Synagoge der Israelitischen Kultusgemeinde 21, Holzmeistergasse 12

Aus Wien Geschichte Wiki
(Weitergeleitet von Vorstadttempel)
Wechseln zu:Navigation, Suche
Rekonstruierte Innenansicht des Floridsdorfer Tempels.
Daten zum Bauwerk
Art des Bauwerks Synagoge
Datum vonDatum (oder Jahr) von 1877
Datum bisDatum (oder Jahr) bis 1938
Andere BezeichnungAndere Bezeichnung für diesen Eintrag Vorstadttempel
Frühere Bezeichnung
Benannt nach
Einlagezahl 29, 232
Architekt Andreas Streit, Johann Schäffer
Prominente Bewohner
Wien Geschichte WikiIdentifier/Persistenter URL zur Seite  50237
GNDGemeindsame Normdatei
WikidataIDID von Wikidata
Siehe auchVerweist auf andere Objekte im Wiki  Jüdische Geschichte
RessourceUrsprüngliche Ressource 
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 21.05.2024 durch WIEN1.lanm09fri
BildnameName des Bildes Floridsdorfer Tempel Innen.jpg
BildunterschriftInformation, die unterhalb des Bildes angezeigt werden soll Rekonstruierte Innenansicht des Floridsdorfer Tempels.
  • 21., Holzmeistergasse 12
  • 21., Freytaggasse 5

Derzeit wurden noch keine Konskriptionsnummer zu diesem Bauwerk erfasst!

Die Karte wird geladen …

48° 15' 25.58" N, 16° 24' 11.96" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Der Synagogenkomplex der Israelitischen Kultusgemeinde (21., Holzmeistergasse 12, Heinrich-Schindler-Gasse 5, heute: Freytaggasse), vormals der "Israelitischen Cultusgemeinde Floridsdorf" gehörig, wurde in den Jahren 1875 bis 1877, nach Plänen von Andreas Streit und Johann Schäffer in Anlehnung an den Stil des historisierenden Klassizismus und an der Ostfassade im Renaissancestil gestaltet, erbaut und bot Sitzplätze für 234 Männer und 156 Frauen. Die Synagoge war mit ihren Zubauten das religiöse, soziale und kulturelle Zentrum der Jüdinnen und Juden der ehemaligen Großgemeinde und des späteren 21. Wiener Bezirks Floridsdorf. Sie war auch Sitz einiger jüdischer Vereine. Die Synagoge wurde bereits vor dem Novemberpogrom von NSDAP-Organisationen zweckentfremdet genutzt und daher nicht zerstört. Heute steht an der Stelle der ehemaligen Synagoge ein von der Stadt Wien errichtetes Personalwohnheim des Floridsdorfer Krankenhauses.[1]
Der Synagoge der Israelitischen Kultusgemeinde 21, Holzmeistergasse 12, Heinrich-Schindler-Gasse 5 waren unter der Adresse Holzmeistergasse 12 folgende Vereine angeschlossen:

  • Chewra Kadischa für den XXI. Wiener Gemeindebezirk Floridsdorf
  • Israelitischer Armenunterstützungs Verein Chonen Dalim (Erbarmen mit den Armen) Wien XXI
  • Israelitischer Frauenwohltätigkeitsverein in Floridsdorf
  • Talmud Thora-Verein Floridsdorf

Bei den beiden Vereinen "Israelitischer Armenunterstützungs Verein Chonen Dalim (Erbarmen mit den Armen) Wien XXI" und "Israelitischer Frauenwohltätigkeitsverein in Floridsdorf" handelte es sich erstmals in der Geschichte der Juden Wiens um Vereine, die sich auch um Arbeits- und Ausbildungsplätze für jüdische Frauen und Männer kümmerten. Dies deutete darauf hin, dass in Floridsdorf ein, im Vergleich zum Status der Juden in anderen Bezirken, höherer Prozentsatz an verarmten jüdischen, weiblichen und männlichen Arbeitern und Kleingewerbetreibenden existierte.

