48° 10' 44.58" N, 16° 22' 29.57" E zur Karte im Wien Kulturgut
Die Volksschule Keplerplatz 7 ist eine öffentliche Volksschule im 10. Wiener Gemeindebezirk, Favoriten.
Im selben Gebäude, allerdings mit einem anderen Eingang und deshalb unter der Adresse Keplergasse 11 gelistet, befand sich bis ins Jahr 1993/1994 eine zweite Volksschule für Knaben. Die Volksschule am Keplerplatz 7 wurde hingegen als Mädchenvolksschule gegründet.
Schulgeschichte
Bereits 1867 existierte in der Columbusgasse 10 eine eingemietete Volksschule für Mädchen, die sich später in der Columbusgasse 26 wiederfand. Diese Mädchenvolksschule entstand im Zeitraum zwischen 1865 und 1867 zur Entlastung der Knabenmädchenvolksschule in der Himberger Straße. Unter dem gleichen Schulleiter Johann Meisel übersiedelte die Mädchenvolksschule dann aus der Columbusgasse in das Gebäude am Keplerplatz, in das auch die Knabenvolksschule, die sich zuvor in der Keplergasse 23 befunden hatte und unter der Leitung des Oberlehrers Anton Paullal stand, einzog.
Die Doppelvolksschule Keplerplatz-Keplergasse galt als erste eigentliche Schule des Bezirks Favoriten und findet ihre Niederlassung in einem von der Stadt Wien in Auftrag gegebenen Ziegelrohbau. Die feierliche Schlusssteinsetzung und gleichzeitige Eröffnung der Schule fand Anfang Oktober des Jahres 1871 statt. Somit konnten die Kinder im Pflichtschulalter aus den ehemaligen Klassenzimmern in Privathäusern in das große Schulgebäude übersiedeln. Noch bis 1874 befand sich die Keplergasse innerhalb des 4. Bezirk, Wieden, bevor der 10. Gemeindebezirk als solcher entstand.
Im Schuljahr 1876/1877 führte die sechsstufige Volksschule elf Klassen, welche von insgesamt 743 Schülerinnen besucht wurden. Die größte Klasse umfasste 97 Schülerinnen. Somit waren alle verfügbaren Klassenzimmer voll belegt. Von den Schülerinnen waren sechs dem Augsburger Bekenntnis und 29 der jüdischen Konfession zugehörig. Der Rest der Schülerinnen gehörte der katholischen Konfession an. Die Schule fungierte zudem bis zum Schuljahr 1902/1903 als Religionssammelstelle für Schülerinnen des jüdischen Glaubens. Danach wird auch keine jüdische Lehrperson mehr unter den Lehrkräften aufgelistet.
Schulausstattung
Für den physischen Unterricht standen ein Turnsaal sowie ein Sommerturnplatz zur Nützung bereit, die auch von der Knabenvolksschule im gleichen Gebäude mitbenützt wurden. Eine Dienstwohnung für den Leiter der Schule gab es ebenfalls, allerdings nur bis 1904/1905. Eine kurzzeitig angedachte zugehörige Kinderverwahranstalt, welche bei der Eröffnungsfeier im Gespräch war, wurde nicht verwirklicht.
Mit Stadtratsbeschlusses vom 28. Juli 1904 wurden dann die im zweiten Stock befindliche Oberlehrerwohnung der Mädchenschule zu zwei Lehrerzimmern sowie zu einem Lehrmittelzimmer adaptiert. Aus der Knabenschulkanzlei und dem daran anstoßenden Lehrzimmer wurde ein Turnsaal für die Mädchenschule hergestellt und ein Teil des Ganges zur Garderobe umgestaltet. Die adaptierten Räume wurden in die bereits vorhandene Niederdruckdampfheizungsanlage einbezogen.
Im Jahr 1907 wurde weiters die Schulleiterwohnung samt der Kanzlei zu drei Lehrzimmern umgewandelt und aus dem tiefen Hoflehrzimmer im Erdgeschoß eine Kanzlei und ein Konferenzzimmer geschaffen.
Erster Weltkrieg und Zwischenkriegszeit
Im Verlauf des Ersten Weltkrieges wurden Räumlichkeiten des Schulgebäudes wie vielerorts üblich von der Brot- und Mehlkommission Nummer 5 und 6 genutzt. In den Kriegsjahren war die Mädchenvolksschule Uhlandgasse 1a am Keplerplatz 7 untergebracht.
