Chuzpe (Band)
"Chuzpe", Punkrock- bzw. New Wave-Band, 1977 in Wien von Robert Wolf gemeinsam mit Christian Brandl, Albert Griemann und Rudolf Barcal gegründet. Die Besetzung der Band wechselte häufig, konstantes Bandmitglied ist Robert "Räudig" Wolf, der Sänger, Texter und E-Gitarrist der Band.
Geschichte
Robert Wolf, Christian Brandl und Rudolf Barcal kannten sich vom Wiener Flohmarkt Am Hof und trafen sich zunächst gelegentlich in Robert Wolfs Wohnung, um gemeinsam Coverversionen von Bob Dylan oder Brian Eno zu spielen. Robert Wolf produzierte zu dieser Zeit eigene Songs, die musikalisch von "The Velvet Underground" und textlich von der Morbidität des Trios Ambros/ Prokopetz/ Danzer geprägt waren. Um diese Lieder auch live spiele zu können wurde mit Albert Griemann am Bass die Band komplettiert. Rasch einigte man sich auf den Namen "Chuzpe".
Im Jahr ihrer Bandgründung startete die Ö3-Musicbox einen Aufruf für eine Vorband eines Konzerts im Lokal "Zur schönen Helena". Robert Wolf meldete sich und "Chuzpe" spielte erstmals acht eigene Songs live. Darunter "Ferien in Stalingrad", "Die Madln aus Wean" und "Amoklauf Bop" und interpretierten auch Gassenhauer wie "Marmor, Stein und Eisen bricht". Die Lieder wurden in einem Tempo vorgetragen, dem die Band kaum selbst noch folgen konnte. Von Perfektion waren sie weit entfernt, "Chuzpe" war laut, chaotisch und machte den Bandmitgliedern, aber auch der stetig wachsenden Fangemeinde, vor allem Spaß.
Ende 1977 hatte "Chuzpe" bereits ein eigenes Lokal in der Rotensterngasse in der Leopoldstadt, das gleichzeitig als Proberaum und Auftrittsort fungierte, das "Milchkandl". Dort fand auch am 04. November 1977 das erste richtige Konzert von "Chuzpe" statt. Das Lokal war komplett überfüllt und "Chuzpe" traf offenbar einen Nerv der Zeit dieser anfangs kleinen Szene. Andere Bands entstanden in Wien, wie "Dirt Shit", "Pöbel", "Sprays", "Blümchen Blau" oder die Girl-Punkband "A-Gen-53". In weiterer Folge konzertierte "Chuzpe" unter anderem beim "Terror-Alarm"-Konzert im Haus der Jugend in der Grünwaldgasse und im Kongresshaus Wien am Margaretengürtel als Vorgruppe zu "Blondie".
1978 produzierte die Band die Single "Nervengas", die erst 33 Jahre später, 2011 veröffentlicht wurde. Christian Brandl fiel zu dieser Zeit fallweise wegen Drogenproblemen aus, tauchte für einige Zeit ab. Zur Aufnahme der Single "I loved the Sixties" war er wieder zurück. Albert Griemann jedoch verließ "Chuzpe" und wurde Teil der Wiener Elektronik-Pioniere "Monoton", unter anderem mit Konrad Becker.
Ihre erste Single "(They Can't Beat) The Beat" veröffentlichte "Chuzpe" 1979 in einer Auflage von 300 Stück. Gemeinsam mit den Bands "Minisex", "Mordbuben AG", "Drahdiwaberl" und "Metzlutzkas Erben" beteiligt sich "Chuzpe" am Sampler "Wiener Blutrausch", mit drei Songs: "Panik / Alanig", "Beislanarchie" und "Terror in Klein-Babylon". Die Bassspuren hat Robert Wolf aufgenommen.
Mitte 1979 kam es erneut zu einem Wechsel in der Bandbesetzung. Rudolf Barcal verließ die Band und Gunulf Krauss übernahm das Schlagzeug bei "Chuzpe". Ebenfalls neu in die Band kam Stephan Wildner, der ab nun das Keyboard von "Chuzpe" bespielte. Mit dieser neuen Bandformation begann ein neues Kapitel für die Band. Der Sound wurde kantiger und keyboardlastiger, auf Punk folgte Post-Punk.