Vereinsgeschichte des Vereins "Chewra Kadischa f für den XXI. Wiener Gemeindebezirk Floridsdorf"

Der Verein wurde 1877 unter dem Namen "Israelitische Beerdigungs-Bruderschaft (Chewra Kadischa) in Floridsdorf" gegründet und änderte im Jahr 1910 seinen Namen in "Chewra Kadischa für den XXI. Wiener Gemeindebezirk Floridsdorf". Von 1877 bis 1910 hatte der Verein innerhalb der autonomen "Israelitischen Cultusgemeinde Floridsdorf" die "Friedhofs- und Beerdigungs-agenden" unter Aufsicht der Kultusgemeinde übernommen. Der Vereinszweck lautete gemäß den Statuten von 1877: "a) Krankenbesuch, b) Leichenbestattung, c) Bestreitung der Kosten der Beerdigung" für nicht vermögende Vereinsmitglieder (§ 1). Mit der Aufnahme der Israelitischen Kultusgemeinde Floridsdorf in den Sprengel der Israelitischen Kultusgemeinde Wien übernahm diese die Aufgabe der Beerdigungsrituale und die Chewra Kadischa änderte ihren Vereinszweck. Der Vereinszweck lautete gemäß Statuten von 1910: "Zweck des Vereines ist die Betätigung wahrer Nächstenliebe Chesed schel Emet (=übersetzt "Die wahre Nächstenliebe", im Original in hebräischen Buchstaben) unter seinen Mitgliedern" (§ 2). Diese Nächstenliebe sollte durch Krankenbesuche, Mitwirkung und Beteiligung an Begräbnissen, Unterstützung armer und kranker Juden und Jüdinnen und Gebete für Verstorbene erzielt werden (§ 3). Es gab "Ordentliche Mitglieder (…) alle eigenberechtigten Israeliten beiderlei Geschlechtes, welche in dem Gebiete des XXI. Gemeindebezirkes ihren ständigen Wohnsitz haben" und "Außerordentliche Mitglieder", die außerhalb Floridsdorfs wohnten (§ 6). Die Mittel setzten sich aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und Gebühren, die Schwerkranke für Gebete und auch Hinterbliebene bei Gedenken an Verstorbene zahlten, zusammen (§ 4).[2] Die Auflösung des Vereins "Chewra Kadischa für den XXI. Wiener Gemeindebezirk Floridsdorf", die Löschung aus dem Vereinsregister und dessen Eingliederung in die Fürsorgezentrale der Israelitischen Kultusgemeinde unter Aufhebung der Rechtspersönlichkeit erfolgte durch den Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände im Verlauf des Jahres 1939. Das Vermögen des Vereins wurde nach Abzug von Aufbauumlage und Verwaltungsgebühr in die Israelitische Kultusgemeinde eingewiesen. 204,66 Reichsmark ergingen unter Abzug von 20% Aufbauumlage und 5% Verwaltungsgebühr (51,16 Reichsmark), die "aber durch den Verkauf von Realitäten gedeckt" waren, an die Israelitische Kultusgemeinde. In der Wohnung des Vereinskassiers Rudolf Fischer wurde am 14. März 1938 von der SA-Brigade II ein Barbetrag des Vereins beschlagnahmt. Dieser Betrag war trotz heftigen Bemühens des Stillhaltekommissars, diesen wiederzubekommen, nicht mehr zum Vorschein gekommen. Die Stelle des letzten Obmanns bekleidete Emil Fanto, 1938 wohnhaft Wien 21, Donaufelder Straße 44.[3] Der Verein wurde nach 1945 nicht wieder begründet.

