Drahdiwaberl (Band)
Drahdiwaberl, 1969 in Wien von Stefan Weber gegründete Art Rock-Band.
Geschichte
Als die noch junge Wiener Pop-Szene in den Siebziger-Jahren in der ersten Hochblüte ihrer Aufbruchsstimmung stand – waren es neben den bekannten, stilbildenden Austropop-Protagonisten Wolfgang Ambros, Georg Danzer, Peter Cornelius, André Heller, Ludwig Hirsch & Co. vor allem Gruppen wie die Hallucination Company oder die frühe Erste Allgemeine Verunsicherung, die das Theatralische, Aktionistische, Spektakuläre mit den Klängen des Undergrounds vermählten. Allen voran tönte aber: Drahdiwaberl.
Während einer ÖKISTA-Reise nach Trani 1963 performte Weber im Badezimmer "Whole lotta shakin goin on" von Jerry Lee Lewis, worauf ihm die begeisterten Freunde rieten, Sänger zu werden. Ein Jahr später, während der Maturareise nach Vettica Maggiore bei Salerno gründet er mit seinen Klassenkameraden Peter Abele (Gitarre und Harmonika) und Norbert Kainz (Klavier, Gesang) seine erste Band. Weber beschriebt euphorisch zwei Folkbluesfestivals und den dortigen Einsatz der Bluesharmonika und beschloss, in seiner eigenen Band drei Mundharmonikas gleichzeitig spielen zu lassen. Weber schilderte in persönlichen Aufzeichnungen ausführlich die Anfänge seiner Musikerkarriere, er gründete die Band Wabbs Crew mit Gottfried Schaffar (Perkussion), Anatol Plojhar (Gitarre, Akkordeon) mit wenig finanziellen Mitteln, ohne Schlagzeug, stattdessen mit "zwei Bleistiften am Sessel". Im September 1968 benannte sich die Band in "Wabbbs Gun" um, die letztmalig am 21. März 1969 im Piperclub auftrat. Am 17. September 1969 wurde, nach Besprechungen mit Joe Kolar, Peter Lössl und Jery Berger bei Fritzi Kovarik, die legendäre Band Drahdiwaberl ins Leben gerufen.
Weber, seines Zeichens Mittelschulprofessor für bildnerische Erziehung am BRG Wien IV, Waltergasse (wo auch Kollegen wie Friedrich Polakovics oder Ernst Jandl für ein liberales Bildungsklima standen), war als ehemaliger Student der Bildenden Künste und deklarierter Kommunist daran interessiert, gesellschaftspolitische Botschaften mit den Mitteln der Protest- und Popkultur zu vermählen.
Ihren ersten offiziellen Auftritt hatten Drahdiwaberl 1972 im Audimax der Universität Wien. Zunächst eher an internationalen Vorbildern wie den Rolling Stones, den Fugs, Frank Zappa, The Tubes oder Alberto Y Los Trios Paranoias orientiert, entwickelte der Musiker-Kern der chaotisch-aktionistischen Gruppe ab Mitte der 1970er-Jahre ein eigenes Repertoire. Mit der Compilation "Wiener Blutrausch", 1979 im Eigenverlag veröffentlicht, hatten Stefan Weber und Drahdiwaberl maßgeblichen Anteil an der – im internationalen Kontext verspäteten – Initialzündung von Punk und New Wave in Österreich. Die Präsentation des Samplers "Wiener Blurausch" 1979 im Wiener Metropol gilt als die Geburtsstunde des Punk in Österreich. Hans Hölzel, später: Falco, trat der Formation rund um die Bandleader Peter Vieweger und Thomas Rabitsch 1978 als Bassist bei. Sein Song "Ganz Wien" wurde rasch einer der musikalischen Höhepunkte der berüchtigten Drahdiwaberl-Shows, die keine Form von Provokation und Exzess scheuten und als obligaten Höhe- und Schlusspunkt einen "Mulatschag" (ungarisch: Mulatság; Belustigung, Vergnügen) darboten, bei dem es auf der Bühne zu regelrechten Sexorgien kam. Große Konzerte spielten Drahdiwaberl im Porrhaus im Jänner 1978, das Punkrockfest gemeinsam mit Chuzpe, Mordbuben AG und Dirthshit im März 1979 oder die Wiener Festwochen Alternativ im Mai 1980 und im Mai 1984 am Wiener Rathausplatz bei der Pop+Rock Eröffnung der Wiener Festwochen als final act nach Chuzpe, Chris Rea und Gianna Nannini mit ihrer Spezial Geburtstagsshow "15 Jahre Drahdiwaberl". Der Name Drahdiwaberl stand für heißen Theater-Rock.
