48° 11' 32.75" N, 16° 24' 33.44" E zur Karte im Wien Kulturgut
Erdberger Maiß (3., Erdberg, auch Erdberger Mais geschrieben), inoffiziell bereits vor 1863 so benannt, amtlich 1905.
Um das Jahr 1700 ein Waldflecken (der, die oder auch das mais, im Volksmund mas = Jungholz), der von einer Schlinge des Donaukanals in großem Bogen (Dreiviertelkreis) umschlossen wurde (Donauprallhang); ein Nebenarm ging quer durch den Maiß, sodass ein Teil desselben auf einer Insel lag ("Schrankenhäufel"). Der Erdberger Maiß ist ein historisch gut dokumentiertes Beispiel für die Auswirkungen der Dynamik der Donau auf die Entwicklung des Stadtgebiets und die Auswirkungen lokaler Regulierungsmaßnahmen auf die Flusslandschaft.
Der Erdberger Maiß oder Mais entstand durch die Begradigung eines Doppelmäanders am Donaukanal. Um 1715 wurde eine weiter nördlich gelegene kleine Flussschlinge, die drohte nach Norden hin zum Hauptarm der Donau durchzubrechen und dadurch einen Teil des Praters zu erodieren, mittels eines Durchstiches abgeschnitten und begradigt. 1726 wurde auch die große Kanalschlinge um den Maiß durchschnitten und abgedämmt. Der Damm war so beschaffen, dass weiterhin zumindest einmal im Jahr Überschwemmungen möglich waren, die Feinsedimente in das alte Flussbett spülten und so die Verlandung des Altarmes vorantrieben. Diese wasserbauliche Maßnahme ist zugleich der Beginn der Siedlungsgeschichte des Maißes. Der Maiß konnte vom Dorf Erdberg über den Damm und eine schmale Holzbrücke (im Verlauf der heutigen Erdbergstraße) erreicht werden. Die Erdbergstraße trat an ihrem südlichen Ende in das Gelände und endete dort. Hier begann die sich entlang des Donaukanals über die Simmeringer Haide bis Kaiserebersdorf ausdehnende Ansiedlung der Gärtner. Als ehemaliges Schwemmland eignete sich der Erdberger Maiß gut zur Anlage von Gemüse- und Krautgärten, ein Umstand der bereits 1732 in einer von einem unbekannten Dichter verfassen Hymne an "Erdbergs Fruchtgärten" gewürdigt wurde.[1] Er wurde spätestens seit den 1740er Jahren in mehreren Schritten parzelliert und landwirtschaftlich genutzt, später auch teilweise bebaut. 1742 tauschten die Erdberger mit der Gemeinde Stadlau zwei Viehweiden gegen Gründe auf dem Maiß, der de jure noch zum Prater gehörte. Als solches war er landesfürstliches Eigen. In den darauf folgenden Jahren kam es zu einer Reihe von Auseinandersetzungen zwischen den Erdbergern, die ihre Krautgärten einzäunten, um sie gegen das Wild und andere Eindringlinge zu schützen, und dem kaiserlichen Oberjägermeisteramt, das an der ungehinderten Bewegung des Wildes interessiert war. Erst 1751 erhielten die Erdberger gegen Zinszahlung die Erlaubnis zur Einzäunung.
Der Altarm trocknete bis um 1800 vollständig aus. An Stelle des ehemaligen Flussbetts legten die Gärtner weitere Anbauflächen und den bis in das späte 20. Jahrhundert bestehenden Rundweg an. Die Gärten des Maißes wuchsen mit älteren Gärten Erdbergs zu einer der größten zusammenhängenden Gemüseanbauflächen Wiens zusammen. In der Parzellenkonfiguration blieben die Konturen des ehemaligen Donauarmes aber weiterhin deutlich sichtbar. Am Erdberger Maiß befand sich 1825 ungefähr ein Fünftel der stadtnahen Gemüseanbauflächen.
Das rasante Wachstum der Stadt im 19. Jahrhundert wirkte sich auch auf dem Erdberger Maiß aus. An der St. Marxer Linie entstand ab 1851 der Komplex des städtischen Schlachthauses und Zentralviehmarkts, dessen Hallen und Ställe sich seit den 1890er Jahren auch auf den Maiß ausdehnten. 1877 wurde ein Regulierungsplan genehmigt, die gründerzeitliche Bebauung auf dem Gebet blieb allerdings ein Fragment. Bis 1920 entstanden nur etwa 40 Zinshäuser am nördlichen Rand des Maißes. In den Gartengründen nahm die Zahl kleinerer Gebäude zu, da Gärtnereibetriebe sich vermehrt auch außerhalb des Erdberger Dorfkerns ansiedelten. Am Ende des 19. Jahrhunderts war der Erdberger Maiß durch eine Mischung aus Gemüsegärten, Wohnhäusern und Industrieanlagen gekennzeichnet. Die auch weiterhin vorwiegend mit Gemüsebau beschäftigten landwirtschaftlichen Kleinbetriebe Erdbergs erlitten im Zweiten Weltkrieg durch Bombenangriffe schwere Schäden.