Vereinsgeschichte des "Israelitischen Armenunterstützungs Verein Chonen Dalim (Erbarmen mit den Armen) Wien XXI"

Der "Israelitische Armenunterstützungs Verein Chonen Dalim (Erbarmen mit den Armen) Wien XXI" wurde 1907 gegründet. Proponenten waren Ferdinand Brüll, Emil Fanto, Rabbiner Moritz (Moses) Rosenmann, Gabriel Dukes, Solomon Weininger, Ignaz Grünwald und Moriz Schwarz. Der Zweck des Vereines war gemäß Statuten von 1907: "1. Unterstützung von Armen israelitischer Confession, 2. Unentgeltliche Unterbringung und Förderung von arbeit- und stellensuchenden Israeliten, 3. Überhaupt Werke der Nächstenliebe" (§ 2). Es gab "wirkliche Mitglieder" (Gründer, Stifter und ordentliche Mitglieder mit jeweils festgesetzten Jahresbeiträgen) und Ehrenmitglieder (§ 4). Die Mittel des Vereins setzen sich aus Jahresbeiträgen, Spenden an die Synagoge und Erträgen aus öffentlichen Veranstaltungen wie Konzerten, Bällen und Theateraufführungen zusammen (§ 3).[4] Die Auflösung des "Israelitischen Armenunterstützungs Verein Chonen Dalim" und die Löschung aus dem Vereinsregister erfolgte durch den Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände im Verlauf des Jahres 1938. Das Vermögen (1938: 6,46 Reichsmark) des Vereins wurde als einmalige Aufbauumlage eingezogen und erging an den Stillhaltekommissar. Letzter Obmann war Max Ticho, 1938 wohnhaft Wien 1, Am Hof 5.[5] Der Verein wurde nach 1945 nicht wieder begründet.

Vereinsgeschichte des "Israelitischen Frauen-Wohltätigkeitsvereins in Floridsdorf"

Der "Israelitische Frauen-Wohltätigkeitsverein in Floridsdorf" wurde 1880 von Laura Bloch, der Gattin des Rabbiners Josef Samuel Bloch, gegründet.[6] 1898 wurde eine Änderung der Statuten bekannt gegeben. Präsidentin war zu dieser Zeit Henriette Grünwald, Kaufmannsgattin, wohnhaft Floridsdorf, Hauptstraße 12. Der Vereinszweck war laut Statuten von 1898: "1) Unterstützung von armen Wöchnerinnen, Witwen, Bräuten, Kindern, weiblichen Nothleidenden und weiblichen Kranken, 2) Unterbringung und Förderung von arbeit- und stellensuchenden weiblichen Personen, 3) überhaupt Werke der Nächstenliebe" (§ 3). Es gab "ordentliche Mitglieder" und "Ehrenmitglieder" (§ 5). Die Vereinsleitung wurde von Präsidentin, Vizepräsidentin, Schriftführerin, Kassierin, Kontrollorin und sieben Beirätinnen wahrgenommen (§ 6). Die Mittel bestanden aus einer Aufnahmegebühr von mindestens zwei Kronen, Monatsbeiträgen von mindestens 40 Hellern, Erlösen aus Vereinsveranstaltungen und Verlassenschaften (§ 4).[7] Die Auflösung des "Israelitischen Frauen-Wohltätigkeitsvereins in Floridsdorf ", die Löschung aus dem Vereinsregister und dessen Eingliederung in die Fürsorgezentrale der Israelitischen Kultusgemeinde unter Aufhebung der Rechtspersönlichkeit erfolgte durch den Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände im Verlauf des Jahres 1938. Das Vermögen des Vereins wurde nach Abzug von Aufbauumlage und Verwaltungsgebühr in die Israelitische Kultusgemeinde eingewiesen. 2418,79 Reichsmark ergingen unter Abzug von 20% Aufbauumlage und 5% Verwaltungsgebühr (604,70 Reichsmark) an die Israelitische Kultusgemeinde, "die aber durch den Verkauf von Realitäten gedeckt" waren. Die Stelle der letzten Obfrau bekleidete Babette Rosenmann, die Gattin des Rabbiners Moritz (Moses) Rosenmann, 1938 wohnhaft Wien 21, Holzmeistergasse 12.[8] Der Verein wurde nach 1945 nicht wieder begründet.

