Die Gürtelstraße, auf dem ehemaligen Linienwall angelegt, galt noch bis nach dem Zweiten Weltkrieg als beliebte Wohngegend. Erst der stark zunehmende motorisierte Verkehr im Zeitalter der Massenmotorisierung bewirkte einen radikalen Wandel: die Wohnqualität sank dramatisch ab, kaufkräftige Bevölkerungsschichten zogen in andere Bezirke, während einkommensschwächere Schichten, vor allem Einwanderer, nachfolgten. An den westlichen Abschnitten des Gürtels siedelten sich vermehrt Bordelle an.
Dieser Trend zur Fokussierung des Gürtels auf die Funktion als innerstädtische Hauptverkehrsachse war im Rahmen der Stadtplanung auch bewusst gefördert worden. Die Intensivierung des Verkehrsaufkommens wurde von der Stadtplanung zunächst als Fortschritt begriffen. Auch die Wiener Alwegbahnpläne (ab 1958) bezogen sich hauptsächlich auf den Bereich des Gürtels. Hier gab es die Überlegung eine zweistöckige aufgestelzte Stadtautobahn mit integrierter Alwegbahn über den Gürtelbögen zu errichten. Im Lauf des Jahres 1962 kam es zum Abrücken von der Umsetzung der Alwegbahn [1].
Den Planungen Josef Dorfwirths (Verkehrsplaner und Professor an der Technischen Universität), zufolge sollte im Bereich des Gürtels eine Stadtautobahn in Hochlage errichtet werden. Das Bundesstraßengesetz 1968 sah bereits eine Autobahn entlang des Gürtels vor. Diese sollte die Nordostautobahn (Margaretengürtel – St. Marx – Erdberger Mais – Stadlau – Aderklaa, heute Teil der Südosttangente) mit der Nordautobahn (Margaretengürtel – Döblinger Gürtel – Donaukanal – Nordbrücke – Stammersdorf – Mistelbach – Staatsgrenze) verbinden. In der Novelle 1971 des Bundesstraßengesetzes wurde daraus eine eigene "A 20 Wiener Gürtel Autobahn". Am Gaudenzdorfer Gürtel war ein riesiger Kleeblatt-Knoten mit der Wientalautobahn geplant. Den Anfang der Realisierung einer Gürtelautobahn stellte die 1962 bis 1964 erfolgte Errichtung der Gürtelbrücke dar.
Gegen den Weiterbau dieser "A20" wurden in Medien und von Bürgerinitiativen immer schärfere Proteste erhoben. Bürgermeister Felix Slavik proklamierte daraufhin im September 1972 eine scharfe Abkehr vom Konzept der Stadtautobahn, die die Stadt "zerteilen" würden (man sprach nur mehr von "Hochleistungsstraßen"). Heute erinnert der Landstraßer Ast der Südosttangente noch an diese Pläne.
Auch ohne den gesetzlichen Status als Autobahn und weitere Ausbaumaßnahmen blieb der Gürtel eine der meistbefahrenen Straßen Österreichs mit einer hohen Lärm- und Feinstaubbelastung für die Anrainer. Seit den 80ern gibt es immer wieder Anläufe, den Gürtel zu untertunneln, wie am Matzleinsdorfer und Südtiroler Platz auch umgesetzt. Noch 2015 präsentierte der damalige ÖVP-Wien Obmann Manfred Juraczka die Gürtel-Untertunnelung als eine von "50 schwarzen Ideen für Wien".
Weblinks
Literatur
- ASFINAG, Das Autobahnnetz in Österreich. 30 Jahre Asfinag. Wien 2012, S. 110
Einzelnachweise
- ↑ Wien verzichtet auf Alwegexperiment. In: Die Presse 22.12.1962 S. 7