Nachdem das Gebiet zwischen Donaukanal, Simmeringer Hauptstraße und Schlachthausgasse (Business-Stadt über der Erdberger Remise der U3) im Laufe der Jahrzehnte zu einem industriedominierten Stadtteil geworden war (Gaswerk, E-Werk, U-Bahn-Betriebsbahnhof), begann man in den 1970er Jahren mit der Verbauung eines Teilgebiets durch Bürogebäude (darunter Bundesamtsgebäude mit dem Österreichischen Staatsarchiv, Postzentrum Erdberger Lände, Textilzentrum).
Als die Verlängerungsstrecke der U3 zunächst bis Erdberg (1991), schließlich bis Simmering (Dezember 2000) in Betrieb genommen sowie die "Gasometer-City" (mit 600 Wohnungen, durchgehender Shopping-Mall, Kino- und Entertainment-Bereich sowie dem Wiener Stadt- und Landesarchiv) fertig gestellt worden war, stand man am Beginn des Ausbaus eines städtebaulichen Hoffnungsgebiets.
Als erstes Großobjekt wurde 2004 das vom Architektenteam Domenig, Eisenköck & Peyker erbaute "T-Center" am äußeren Rennweg (in dem die drei Gesellschaften der Deutschen Telekom in Österreich [T-Mobile Headquarter, T-Online, T-Systems] untergebracht wurden, die bis dahin auf sieben Standorte in Wien verteilt gewesen waren) fertig gestellt und bezogen. Der "Office Campus Gasometer" (nördlich der Gasometer) folgte.
Im "Karree St. Marx" auf dem Gelände des ehemaligen St. Marxer Schlachthofs wurden bis dato etwa 400 Wohnungen errichtet, auf 30.000 Quadratmeter wurden Arbeitsplätze in den Bereichen Dienstleistung, Forschung und Verwaltung sowie das von der Bundesimmobiliengesellschaft errichtete Biotechnologie- und Genforschungs-Zentrum "Vienna Bio Center" errichtet.
In Nachbarschaft zum T-Center entstanden das Bürogebäudeareal Town-Town und "Gate 2", ein Stadtviertel, für das Hans Hollein, Heinz Neumann und Hermann & Valentiny die Pläne ausgearbeitet haben.
Siehe auch: Wien 3, Erdberger Maiß (1823).
Quellen
Literatur
- Friedrich Hauer / Severin Hohensinner: Wasser, Garten, Stadtfragment. Entstehung und Metamorphosen des Erdberger Maises. In: Wiener Geschichtsblätter 71/2 (2016), S. 77-93
- Friedrich Hauer / Christina Spitzbart-Glasl: Nebenvorteile und Erbschaften einer Wasserstraße. Bedeutung und Permanenz von sekundären Nutzungen am Wiener Neustädter Kanal in Wien. In: Wiener Geschichtsblätter 72/2 (2017), S. 155-187
- Das Landstraßer Heimatmuseum. Heft 8. Wien: Verein zur Erhaltung und Förderung des Landstraßer Heimatmuseums 1971, Heft 15, S. 2
- Format 48/2003, S. 51 (Werbung)
- Elfriede Mejchar (Fotografien) / Lisa Wögenstein [Hg.]: Elfriede Mejchar - Fotografien von den Rändern Wiens. Sonderausstellung des Wien Museums 350, Salzburg: Fotohof edition 2008
- Robert Messner: Die Landstraße im Vormärz. 1975, S. 85 f.
- News, Beilage Immobilien Extra (verschiedene Nummern 2003/2004)
- Hans Pemmer: Kleine Wanderung durch Erdberg. In: Stadt Wien, 04.11.1967, S. 13-15
- Verena Winiwarter / Christoph Sonnlechner [u.a]: Wien und seine Gewässer. Eine turbulente Umweltgeschichte. Wien: Wiener Stadt- und Landesarchiv 2015 (Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs, Reihe B: Ausstellungskataloge 93), S. 19
Einzelnachweise
- ↑ De Fertilitate Hortorum Herbariorum in Erdberg, ins Deutsche übertragen von Gottlieb Leon und abgedruckt bei Alois Groppenberger von Bergenstamm: Geschichte der Vorstädte und Freygründe Wiens vor dem Stubenthore, welche die Weißgärber, Erdberg, St. Marx und die Landstraße enthält; aus Urkunden gezogen; Von dem Verfasser den ehrwürdigen Frauen Elisabethinerinnen auf der Landstraße zur Unterstützung ihres Krankenspitals gewidmet. Wien 1812, S. 35.