Vereinsgeschichte des "Talmud Thora-Vereins Floridsdorf"

Der Verein[9] wurde 1886 gegründet und kümmerte sich um die religiöse Bildung von jüdischen Kindern und Jugendlichen in Floridsdorf.[10] Rabbiner Moritz (Moses) Rosenheim "bewirkte ein wirkungsvolles Anwerben" von jüdischen Schülern im Gymnasium Franklinstraße 21,[11] sodass der Verein eine rege Unterrichtstätigkeit entfaltete.[12] Die Auflösung des Talmud Thora-Vereins und die Löschung aus dem Vereinsregister erfolgte durch den Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände im Verlauf des Jahres 1938. Bereits im März 1938 wurden Bücher und das Sparbuch der Zentralsparkasse des Vereins in der Wohnung des Vereinskassiers Simon Czuczka, 1938 wohnhaft Wien 21, Hauptstraße 29, durch die Kriminalpolizei Floridsdorf beschlagnahmt, von wo sie an die Gestapo übergeben wurden. Schließlich sollte dieses Sparbuch auf Anweisung des Stillhaltekommissars an die Israelitische Kultusgemeinde Wien überwiesen werden. Ein Vermögen von 73,33 Reichsmark erging schließlich abzüglich 20% Aufbauumlage und 5% Verwaltungsgebühr (RM 18,34) an die Israelitische Kultusgemeinde Wien. Letzter Obmann war der Rechtsanwalt Max Ticho, 1938 wohnhaft Wien 1, Am Hof 5. Der Verein wurde nach 1945 nicht wieder begründet.[13]

Baugeschichte des Synagogenkomplexes 21, Heinrich-Schindler-Gasse 5, Holzmeistergasse 12

Die zu dieser Zeit selbstständige "Israelitische Cultusgemeinde Floridsdorf" ließ in den Jahren 1875 bis 1877 eine von Häuserblocks umschlossene Synagoge in Wien 21, Heinrich-Schindler-Gasse 5, errichten. Als Architekten und ausführende Bauleiter konnten Baurat Andreas Streit und Baumeister Johann Schäffer gewonnen werden. Bei der Verwirklichung der Pläne wurde wahrscheinlich wegen Geldmangels gänzlich auf besondere architektonische Stilelemente sowie teure Materialien verzichtet. In einer Beschreibung aus dem Jahr 1939 wurde das Gebäude als "massiver Ziegelbau mit einem Satteldach" beschrieben, die Bauausführung als "primitiv" bezeichnet.[14] Die Synagoge bestand aus einem dreischiffigen, nicht unterkellerten Gebäude. An der Ostseite zur Heinrich-Schindler-Gasse befanden sich drei "byzantinisierende" Rundbogenfenster,[15] die mit dem dreischiffigen Innenraum korrespondierten. Diese Ostfassade war in Anlehnung an Renaissancebauten gestaltet, in der Mitte oben war sie mit zwei Steintafeln mit den Zehn Geboten gekrönt. Bis 1900 bildete ein kleines Tor in der Heinrich-Schindler-Gasse den Haupteingang.[16] Ab ca. 1900 konnte die Synagoge entlang der Nordseite durch ein Eingangstor und einen Hof und betreten werden. Auf diese Weise gelangte man zu den Eingängen und der Vorhalle an der Westfront und von dort auf die Frauenemporen.[17] Die Bimah, auf der aus der Thora und den heiligen Büchern gelesen wird, war auf drei Stufen erhöht, mit einem Gitter umrahmt, zunächst nach streng orthodoxem Ritus bis 1880 in der Mitte platziert, rückte aber danach in die Nähe des Thoraschreins. Neben dem Thoraschrein standen an Shabbaten und Feiertagen die Knaben des Synagogenchors.[18] Der Thoraschrein bestand aus zwei Säulen, über denen in Stein gemeißelt die zwei Tafeln mit den Zehn Geboten angebracht waren.[19] Die Frauengalerien wurden von vier gusseisernen Doppelpfeilern getragen und bestanden inklusive der Brüstungen aus Holz.[20] In den Jahren 1898 bis 1900 wurde ein zweistöckiges Amtsgebäude in der Holzmeistergasse 12 errichtet. Darin waren Wohnungen, ein Sitzungssaal, die Talmud-Thora-Schule und Amtsräume der "Israelitischen Cultusgemeinde Floridsdorf" untergebracht.[21] Im Jahr 1905 wurde als Zubau ein Winterbetsaal mit Sitzplätzen für ca. 30 Männer errichtet, der auch als Probenraum für den Chor und als Unterrichtsraum genutzt wurde. Von ihm aus konnte man bequemer als bisher auf die Frauenemporen kommen.[22]