Bei einem London Aufenthalt fiel Robert Wolf 1980 die Single "Love Will Tear Us Apart" von "Joy Division" in die Hände und bereits am Ende des Jahres veröffentlichte "Chuzpe" ihre Version des Titels und schaffte damit den Durchbruch in die österreichischen Charts. Am 1. März 1981 stieg "Chuzpe" mit ihrer Version auf Platz 8 der österreichischen Hitparade ein und feierte mit der Single einen großen Erfolg, den sie allerdings nicht mehr wiederholen konnte. Von den Leserinnen und Lesern der österreichischen Jugendzeitschrift "Rennbahn Express" wurde "Chuzpe" als Newcomer des Jahres 1980 – Österreich gewählt. 1980 entstand auch die "Kellerrock EP" auf der "Chuzpe" gemeinsam mit der "Zytacorean Tirtum Gang", den "Underground Corpses" und "The Vogue" vertreten waren.
Andreas Kolm kam 1981 als Gitarrist und Keyboarder zur Band und war neben Sänger Robert Wolf und Keyboarder Stephan Wildner federführend an dem ersten Album von "Chuzpe" "1000 Takte Tanz" beteiligt, welches 1982 veröffentlicht wurde. In diesem Jahr spielte "Chuzpe" in dem ORF-Fernsehfilm "Neon Mix" (Regie: Peter Gruber) als die New Wave-Band "Tanzverbot" mit. 1984 trennte sich die Band, vorher gab sie aber noch einige letzte Konzerte, eines davon in der Arena Wien als Vorband von "New Order", den "Joy Division"-Nachfolgern.
1987 nahm sich Christian Brandl das Leben. Die anderen Musiker gingen ihre eigenen Wege, Keyboarder Andreas Kolm arbeitete als Rechtsanwalt und Stephan Wildner gründete die Band "Graf Hadik & die Flughunde" und wurde Psychiater. Andreas Kolm war auch am Projekt "Graf Hadik" beteiligt.
1987 nahm Robert Wolf gemeinsam mit Jimmy Deix und Andreas Kolm als Mitproduzent, wieder als "Chuzpe", das Album "Unpop" auf. 1988 entstand mit der Single "Hooper" die englische Version des Ambros-Songs "Da Hofa". 1990 präsentierte Robert Wolf das Album "Obskures und Rares, Lügen und Wahres", gefolgt von dem Album "Hi Ho-How Low Can You Go" (1992), bei der seine Freundin Charlotte am Keyboard zu hören ist.
2003/2004 trat Robert Wolf mit neuer Formation als "Chuzpe 77" in Wien auf und veröffentlichte ein Album mit alten "Chuzpe" Liedern, "revisited".
2014 entstand ein weiteres Album von "Chuzpe" mit dem Titel "Vor 100 Tausend Jahren war alles ganz anders" mit zehn neuen Stücken. Die elektronischen Musikparts stammen von Andreas Kolm, Stephan Wildner war als Sänger dabei.
Das Trio "Chuzpe" spielte am 7. September 2017 im Lesesaal der Wienbibliothek im Rathaus im Rahmen der Eröffnung der kleinen Schau "BLITZLICHTER. Das Populärkulturelle Archiv der Wienbibliothek". Ein Jahr später übergab Robert Wolf eine Sammlung an Korrespondenzen, Plakaten, Fotos, Presseartikeln und Flyern der Band Chuzpe an die Wienbibliothek.
Am 26. Mai 2019 starb Andreas Kolm; Robert Wolf vermittelte auf der Facebook Seite von "Chuzpe" seine Bestürzung und unterstrich die hohe Musikalität und den feinen Humor des engen Freundes.
Robert Wolf schrieb fast alle Texte der "Chuzpe"-Songs. Die Lieder sind sehr kurz, pointiert und immer sozialkritisch entweder im Wiener Dialekt oder in deutscher Hochsprache, manchmal auch in englischer Sprache verfasst. Rückblickend gesehen spielt "Chuzpe" eine tragende Rolle in der österreichischen Undergroundszene der 1970er Jahre und entwickelte sich schnell zu einer der wichtigsten Punk-und New Wave-Bands in Österreich.
Der österreichische Regisseur Peter Ily Huemer präsentierte 2017 seinen Dokumentarfilm "Chuzpe", in dem er die Band in den späten 1970ern und frühen 1980ern beleuchtet. Der Film zeigt Punk als Lebenseinstellung und Haltung gegen das graue, enge, miefige Wien.
2019 entstand unter der Regie von Thomas Reitmayer die Low-Budget-Dokumentation über die Wiener Punkszene "Es ist zum Scheissen".
