Gaudenzdorfer Gürtel
48° 11' 4.83" N, 16° 20' 41.14" E zur Karte im Wien Kulturgut
Der Gaudenzdorfer Gürtel (12., Gaudenzdorf) ist benannt (5. Juli 1894 Stadtrat) nach einem 1892 eingemeindeten Vorort beziehungsweise dessen Namensgeber, dem Probst des Stifts Klosterneuburg Gaudentius (Gaudenz) Edler von Dunkler. Die vorherige Bezeichnung war Gürtelstraße; die dem Stadtzentrum zugewandte Fläche im Grenzgebiet des 5. und des 12. Bezirks ist seit 5. Juli 1910 (Stadtrat) Teil des Margaretengürtels. Der Gaudenzdorfer Gürtel wurde am 10. Dezember 1952 durch Einbeziehung eines Teils der Dunklergasse verlängert.
Linienwall
Entlang des Gaudenzdorfer Gürtels befindet das Grenzgebiet der alten Stadt- und Zollgrenze, der Linienwall, von dem heute noch die Hundsturmer Kapelle zu sehen ist. Stadt und Vorstädte wie Hundsturm (heute Teil des Stadtbezirks Margareten) waren mit dem Linienwall deutlich von den Vororten wie eben Gaudenzdorf getrennt. Damit wurde eine Grenze im Wiener Siedlungsgebiet konstituiert, die bis in die heutige Zeit nachwirkt und in der Topographie erkennbar ist. Die an der Linie ab 1829 eingehobene Verzehrungssteuer musste bis zu deren Eingemeindung von 1890/1892 in den Vororten nicht errichtet werden. Die merkbar niedrigeren Lebensmittelpreise vor den Toren von Wien förderten Gastwirtschaft und Brauhäuser, und führten zu rapidem Bevölkerungswachstum und der Entstehung von Elendsquartieren. Der steuerliche Vorteil und der für Versorgung und Entsorgung günstige Standort am Wasser der Wien führte ab 1820 zur Errichtung und Expansion von Gewerbebetrieben und industrieller Fabrikation (Textil- und Papierfärbereien, Gerbereien, Kattundruckereien und Tapetenfabriken) auf den vormals landwirtschaftlich genutzten Flächen flussaufwärts. Die Arbeit wurde oft direkt am Fluss verrichtet, und führte zu Nutzungskonflikten und Regulierungsbedarf.
Gewerbe und Industrie
Der Gaudenzdorfer Gürtel erstreckt sich entlang des ehemaligen Standorts des Gaudenzdorfer Gaswerks und des dazugehörigen Gasbehälter Gaudenzdorf, Teile des früheren Versorgungssystems mit Stadtgas durch die privaten Gaswerke, in Betrieb 1855 bis 1911, Abbruch 1912. Die Gasversorgung und die Lage am Wienfluss in den noch dünn besiedelten Vororten außerhalb des Linienwalls führte zu einer intensiven gewerblichen und industriellen Nutzung. Es besteht der Verdacht auf Kontamination des Bodens durch toxische Reststoffe der Stadtgas-Herstellung, daher blieb das Gelände neben dem Wienfluss als Altlastenverdachtsfläche unbebaut. Zu den Nachnutzungen bis in die 1980er Jahre zählt u.a. ein Fußballplatz, heute erstreckt sich auf dem Gelände die Magerwiese der Stadtwildnis.
Das Gumpendorfer Schlachthaus auf der linken Seite des Wienflusses gegenüber der Stadtwildnis entstand aus der rechtlichen Regulierung und Konzentration der Schlachtung, Bau 1847 bis 1851, Abriss 1907. Die Schlachtung der Rinder fand aus steuerlichen Gründen innerhalb des Linienwalls statt. Die Abwässer des Schlachthauses wurden bis zum Anschluss an den Linker Wienfluss-Sammelkanal ungereinigt in den Wienfluss geleitet.
Wienfluss
Der Wienfluss wurde wegen seines hygienisch bedenklichen Zustandes im Schwemmland und der verlustreichen Hochwässer immer mehr als Gefahr wahrgenommen. Gleichzeitig erhöhten sich die Dichte der Arbeitsstandorte und die Arbeiter wiederum fanden erschwingliche Wohnmöglichkeiten im günstigen Bauland. Das Stadtphysikat verordnete auf breiten Wunsch der unterliegenden Anrainer gegen die vom Wienfluss ausgehende Geruchsbelästigung 1873 die Einleitung von Eisenvitriol als Desodorierungsmaßnahme. Die Angst vor neuen Epidemien wie der Cholera führte nicht nur zum Bau der Hauptsammelkanäle, sondern auch zur Forderung nach sauberer Wasserversorgung sowie umfassenden Flussregulierungs- und Assanierungsmaßnahmen.
Heute ist der Wienfluss am Gaudenzdorfer Gürtel ab der U4-Station Margaretengürtel bis zur Wientalbrücke der Stadtbahn überwölbt, und die aquatische Landschaft unter dem Beton der Verkehrsflüsse (Gürtel, Linke Wienzeile, U4, Straßenbahnlinien 18 und 6) rund um die Stadtwildnis unsichtbar. Die Linie U6 überquert den nördlich anschließenden Sechshauser Gürtel in Hochlage.
Pfarrzugehörigkeit bis 1938
Bis 1938 lag die Standesführung in Österreich in den Händen der konfessionellen Behörden. Die Geburts-, Ehe-, und Sterbematriken von katholischen Bewohnerinnen und Bewohnern wurden von der zuständigen Pfarre geführt.
(Stand 1929: Er reicht ursprünglich von der heutigen Dunklergasse 13 bis zur Arndtstraße: 1-3 im 5. Bezirk, sonst im 12. Bezirk, seit 1907 ganz im 12. Bezirk. Wird 1908 aufgelassen: im 5. Bezirk zum Margareten-Gürtel, im 12. Bezirk zur Dunklergasse (heute 1-13) gezogen. 1910 wird die im 12. Bezirk gelegene Seite des Margareten-Gürtels als Gaudenzdorfer Gürtel neu benannt.)
- ab 1894: Pfarre Meidling
- ab 1906: Pfarre Neu-Margareten
Literatur
- Rudolf Geyer: Handbuch der Wiener Matriken. Ein Hilfswerk für Matrikenführer und Familienforscher. Wien: Verlag des Österreichischen Instituts für Genealogie, Familienrecht und Wappenkunde, 1929
- Friedrich Hauer: Die Verzehrungssteuer 1829 – 1913 als Grundlage einer umwelthistorischen Untersuchung des Metabolismus der Stadt Wien. Social Ecology Working Paper 129. Univ. Klagenfurt. Wien. 2010. URL: http://www.uni-klu.ac.at/socec/downloads/WP129_web.pdf [Stand: 20.08.2015]
- Gudrun Pollack: Verschmutzt - Verbaut - Vergessen. Eine Umweltgeschichte des Wienflusses von 1780 bis 1910. Social Ecology Working Paper 138. Univ. Klagenfurt. Wien. 2013. URL: http://www.uni-klu.ac.at/socec/downloads/WP138_webversion.pdf [Stand: 20.08.2015]