Rekonstruierte Außenansicht des Floridsdorfer Tempels

Belegung der Synagoge durch NSDAP-Organisationen 1938 bis 1940

Am 5. April 1939 berichtete die Israelitische Kultusgemeinde Wien an die Gestapoleitstelle Wien, dass die ehemalige Synagoge Floridsdorf seit Frühjahr 1938 von der Gruppe Donaufeld Nord der NSDAP Floridsdorf besetzt[23] und seit dieser Zeit das Deutsche Rote Kreuz eingezogen sei. Für die Benützung des Hauses wurde an die Noch-Eigentümerin, die Israelitische Kultusgemeinde, keinerlei Miete und Betriebskosten bezahlt, die Israelitische Kultusgemeinde aber hatte sämtliche Ausgaben in dem Haus weiterzubestreiten.[24] Die Zuweisung des Gebäudes an das Deutsche Rote Kreuz schien nicht ohne Kompetenzstreitigkeiten vor sich gegangen zu sein. Die Synagoge wurde dem Deutschen Roten Kreuz von der Kreisleitung der NSDAP Wien IX übergeben, diese war jedoch dazu nicht berechtigt. So schrieb das Deutsche Rote Kreuz, Kreisstelle Ost, am 23. November 1938 an das Amt des Reichsstatthalters zu Handen Obersturmbandführer Verhonz mit dem Ersuchen um nochmalige Zuweisung: "Da dieses Lokal als männl. und weibl. Heim für die Bereitschaft Floridsdorf in Aussicht genommen wurde und zur Dienstbarmachung erst bauliche Veränderungen vorgenommen werden müssen, die solange kein Frost herrscht zur Vergebung gelangen sollten, ersuchen wir diese Angelegenheit einer ehesten Erledigung zuzuführen.[25] Es dürfte zu dieser geplanten Nutzung als Heim für Kranke nicht gekommen sein, sondern das Rote Kreuz verwendete die Synagoge als "Magazin".[26] Im Dezember 1939 meldete das Baupolizeireferat der Verwaltung des Reichsgaues Wien dem Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten, dass die Synagoge "in gutem Bauzustand" sei und "vom Roten Kreuz als Depotraum übernommen" wurde.[27] In einer Quelle der Israelitischen Kultusgemeinde aus dem Jahr 1940 wurde berichtet, dass die Synagoge in Floridsorf "nach Neuordnung der Verhältnisse (…) von Parteiformationen besetzt" wurde.[28] Unter diesen Parteiformationen befanden sich unter anderem der "Bund Deutscher Mädchen (BDM)". Der Ortsgruppenleiter Johann Pressl vermietete das Gebäude 1940 an die Firma Conrad Sild, Kaffee-, Spezerei-, Landesproduktion Großhandel, 21, Am Spitz 13.[29] Mit 1. September 1940 übernahm die Israelitische Kultusgemeinde die Verwaltung des Hauses wieder.[30]