Das erste Drahdiwaberl Album "Psychoterror" wurde 1981 von Peter Müller produziert. Der legendäre Ruf der Band drang bis zum jungen Produzenten Markus Spiegel (GiG Records) durch, der sowohl Drahdiwaberl als auch Falco als Einzelkünstler unter Vertrag nahm. Letzterer steuerte mit Hits wie "Der Kommissar", "Junge Römer" und "Amadeus" zielstrebig eine Weltkarriere an, der Ursprungszelle um Stefan Weber gelang immerhin trotz anfänglichen Rundfunkboykotts überregionaler Erfolg mit ihren Shows, Alben ("Psychoterror", "McRonalds Massaker", "Werwolfromantik" u.a.) und ironisch intendierten Hit-Singles (z.B. "Lonely" mit Lukas Resetarits oder "Greif hier nicht her" mit dem ehemaligen Jagger- und Bowie-Groupie Dana Gillespie). Als Karrierehöhepunkt – zugleich ein Tiefpunkt des Publikum-Unverständnisses – werden intern USA-Auftritte beim New Music Seminar 1991 und im "Palladium" in New York gewertet, die auch internationale Schlagzeilen abwarfen.
Seit 1975 spielte man mit dem Gedanken, seit 1990 spielt Drahdiwaberl dezidiert "letzte" Konzerte. Tatsächlich löste sich die lose Formation im Lauf der Jahrzehnte mehrmals auf, die wechselnden, bis dato aus über vierzig Musikern und noch weit mehr Bühnenaktionisten – darunter etwa Lotte Pawek, Franz Bilik, Heli Deinboek, Marcel Houf alias General Gugelhupf und Jazz-Gitti – bestehende Inkarnationen hatten jedoch immer die Texte und Inszenierungs-Vorgaben des Sängers und Kopfs von Drahdiwaberl, Stefan Weber, als jede Veränderung überdauernden Kern.
Ab Mitte der 1990er-Jahre wurde es ruhiger um Drahdiwaberl, trotz einiger Veröffentlichungen, Dokumentationen, Filme ("Weltrevolution") und gelegentlicher Auftritte. Offiziell aufgelöst ist die Band bis heute nicht, der letzte Auftritt – mit einem durch seine Parkinson-Erkrankung deutlich geschwächten zentralen Protagonisten – erfolgte am 11. Mai 2013 am Karlsplatz in Wien (im Rahmen von "Into the City" der Wiener Festwochen).
Stefan Weber erzählte im Interview für die Publikation "Wien Pop" (Falter Verlag 2013): "Der 'Rennbahn-Express' berichtete im Mai 1979 einerseits 'vom Ende des Punk' in England, drunter war aber ein zweiter Artikel in einem Kasterl: 'Aber in Österreich geht’s jetzt erst wirklich los!' Man war hierzulande immer zwei Jahre hinten, mindestens. Ich dachte ja auch lange, es wäre Punk, wenn ich mir eine rosa Damenschwimmhaube aufsetzte. Man kann irgendwie schon sagen: Es war Punk. Aber eher war es ausgeflippter Theater-Aktionismus."
2002 erwarb die Wienbibliothek im Rathaus eine Sammlung von Stefan Weber – bestehend aus Notizbüchern, Text- und Notenblättern, Fotos, Plakaten und Zeitdokumenten.
Werk
Studioalben (eine Auswahl)
- 1981: Psychoterror, GiG Records
- 1982: Mc Ronalds Massaker, GiG Records
- 1983: Werwolfromantik, Sony Music
- 1986: Jeannys Rache, GiG Records
- 1994: Sperminator, GiG Records
- 2000: Torte statt Worte, Virgin Records Austria
- 2004: Sitzpinkler, Rock Syndicate Vienna / VÖM
Videos
Quellen
- Wienbibliothek im Rathaus: Sammlung Stefan Weber
- Wienbibliothek im Rathaus: Weltrevolution. Stefan Weber. 1968–2008. Die Multimedia Galerie