Jewish Immigration. München [u. a.]: Saur 1980–1999
- Patricia Steines: Hunderttausend Steine. Grabstellen großer Österreicher jüdischer Konfession auf dem Wiener Zentralfriedhof. Tor I und Tor IV. Wien: Falter-Verlag 1993, S. 283
- Isabella Ackerl / Friedrich Weissensteiner: Österreichisches Personenlexikon der Ersten und Zweiten Republik. Wien: Ueberreuter 1992
- Walter Kleindel: Das große Buch der Österreicher. 4500 Personendarstellungen in Wort und Bild, Namen, Daten, Fakten. Unter Mitarbeit von Hans Veigl. Wien: Kremayr & Scheriau 1987
- Herbert Lederer: Bevor alles verweht... Wiener Kellertheater 1945–1960. Wien: Österr. Bundeverlag 1986, S. 58 ff. und Register
- Hans Veigl: Lachen im Keller. Von den Budapestern zum Wiener Werkel. Kabarett und Kleinkunst in Wien. Wien: Löcker 1986, S. 175 f.
- Wienbibliothek im Rathaus / Tagblattarchiv: Kadmon, Stella [Sign.: TP 023365]
- Oesterreichisches Musiklexikon online: Kadmon, Stella [Stand: 09.01.2018]
- Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes: Stella Kadmon. Und da stand unser "lieber" Hausmeister in SA-Uniform [Stand: 09.01.2018]
Stella Kadmon im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.