Eigentumsverhältnisse: Arisierung und Restitution der von Synagoge

Eigentümer der Liegenschaft war bis zum Februar 1907 die "Israelitische Cultusgemeinde Floridsdorf", von 1907 bis 1941 die "Israelitische Kultusgemeinde in Wien". Am 30. April 1941 kam es zum Kaufvertrag zwischen der Israelitischen Kultusgemeinde und dem Ehepaar Alois und Marie Zacharias, Kraftfuhrwerksunternehmer, Wien 21, Leopoldauer Straße 28. Der Kaufpreis erging an die Zentralstelle für jüdische Auswanderung.[31] Am 30. Mai 1942 erfolgte die Einverleibung des Eigentumsrechts an die neuen Eigentümer.[32] Die Rückstellungskommission beim Landesgericht für Zivilrechtssachen verfügte am 8. Mai 1948 in einem Teilerkenntnis die Rückstellung der Liegenschaft an die Israelitische Kultusgemeinde Wien[33] Alois und Marie Zacharias gaben in einem Antrag auf Abweisung des Rückstellungsantrags vom 15. März 1948 vor, Kleingewerbetreibende zu sein, ihre Ersparnisse verwendet zu haben und dass sich die "Antragsteller wesentlich bereichern" würden, "was keinesfalls zulässig ist". Das Erkenntnis der Rückstellungskommission beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien gelangte am 16. September 1949 zur Entscheidung über eine Rückstellung der Liegenschaft und Abweisung des Antrags der Antragsgegner auf "Ausfolgung des Kaufpreises", da der Kaufpreis nicht an die Israelitische Kultusgemeinde erging, sondern an die Zentralstelle für jüdische Auswanderung.[34] Im Jahr 1970 verkaufte die Israelitische Kultusgemeinde die Liegenschaft an Helwig Kritsch. Am 29. Juni 1995 wurde die Liegenschaft der Helwig-Kritsch-Privatstiftung einverleibt.[35]

Bedeutende Rabbiner

  • Josef Samuel Bloch (* 20. November 1850 Dukla, Galizien, † 1. Oktober 1923 Wien) wirkte von 1877 an als Rabbiner an der "Israelitischen Cultusgemeinde Floridsdorf" und an der Synagoge der Israelitischen Kultusgemeinde Wien 21. Rabbiner Bloch setzte sich mit Leidenschaft gegen Antisemitismus ein, indem er öffentlich gegen die Unterstellung, Juden würden Ritualmorde verüben, auftrat. Dieses seit dem Mittelalter gebräuchliche Vorurteil wurde vom Theologieprofessor Prags, August Rohling, verbreitet.[36] Bloch war ab 1884 Herausgeber der "Dr. Blochs Österreichische Wochenschrift" und von 1883 bis 1895 Reichstagsabgeordneter.
  • Moritz (Moses) Rosenmann fungierte von 1923 bis 1938 als Rabbiner an der Synagoge der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien 21. Er verfasste Biographien der Rabbiner Isak Noa Mannheimer[37] und Adolf Jellinek. Rosenmann konnte 1938 nach Palästina flüchten.[38]

Gedenken

An der Fassade des Gebäudes wurde 1988 eine Gedenktafel angebracht, die 2012 durch eine neue Tafel ersetzt wurde.

Quellen

Literatur

  • Pierre Genée: Wiener Synagogen. Wien: Löcker 2014, S. 88 f.
  • Bob Martens / Herbert Peter: Die zerstörten Synagogen Wiens. Virtuelle Spaziergänge. Budapest: Mandelbaum Verlag 2009, S. 217-226
  • Moses Rosenmann: Materialien zur Geschichte der Entstehung des Kultusgemeindebezirkes Wien XXI. (Floridsdorf). In: Die Wahrheit. Österreichische Wochenschrift für jüdische Interessen. Veröffentlichungen der Union Österreichischer Juden, Heft 38 (16.9.1927)
  • Elisheva Shirion: Gedenkbuch der Synagogen und Jüdischen Gemeinden Österreichs. Hg. vom Synagogen Memorial, Jerusalem. Wien: Berger-Horn 2012 (Synagogen Gedenkbücher Deutschland und Deutschsprachige Gebiete, 5: Österreich), S. 92 f.
  • Friedrich Schmidt: Virtuelle Rekonstruktion der Synagoge in der Holzmeistergasse 12 im 21. Wiener Gemeindebezirk. Dipl.-Arb. TU Wien. Wien 2008

