Brauhäuser
Als Brauhäuser oder Brauereien werden Einrichtungen bezeichnet, welche Bier herstellen und vertreiben. Die Bezeichnung gilt auch für Gebäude, in denen Bier gebraut wird.
Die Einführung des Biers erfolgte im mittelalterlichen Wien vergleichsweise spät. Für Produktion und Ausschank erhielt 1432 das Bürgerspital ein Monopol.
Die industrielle Herstellung von untergärigem Lagerbier revolutionierte das Brauwesen und sorgte für einen Konzentrationsprozess. Die Brauereibesitzer schlossen sich im mächtigen Brauherrenverein zusammen und gehörten zu den reichsten Männern der Donaumonarchie.
Sinkender Bierkonsum führte nach 1900 zu Schließungen von Brauereien und deren Umwandlung in Aktiengesellschaften. Um 1980 existierte nur noch eine namhafte Wiener Brauerei. In jüngerer Zeit lässt sich ein entgegengesetzter Trend feststellen. Nicht zuletzt aufgrund der Craft-Beer-Welle entstanden in Wien im 21. Jahrhundert zahlreiche Kleinbrauereien.
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Anfänge
Schon Anfang 13. Jahrhundert wurde in Wien Bier getrunken, doch erfolgte die Zubereitung anfangs in den Haushalten. Als erste namentlich bekannte Wiener im Braugewerbe werden 1212 ein Herr Ebro, der Bier nach Wien einführen durfte, 1233 ein Herr Otto Prew als Zeuge in einem Grundstückskauf und 1391 als wahrscheinlich erster Brauer ein Ebro praxator genannt. In der Stadtverfassung von Albrecht II. wird 1340 erstmals das Wort „Bier“ erwähnt. 1380 wurde mit Rücksicht auf den Schaden, den viele Weingartenbesitzer durch den wachsenden Bierkonsum erlitten, das uneingeschränkte Brauen und Ausschenken des Biers verboten, von Herzog Albrecht III. in ein landesfürstliches Monopol (Bierbrau- und Schankmonopol) umgewandelt und als Lehen vergeben. Das erste gewerbsmäßig betriebene Brauhaus stand in der Weidenstraße vor dem Widmertor.[1]
Das Brauhaus des Bürgerspitals
Ab 1384 befand sich in der Weidenstraße vor dem Widmertor ein Brauhaus. Um 1400 wurde es vom Spitalmeister des Bürgerspitals Hans Zink erworben und kam über seinen Nachfolger Stephan Kraft 1432 direkt an das Bürgerspital, welches dadurch innerhalb des Wiener Burgfrieds ein Monopol auf Bierbrauerei und Bierausschank erlangte. Den Ausschank im Bierhaus des Spitals besorgte der so genannte Bierleutgeb. Das Bürgerspital vor dem Kärntnertor sowie das Brauhaus wurden im Zuge der Ersten Osmanische Belagerung (1529) zerstört und nicht wieder aufgebaut. Im neuen Bürgerspital im St. Clara-Kloster am Schweinemarkt entstand erst 1537 ein neues Brauhaus. Zu seiner Unterbringung wurde im Spital ein eigener Trakt eingerichtet. Im Verlauf der Frühen Neuzeit kam das Bürgerspital in den Besitz weiterer Brauhäuser. Ab circa 1588 bis 1663 betrieb es ein Brauhaus in der Spitalmühle vor dem Kärntnertor. 1676 nahm das Spital das Brauhaus im Unteren Werd neben seinem dortigen Meierhof in Betrieb. Mit der Inkorporierung des Spitals St. Marx 1706 kam auch das dortige Brauhaus an das Bürgerspital (Brauhaus St. Marx). Als das Bürgerspital 1783-1790 zu einem Zinshaus umgebaut wurde (Bürgerspitalzinshaus), wurde der Braubetrieb eingestellt. Ende 1789 wurde das Brauhaus demoliert und durch einen zum Bürgerspitalzinshaus gehörenden vierstöckigen Wohnhaustrakt ersetzt, der gegen die Augustinerbastei hin lag.