Obwohl die Schule zumindest in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch als reine Mädchenschule geführt wurde, besuchten Mitte der 1920er Jahre auch fünf Knaben eine Klasse. Gegen Ende der 1920er Jahre wurde eine Sonderklasse für "sprachgestörte Kinder" eingerichtet und unter anderem von der Direktion mitbetreut.
Nationalsozialismus und Nachkriegszeit
Nach dem "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich wurden wie auch an anderen Schulen bereits im Schuljahr 1938/1939 keine jüdischen Schülerinnen mehr aufgeführt.
In der Schulchronik des Jahres 1945 ist ein Eintrag über die Würdigung des Stadtschulratsdirektors Otto Glöckel anlässlich seines zehnten Todestages durch den Altbürgermeister Karl Seitz zu finden.
Im Jänner 1946 kam es aufgrund fehlender Fensterscheiben und der starken Kälte zur vorübergehenden Schulschließung beziehungsweise zu Kurzunterricht. In den folgenden Monaten erhielt das gesamte Gebäude eine neue Verglasung. Im Jahr 1948 wurden zeitweise Schülerinnen aus der Leibnizgasse untergebracht, im weiteren Verlauf bestand Wechselunterricht. Selbiger bestand bedingt durch die Schulrenovierung von 5. September bis zum 26. Oktober 1949 für die Knaben der VS Keplergasse 11.
Spätes 20. Jahrhundert
Im Schuljahr 1986/1987 besuchten die Schule am Keplerplatz insgesamt 164 Schülerinnen und Schüler, davon 79 Knaben und 85 Mädchen, verteilt auf sieben Klassenzimmer. Das Lehrpersonal bestand aus zwölf Personen. Zusätzlich zum regulären Lehrplan wurden Deutschkurse sowie Zusatzunterricht in Türkisch und Serbokroatisch, Legastheniekurse, Haltungsturnen und Spielmusik angeboten. Seit dem Schuljahr 1993/1994 besteht die Volksschule am Keplerplatz 7 ohne weitere Nennung der Keplergasse 11 fort.
Gegenwart
Heute führt die Schule zwölf sogenannte "GEPS"-Klassen (Global Education Primary School) mit einem Schwerpunkt "Englisch als Arbeitssprache" (EAA) und Medienkompetenz. Die Schule wird von rund 255 Schülerinnen und Schülern besucht. Eine bilinguale Klasse (Deutsch/Englisch) besteht ebenfalls. Zum Lehrpersonal gehören zwölf Klassenlehrerinnen und -lehrer, zwei "Native Englisch-Speaking Teachers" und eine türkische Muttersprachenlehrerin, vier Teamlehrerinnen und -lehrer, jeweils eine Religionslehrerin für den römisch-katholischen und den islamischen Religionsunterricht, eine Werklehrerin, eine Sprachheillehrerin sowie eine Beratungslehrerin.
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Stadtschulrat, A9/1 – Standesausweise: Öffentliche Schulen 1916-1945
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Stadtschulrat, B4 – Standesausweise 1876-1915
- Administrations-Berichte des Bürgermeisters der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien Dr. Andreas Zelinka für die Jahre 1865 und 1866. Vorgelegt in der Sitzung des Gemeinderathes vom 26. April 1867. Wien: Selbstverlag des Wiener Gemeinderathes 1867
- Handbuch der Stadt Wien 1992/93. 107. Jahrgang (amtlich redigiert). Wien: Jugend und Volk [1993]
- Verwaltungsbericht der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien im Jahre 1904. Bericht des Bürgermeisters Dr. Karl Lueger. Wien: Gerlach & Wiedling, Buch und Kunstverlag 1906
- Verwaltungsbericht der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien im Jahre 1907. Bericht des Bürgermeisters Dr. Karl Lueger. Wien: Gerlach & Wiedling, Buch und Kunstverlag 1909
- Wienbibliothek Digital: Wiener Kommunalkalender und städtisches Jahrbuch. Wien: Gerlach & Wiedling (1863 bis 1922)
Literatur
- Klemens Dorn: Favoriten. Ein Heimatbuch des 10. Wiener Gemeindebezirkes. Wien: Deutscher Verlag für Jugend und Volk 1928.