Einzelnachweise

  1. Bob Martens / Herbert Peter: Die zerstörten Synagogen Wiens. Virtuelle Spaziergänge. Budapest: Mandelbaum Verlag 2009, S. 217-226.
  2. Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 119, A32: 4677/1939.
  3. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien, IV Ac 31: H 8, Schachtel 561 und Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 119, A32: 4677/1939.
  4. Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 119, A32: 7790/1938.
  5. Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 119, A32: 7790/1938 und Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien, IV Ac 31: L 34, Schachtel 565.
  6. Friedrich Schmidt: Virtuelle Rekonstruktion der Synagoge in der Holzmeistergasse 12 im 21. Wiener Gemeindebezirk. Dipl.-Arb. TU Wien. Wien 2008, S. 45.
  7. Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 119, A32: 6061/1938.
  8. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien, IV Ac 31: G 18, Schachtel 560 und Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 119, A32: 6061/1938.
  9. Im Wiener Stadt- und Landesarchiv existiert dazu kein Vereinsakt.
  10. Friedrich Schmidt: Virtuelle Rekonstruktion der Synagoge in der Holzmeistergasse 12 im 21. Wiener Gemeindebezirk. Dipl.-Arb. TU Wien. Wien 2008, S. 45.
  11. Im Jahr 1900 als Knabengymnasium gegründet.
  12. Friedrich Schmidt: Virtuelle Rekonstruktion der Synagoge in der Holzmeistergasse 12 im 21. Wiener Gemeindebezirk. Dipl.-Arb. TU Wien. Wien 2008, S. 45.
  13. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien, IV Ac 31: R ? (Talmud-Thora Verein Floridsdorf), Schachtel 571.
  14. Schätzung der Liegenschaft 1939, zitiert bei Friedrich Schmidt: Virtuelle Rekonstruktion der Synagoge in der Holzmeistergasse 12 im 21. Wiener Gemeindebezirk. Dipl.-Arb. TU Wien. Wien 2008, S. 28.
  15. Paul Martin: Technischer Führer durch Wien. Wien 1910, S. 282, zitiert bei Friedrich Schmidt: Virtuelle Rekonstruktion der Synagoge in der Holzmeistergasse 12 im 21. Wiener Gemeindebezirk. Dipl.-Arb. TU Wien. Wien 2008, S. 35.
  16. Friedrich Schmidt: Virtuelle Rekonstruktion der Synagoge in der Holzmeistergasse 12 im 21. Wiener Gemeindebezirk. Dipl.-Arb. TU Wien. Wien 2008, S. 30.
  17. Pierre Genée: Wiener Synagogen. Wien: Löcker 2014, S. 88 f.; Bob Martens / Herbert Peter: Die zerstörten Synagogen Wiens. Virtuelle Spaziergänge. Budapest: Mandelbaum Verlag 2009, S. 217-226.
  18. Elisheva Shirion: Gedenkbuch der Synagogen und Jüdischen Gemeinden Österreichs. Hg. vom Synagogen Memorial, Jerusalem. Wien: Berger-Horn 2012 (Synagogen Gedenkbücher Deutschland und Deutschsprachige Gebiete, 5: Österreich), S. 92; Friedrich Schmidt: Virtuelle Rekonstruktion der Synagoge in der Holzmeistergasse 12 im 21. Wiener Gemeindebezirk. Dipl.-Arb. TU Wien. Wien 2008, S. 28 und S. 38.
  19. Friedrich Schmidt: Virtuelle Rekonstruktion der Synagoge in der Holzmeistergasse 12 im 21. Wiener Gemeindebezirk. Dipl.-Arb. TU Wien. Wien 2008, S. 28 und S. 39.