Brauhäuser in den Vorstädten und Vororten
Da das Monopol des Bürgerspitals nicht für Grundherrschaften galt, entstanden innerhalb des Wiener Burgfrieds im 16. Jahrhundert in Margareten, Hundsturm und Gumpendorf sowie am Ende des 17. Jahrhunderts im Lichtental weitere Brauereien. Dazu kam eine kurzfristig tätige Klosterbrauerei in St. Theobald am Ende des 15. Jahrhundert. Im 19. Jahrhundert bestand das Monopol nur mehr pro forma und so kamen in der Vorstadt Landstraße (Brauerei Neuling) und für einige Jahre auf der Wieden (Brauhaus auf der Wieden) noch zwei Brauereien dazu.
Auch in den Vororten gab es zahlreiche Brauereien. Die älteste dürfte im 14. Jahrhundert in Hernals gegründet, aber bald wieder geschlossen worden sein. An der Wende vom 16. zum 17.Jahrhundert wurden Brauereien in Simmering, Kaiserebersdorf, Hütteldorf und auf dem Schellenhof gegründet, bevor es am Ende des 18. bzw. am Beginn des 19. Jahrhunderts zu einer Gründungswelle kam. Innerhalb von 100 Jahren entstanden in Jedlesee, Fünfhaus, Hernals, Gaudenzdorf, Grinzing, Nußdorf, Ottakring, Penzing, Rustendorf, Währing, Oberdöbling, Liesing, Neu-Erlaa, Rodaun, Aspern und Floridsdorf 16 Brauhäuser, die aber in manchen Fällen keine lange Betriebsdauer hatten. Insgesamt gab es 1700 innerhalb der heutigen Wiener Grenzen 10, im Jahr 1800 17, im Jahr 1900 12 Brauhäuser und nach 1945 nur mehr Liesing, Ottakring und Nußdorf.
Zwischen 1840 und 1845 erfolgte in Wien eine „Bierrevolution“, die von Anton Dreher senior in Schwechat und Adolf Ignaz Mautner in St. Marx ausgelöst wurde. Anstelle des bis dahin meist obergärig gebrauten Bieres, produzierten diese beiden ein erstmals nach modernen wissenschaftlichen Verfahren untergäriges Bier, das als Wiener Lagerbier bald Weltruf errang.
Brauhäuser im Wiener Umland
Die wahrscheinlich größte Brauhausdichte in der Monarchie gab es im Südosten Wiens in der Region um Schwechat. Allein in dieser Stadt gab es 1632 bereits drei Brauhäuser, die später nach ihren Besitzern Figdor, Popper und Tüncz/Haukh benannt wurden. Dazu kam noch in diesem Jahr Klein-Schwechat hinzu, das rund 200 Jahre später unter Anton Dreher senior das größte des europäischen Kontinents werden sollte. Trotzdem wurde in dieser Stadt noch 1903 das spätere Stadtbräuhaus gegründet. Rund um Schwechat entstanden zwischen 1590 und 1650 weitere neun Brauhäuser, und zwar in Himberg, Leopoldsdorf, Ebergassing, Schwadorf, Oberlanzendorf, Zwölfaxing, Mannswörth, Fischamend und Gramatneusiedl sowie nördlich der Donau in Groß-Enzersdorf.
Nicht so zahlreich waren die Brauhäuser in den Gemeinden südlich und westlich von Wien. Im 16. Jahrhundert wurden Betriebe in Gaaden und Perchtoldsdorf, im 17. Jahrhundert in Biedermannsdorf, Klosterneuburg, Achau und Gablitz, im 18. Jahrhundert in Neudorf und Brunn sowie im 19. Jahrhundert in Mödling und eine zweite in Klosterneuburg errichtet. Auch diese Brauhäuser existierten zum Teil nur wenige Jahre bzw. mussten im 19. Jahrhundert den Wiener Großbrauereien weichen. Im Wiener Umland gab es 1700 17, im Jahr 1800 19, im Jahr 1900 vier Brauhäuser und nach 1945 nur mehr Schwechat und das Stadtbräu in der gleichen Stadt.[2]
Produktion im 19. Jahrhundert
Im 19. Jahrhundert veränderten sich die Produktionszahlen der jeweils 10 größten Wiener Brauhäuser erheblich. Der Gesamtausstoß aller Brauhäuser in Wien und seinem Umland veränderte sich zwischen 1837 und 1900 von rund 800.000 auf weit über 3 Millionen Hektoliter. Die Produktionszahlen der jeweils 10 größten Wiener Brauhäuser veränderten sich wie folgt (Angaben in 1000 Hektoliter):
1837 | 1900 | ||
---|---|---|---|
Jedlesee | 63 | Schwechat | 630 |
Hundsturm | 42 | St. Marx | 505 |
Lichtental | 38 | Liesing | 361 |
Neuling | 35 | Nußdorf | 229 |
Hütteldorf | 34 | Ottakring | 226 |
Simmering | 32 | Hütteldorf | 181 |
Gaudenzdorf | 31 | Simmering | 176 |
Ottakring | 31 | Schellenhof | 136 |
Nußdorf | 31 | Jedlesee | 127 |
Margareten | 30 | Ober-Döbling | 87 |
Der Gesamtausstoß aller Brauhäuser in Wien und seinem Umland stieg zwischen 1837 und 1900 von rund 800.000 auf weit über 3 Millionen Hektoliter.[3]
In der Folge sank die Zahl der Brauereien durch Konzentrationsprozesse in der Brauindustrie beträchtlich. 1929 gab es in Wien 20 Brauereien, 1983 nur noch zwei. In jüngerer Zeit lässt sich ein entgegengesetzter Trend feststellen. Nicht zuletzt aufgrund der Craft-Beer-Welle entstanden in Wien im 21. Jahrhundert auch zahlreiche Kleinbrauereien.