Bandmitglieder
- Gesang, E-Gitarre: Robert "Räudig" Wolf (1977–)
- Gesang, E-Gitarre, später E-Bass: Christian Brandl alias Christian Chruzifix alias Chromosom (1977–1987†)
- E-Bass: Albert Griemann alias Ali Krawalli (1977–1979)
- Schlagzeug: Rudolf Paul Barcal alias Rudi Rüpel (1977–1979; 1990–1992)
- Schlagzeug: Gunulf "Guni" Krauss (1979–1981)
- Keyboard, Gesang: Stephan Wildner alias Graf Hadik (1979–84; 2014–)
- Schlagzeug: Andreas "Andi" Jallits alias James Bong (1979–1984)
- E-Gitarre, später Synthesizer: Andreas "Andi" Kolm (1981–2019†)
- Schlagzeug: Stefan Pfeistlinger (1982–1984)
- E-Bass, Gesang: Jimmy Deix (1987–1992)
- Keyboard, Gesang: Charlotte Wolf alias Charlie She-Wolf (1991–1992)
Werk
LPs / CDs:
- Wiener Blutrausch, 1979 (Schnazz Produktion); 2012 (Re-Release : Schallter)
- 1000 Takte Tanz, 1982 (GiG Records)
- Körperteile / Der Österreichsampler, 1982 (WEA Austria Music GesmbH)
- Unpop, 1987 (Vis Maior)
- Obskures und Rares, Lügen und Wahres der formidablen Formation Chuzpe, 1990 (Vis Maior)
- Hi Ho – How long can you go, 1992 (Vis Maior)
- Chuzpe 77 revisited, 2003 (Punkdog)
- Anarchy Bla Bla, 2011 (Rave Up Records)
- Vor 100 Tausend Jahren war alles ganz anders, 2014 (Recordbag)
- Wiener Blutrausch 2, 2015 (Schallter)
- Terror in Klein-Babylon, 2021 (Bachelor Records)
Singles / EPs:
- (They Can't Beat) The Beat / I loved the Sixties, 1979 (Schnazz Produktion)
- Love Will Tear Us Apart, 1980 (GiG Records)
- Kellerrock, 1980 (RAZZz Records)
- Marilyn / Der Meister und Margherita, 1981 (GiG Records)
- Charlie Chan /Chinese Chive, 1981 (GiG Records)
- Zu klug für diese Welt / Die neuen Maschinen, 1982 (GiG Records)
- Der Meister und Margerita / Tote Körper tanzen anders, 1982 (GiG Records)
- Vogue Girl / Zu klug für diese Welt, 1983 (GiG Records)
- Der Spezial-Agent / (Zum Glück ist) Don Quichote (zurück), 1984 (GiG Records)
- Hooper / Da Hofer, 1988 (Ton um Ton, Vis Maior)
- Nervengas, 2011
- Der Rhythmus dieser Stadt, 2015 (Edition Nebelteich, Recordbag)
- Women in Prison / Stealing Russians in Watchia, 1979/2021 (Bachelor Archives, Demo Suzuki)
Quellen
Literatur
- Al Bird Sputnik: FM4 Schnitzelbeats–„Chuzpe“ [Stand: 20.02.2023]
- Manfred Rebhandl: Robert "Räudig" Wolf: Wie der Punk nach Wien kam. In: Der Standard, Album, 8.4.2017 [Stand: 20.02.2023]
- Daniel Göschl: Ein Interview mit dem Sänger von Österreichs erster Punkband. In: Vice, 24.11.2014 [Stand: 20.02.2023]
- Sebastian Fasthuber: "Immer haarscharf am Punkt vorbei". Mica-Interview mit Chuzpe (Robert Wolf), 03.06.2014 [Stand: 20.02.2023]
- Christian Schachinger: Chuzpe: Was vom Punkrock übrigblieb. In: Der Standard, 21.05.2014 [Stand: 20.02.2023]
- Thomas Kramar: Austro-Pop: Chuzpe sind wieder da. In: Die Presse, 24.04.2014 [Stand: 20.02.2023]
- Rainer Krispel: Interviews Chuzpe. Die guten Kräfte revisited. In: Ox-Fanzine, Ausgabe #103 August/September 2012 [Stand: 20.02.2023]
Chuzpe im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.
Weblinks
- Austriancharts
- Facebook: Chuzpe
- Filmarchiv Austria: Es ist zum Scheissn
- Discogs: Rudi Barcal
- Discogs: Band Chuzpe
- Discogs: Stephan Wildner
- Discogs: Robert Wolf
- SR-Archiv österreichischer Popularmusik: Band Chuzpe
- Stadtkino Wien: Chuzpe
- Wienbibliothek im Rathaus: Eröffnung der Foyer-Ausstellung "BLITZLICHTER". Das Populärkulturelle Archiv der Wienbibliothek
- Wikipedia: Band Chuzpe