  20. Friedrich Schmidt: Virtuelle Rekonstruktion der Synagoge in der Holzmeistergasse 12 im 21. Wiener Gemeindebezirk. Dipl.-Arb. TU Wien. Wien 2008, S. 28 und S. 37.
  21. Friedrich Schmidt: Virtuelle Rekonstruktion der Synagoge in der Holzmeistergasse 12 im 21. Wiener Gemeindebezirk. Dipl.-Arb. TU Wien. Wien 2008, S.42.
  22. Pierre Genée: Wiener Synagogen. Wien: Löcker 2014, S. 88 f.; Bob Martens / Herbert Peter: Die zerstörten Synagogen Wiens. Virtuelle Spaziergänge. Budapest: Mandelbaum Verlag 2009, S. 217-226; Friedrich Schmidt: Virtuelle Rekonstruktion der Synagoge in der Holzmeistergasse 12 im 21. Wiener Gemeindebezirk. Dipl.-Arb. TU Wien. Wien 2008, S. 42.
  23. Österreichisches Staatsarchiv, Reichsstatthalterei Wien, S II G: Karton 2, Zl. S II G 39/39-80 IKG Wien.
  24. Central Archives for the History of the Jewish People (CAHP), A/W 165,4.
  25. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Reichsstatthalterei 3: Schachtel 7685, Zl. 75-156/39.
  26. Bob Martens / Herbert Peter: Die zerstörten Synagogen Wiens. Virtuelle Spaziergänge. Budapest: Mandelbaum Verlag 2009, S. 222.
  27. Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 119, A6: 22874/1939.
  28. Central Archives for the History of the Jewish People (CAHP), A/W 165,3.
  29. Wiener Stadt- und Landesarchiv, Handelsgericht, A47: HRA 5013 und Wienbibliothek im Rathaus: Lehmanns Wohnungsanzeiger 1938, Band 1, S. 90.
  30. Central Archives for the History of the Jewish People (CAHP), A/W 1209.
  31. Siehe Erkenntnis der Rückstellungskommission beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien und Archiv der Israelitischen Kultusgemeinde nach 1945, Mappe Liegenschaften.
  32. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Vermögensverkehrsstelle, Lg. 8483: Band III, Schachtel 532.
  33. Landesgericht für Zivilrechtssachen, Rückstellungskommission, Zahl 60 RK 631/1947; Akt nicht mehr existent.
  34. Archiv der Israelitischen Kultusgemeinde nach 1945, Depot Czerningasse, Bestand BG AD XXVI, A, e, AD-GV Rückstellungen Provinzen und Umgebung, Mappe: Holzmeistergasse 12, Heinrich Schindler-Gasse 5.
  35. Archiv der Israelitischen Kultusgemeinde nach 1945, Mappe Liegenschaften; Bob Martens / Herbert Peter: Die zerstörten Synagogen Wiens. Virtuelle Spaziergänge. Budapest: Mandelbaum Verlag 2009, S. 226.
  36. Pierre Genée: Wiener Synagogen. Wien: Löcker 2014, S. 89.
  37. M. Rosenmann: Isak Noa Mannheimer. Sein Leben und Werk. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte der israelitischen Kultusgemeinde in Wien in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts nebst einer Auswahl der politischen Reden und Schriften Mannheimers. Wien [u.a.]: Löwit 1922.
  38. Elisheva Shirion: Gedenkbuch der Synagogen und Jüdischen Gemeinden Österreichs. Hg. vom Synagogen Memorial, Jerusalem. Wien: Berger-Horn 2012 (Synagogen Gedenkbücher Deutschland und Deutschsprachige Gebiete, 5: Österreich), S. 93.