Karte
Karte der im Wien Geschichte Wiki verzeichneten Brauhäuser bzw. Brauereien in Wien und im Wiener Umland.
- Nicht mehr bestehende Brauhäuser bzw. Brauereien
- Noch bestehende Brauhäuser bzw. Brauereien
Bilder
Siehe auch
- Bier
- Bierzeiger
- Bierführer
- Brauherren
- Brauherrenverein
- Vereinigte Brauereien
- Mautner-Markhof
- Dreher (Familie)
- Meichl (Familie)
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Bürgerspital, U1: 533 - Albrecht V. überträgt 1432 dem Bürgerspital das Bierrecht
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Bürgerspital, B27 - Bierwesen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Innungen und Handlungsgremien: Bierbrauer
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Städtisches Brauhaus
Literatur
- Michael Altmann: Das Wiener Bürgerspital: zur Erinnerung an die Eröffnung des neuen Bürger-Versorgungshauses in der Alservorstadt. Wien 1860
- Hans Berka: Lebensmittelarbeiter als berühmte Zeitgenossen. Hundert Lebensbilder mit 91 Porträtzeichnungen. Wien: Verlag des Österreichischen Gewerkschaftsbundes 1959, S. 90 (Brauereiausstoß)
- Alfred Paleczny: Die Wiener Brauherren. Das goldene Bierjahrhundert. Wien: Löcker 2014
- Alfred Paleczny / Christian M. Springer / Andreas Urban: Geschichte der Schwechater Brauerei. Wien: Löcker 2021
- Gerlinde Sanford: Wörterbuch von Berufsbezeichnungen aus dem siebzehnten Jahrhundert. Gesammelt aus den Wiener Totenprotokollen der Jahre 1648-1668 und einigen weiteren Quellen. Bern / Frankfurt am Main: Lang 1975 (Europäische Hochschulschriften. Reihe 1: Deutsche Sprache und Literatur, 136), S. 13
- Leopold Sailer: Das Bierbrau- und Schankmonopol des Wiener Bürgerspitals. Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Wien Band VI (1926)
- Christian M. Springer / Alfred Paleczny / Wolfgang Ladenbauer: Wiener Bier-Geschichte. Wien: Löcker 2016
Weblinks
Referenzen
- ↑ Leopold Sailer: Das Bierbrau- und Schankmonopol des Wiener Bürgerspitals. Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Wien Band VI 1926, S.1-3.
- ↑ Alfred Paleczny: Die Wiener Brauherren. Das goldene Bierjahrhundert, Wien: Löcker 2014, S. 24-27; Christian M. Springer; Alfred Paleczny; Wolfgang Ladenbauer: Wiener Bier-Geschichte. Wien: Löcker 2017, S. 17-26; Alfred Paleczny; Christian M. Springer, Andreas Urban: Geschichte der Schwechater Brauerei. Wien: Löcker 2021, S. 32-36.
- ↑ Alfred Paleczny: Die Wiener Brauherren. Das goldene Bierjahrhundert. Wien: Löcker 2014, S. 231 Anhang.