Wohnhausanlage Staudiglgasse
48° 10' 15.34" N, 16° 22' 50.98" E zur Karte im Wien Kulturgut
Wohnhausanlage Staudiglgasse (10., Staudiglgasse 9, Kennergasse 10, Bürgergasse 24), städtische Wohnhausanlage (166 Wohnungen), erbaut (1924/1925) nach Plänen von Wilhelm Baumgarten und Josef Hofbauer. Das Bauwerk wurde um einen großzügig dimensionierten Gartenhof angelegt, von welchem aus die sieben Stiegen erreichbar sind. Den Zugang zum Hof bildet ein triumphbogenartig angelegtes Portal mit breiter Hofeinfahrt sowie zwei flankierenden kleineren Fußwegzugängen. Die Fassade ist abwechselnd als Sichtziegelmauerwerk (Klinker) sowie als verputztes Mauerwerk ausgeführt, über welche Klinkerstreifen gelegt sind. Sockel, Portal sowie die bis zum Hauptgesimse reichenden Lisenen sind in Sichtziegelmauerung ausgeführt oder bestehen zum Teil aus glattem Rotziegel. Über das Haupttor erstreckt sich ein Steingutrelief ("Städtebauer") von Otto Hofner. Im Gartenhof befindet sich ein Kindergarten mit dazugehörigem Spielplatz. Weiters wurde vom Architekten Raum für zwei Malerateliers, Werkstätten, Geschäfte sowie ein Depot der städtischen Straßenreinigung vorgesehen. Im Hofdurchgang befindet sich eine am 17. September 1950 angebrachte Gedenktafel für die Opfer des Austrofaschismus und Nationalsozialismus.
Alternativprojekt von Adolf Loos
Für diese Parzellen legte auch der Chefarchitekt des Siedlungsamtes Adolf Loos 1923 Planungsarbeiten vor. Loos wollte den im privaten Wohnbau mit dem Haus Scheu schon 1912 realisierten Typus des Terrassenwohnhauses nun in größerem Maßstab für den kommunalen Wohnbau nutzbar machen. Er entwarf zwei 84 Meter lange nach Süden abgestufte Baublöcke. Der nördliche Block entlang der Staudiglgasse war achsengerade, der südliche dem gekrümmten Straßenverlauf der Kennergasse folgend konzipiert. Beide Blöcke sollten am östlichen Blockende durch eine Brücke verbunden werden. Die Anlage sollte nicht nur Wohnraum umfassen, Loos plante hofseitig im Erdgeschoß auch großzügige Werkstättenräume.
Die Planungen stießen bei Wohnbaustadtrat Franz Siegel durchwegs auf Ablehnung. Margarete Schütte-Lihotzky, die bei der Präsentation des Projekts anwesend war, hielt in ihren Aufzeichnungen die Szene im Rathaus fest, bei welcher Siegel, selbst ehemals gelernter Maurerpolier, Loos' Projekt regelrecht zerpflückte. Die Hauptkritikpunkte, die Schütte-Lihotzky selbst gegen das Projekt einbrachte, bezogen sich einerseits auf die etwa nur zwei Meter breiten Lichtschächte, welche Klosetts, Küchen und Schlafräume nur unzureichend beleuchten und belüften würde. Die schmalen Mauerschächte würden zudem rasch verschmutzen und wären nicht zu pflegen gewesen. Andererseits waren die oberen Wohnungen der Terrassenanlage über offene eiserne Brücken erschlossen worden, welches unpraktisch und vor allem im Winter auch gefahrvoll gewesen wäre. Seitens der Stadtverwaltung wurde geltend gemacht, dass die Errichtung so großer Flachdachkonstruktionen, die Wasserdicht und witterungsbeständig hergestellt werden mussten, wesentlich teurer als gewöhnliche Ziegel-Steildächer wären. Diese Auseinandersetzung dürfte ein wesentlicher Faktor für die Demissionierung Loos' als Architekt des Siedlungsamtes der Gemeinde gewesen sein.
Für den selben Bauplatz legten auch Peter Behrens und Oskar Strnad Pläne von Terrassenwohnhäusern vor.
Quellen
Fassadenpläne der Terrassenwohnhausanlage von Adolf Loos
Literatur
- Helmut Weihsmann: Das Rote Wien. Sozialdemokratische Architektur und Kommunalpolitik 1919-1934. Wien: Promedia 2002, S. 251.
- Burkhardt Rukschcio / Roland Schachel: Adolf Loos. Leben und Werk. Salzburg: Residenz Verlag 1987, S. 571 ff.
- Edith Friedl: Nie erlag ich seiner Persönlichkeit... . Margarete Lihotzky und Adolf Loos. Ein sozial- und kulturgeschichtlicher Vergleich. Wien: Milena Verlag 2005, S. 262 ff.