48° 13' 13.67" N, 16° 22' 23.78" E zur Karte im Wien Kulturgut
Wiener Porzellanmanufaktur (2., Augartenpalais, Obere Augartenstraße 1)
Tradition
Die Tradition der Wiener Porzellanerzeugung ("Augarten-Porzellan") ist alt, die Wiener Manufaktur nach jener in Meißen die zweitälteste in Europa. 1718 hatte der Hofkriegsagent Claudius Innozenz Du Paquier ein Privileg erworben und in der Roßau eine kleine Manufaktur im "Kuefsteinischen Haus" auf einem von fünf zusammengehörenden Gründen (heute: Liechtensteinstraße 39, 41) die sich seit 1701 in Kuefsteinischen Besitz befanden, eingerichtet. Trotz gegenteiliger Bestimmung im Privileg erhielt er dafür auch eine staatliche Unterstützung. 1721 übersiedelte die Manufaktur in das neu angekaufte gräflich Breunerische Sommergebäude, welches zur "Fabrik" umgestaltet wurde. Der Verkaufserfolge der ersten beiden Jahrzehnte entsprach allerdings keineswegs den Erwartungen des Gründers.[1]
Staatliche Verwaltung
Als sich Du Paquier 1744 gezwungen sah, die Manufaktur zu veräußern, übernahm sie Maria Theresia in staatliche Verwaltung (9., Porzellangasse 51, bis zum heutigen Julius-Tandler-Platz reichend). In den nun folgenden 120 Jahren unterscheidet man (nach Waltraud Neuwirth) vier Perioden:
- 1) 1744-1784 bezeichnet man als die "plastische Periode", weil in diese Jahrzehnte die Hochblüte der figuralen Rokoko-Porzellankunst fällt (ab 1764 Direktor Franz Joseph Wolf von Rosenfeld); dieser Aufschwung der Porzellanplastik ist mit der Person des Bildhauers Johann Joseph Niedermayer (eines Schülers von Georg Raphael Donner) eng verknüpft, der 1747-1784 als Modellmeister in der Manufaktur arbeitete. Schon bald nach der Übernahme durch den Staat kamen aber auch Meißner Maler nach Wien.
- 2) 1784-1805 entspricht der Direktion Conrad Sörgel von Sorgenthal, von dem sich die Bezeichnung "Sorgenthal-Porzellan" ableitet; es handelt sich um die "malerische Periode", weil in der Zeit des Klassizismus die besondere Qualität der Porzellanmalerei mit Reliefgolddekor und Kobaltblau auffällt (Miniaturmalerei, Biskuitporzellan).
- 3) 1805-1833 beherrschen unter den Direktoren Matthias Niedermayer (1805-1827) und Benjamin von Scholz (1827-1833) Wiener Veduten und Biedermeierdessins (Blumenmalerei, "leichte Dessins") die Produktion, die infolge der Großaufträge während des Wiener Kongresses einen Aufschwung erlebte.
- 4) 1833-1864 entspricht dem Spätbiedermeier und Frühhistorismus unter den Direktoren Andreas Baumgartner (1833-1842), Franz von Leithner (1842-1855) und Alexander Löwe (1856-1864). Die künstlerische Produktion machte mehr und mehr dem Gebrauchsgeschirr Platz; die starke Konkurrenz der böhmischen Fabriken veranlasste Franz Joseph I. schließlich 1864, die Fabrik zu schließen. Den "künstlerischen Nachlaß" (Vorlagenwerk, Objekte aus dem Manufakturmuseum) übernahm das Österreichische Museum für Kunst und Industrie.[2]
Republik
Erst in der Republik wurde die Porzellanmanufaktur 1923 im Augarten (Saalbau des alten Schlosses) wiederbegründet und zählt heute zu den bedeutendsten der Welt. Künstlerhände fertigen im "Augarten" hochwertiges Porzellan und feinste Malereien von großer Wertbeständigkeit in zeitlos schönen Formen, Figuren und Dekors. Die Porzellanmanufaktur (der Begriff "Manufaktur" hat sich in seiner ureigenen Bedeutung der ausschließlich händischen Fertigung und der Pflege des künstlerischen Inhalts erhalten) bietet Erzeugnisse in einer breiten Auswahlpalette an und garantiert auch, dass einmal in Erzeugung Stehendes ohne Zeitbegrenzung nachgeliefert wird. Im Jahr 2003 ging die Manufaktur in Konkurs. Die Konkursmasse wurde von der Firma VMS Value Management Services GmbH gekauft und die "Neue Porzellanmanufaktur Augarten" gegründet. Im Jahr 2014 gab die Manufaktur in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Post die erste Porzellan-Briefmarke der Welt heraus.
Tafel in der Porzellangasse, die an den früheren Standort der namensgebenden Porzellanmanufaktur erinnert.
Herstellung der Lipizzaner-Reiter aus Augarten-Porzellan (1950)
Lipizzaner mit Reiter (1956)
Quellen
- MAK-Sammlung Online: Werke der Wiener Porzellanmanufaktur Augarten
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Handelsgericht, B77/15: Handelsregister B 15/31, Wiener Porzellanfabrik Augarten A.G. zur Erneuerung u. Fortsetzung der vormaligen Staatlichen (Aearial-) Porzellanmanufaktur Wien
Literatur
- Waltraud Neuwirth: Vom Laboratorium zur Manufaktur. Claudius Innocentius du Paquier im "Kufsteinischen Garten". In: Keramos. Zeitschrift der Gesellschaft der Keramikfreunde 194, Düsseldorf 2006, S. 13-30.
- Wilhelm Mrazek, Waltraud Neuwirth: Wiener Porzellan 1718-1864. (Katalog Österreichisches Museum für angewandte Kunst. Neue Folge 3 [1970]; darin: Geschichte des Wiener Porzellans; Geschichte und Technik; Geschichte der Porzellanmanufaktur; Künstlerbiographien);
- Waltraud Neuwirth, Alfred Kölbel, Maria Auböck: Die Wiener Porzellanmanufaktur Augarten. Wien: Edition Wien 1992
- Waltraud Neuwirth: Das "Vorlagenwerk" der Wiener Porzellanmanufaktur. In: Alte und Moderne Kunst 26 (1981), S. 1-7
- Adolf Wolf: Alsergrund-Chronik. Von der Römerzeit bis zum Ende der Monarchie. Wien: Selbstverlag 1981, S. 120 f., S. 146
- Christian Brandstätter: Stadtchronik Wien. 2000 Jahre in Daten, Dokumenten und Bildern. Wien [u.a.]: Brandstätter 1986, S. 148
Referenzen
- ↑ Waltraud Neuwirth: Vom Laboratorium zur Manufaktur. Claudius Innocentius du Paquier]] im "Kufsteinischen Garten". In: Keramos. Zeitschrift der Gesellschaft der Keramikfreunde 194, Düsseldorf 2006, S. 13-17, 24.
- ↑ Waltraud Neuwirth: Das "Vorlagenwerk" der Wiener Porzellanmanufaktur. In: Alte und Moderne Kunst 26 (1981), S. 1-7.