Girozentrale
48° 12' 8.09" N, 16° 22' 36.02" E zur Karte im Wien Kulturgut
Gebäude
Girozentrale (1, Schubertring 5, Fichtegasse 10 [ Adeliges Casino ], Beethovenplatz 3 [Gutmannpalais]).
Die ersten Geschäftsmonate verbrachte die Girovereinigung in 1., Falkestraße 6 neben dem Postsparkassenamt. 1939 wurde von der Familie Gutmann, die als Juden das Land verlassen mussten, das Adelige Casino (Schubertring 5/Fichtegasse 10/Beethovenplatz 3) und das Palais Gutmann (Fichtegasse 12/Beethovenplatz 3) im Rahmen einer Arisierung erworben. Nachdem die Familie Gutmann nach dem Zweiten Weltkrieg die Gebäude wieder zurückerhalten hatte, wurden sie von der Girozentrale 1950 rechtlich einwandfrei erworben. 1968/69 erwarb die Girozentrale die Nebengebäude, das Palais Ötzelt (Schubertring 7/Christinengasse 1) und das Mietpalais Borckenstein (Beethovenplatz 2/Christinengasse 3) und verband diese vier Häuser in mehreren Umbauschritten miteinander, wobei die Geschoße jedoch weiter eine unterschiedliche Höhe aufwiesen.[1] 1956-1961 erfolgte durch Carl Kronfuss ein erster Umbau der Innenräume und Treppenhäuser. Der Entschluss der Girozentrale, aus Anlass ihres 50-jährigen Bestehens 1987 den gesamten Gebäudekomplex in Stand zu setzen, wurde eines der umfangreichsten denkmalpflegerischen Unternehmen im Ringstraßenbereich (Planung Ernst Hiesmayr und Emil S. Lusser, restauratorische Arbeiten Hubert Bauer), wobei auch auf die originalgetreue Rekonstruktion der Fassaden Wert gelegt wurde. Besonders schwierig war die Wiederherstellung an der Ringstraßenseite, insbesondere wegen der Veränderung der Portalsituation und der (verkürzten) Neuherstellung des Balkons.
Institut
Die Girozentrale war in der 2.Hälfte des 20.Jahrhunderts eine der drei Großbanken Österreichs und das Spitzeninstitut des Sparkassensektors. Sie wurde nach einer langen Vorarbeitsphase Ende 1937 unter dem Namen "Girovereinigung der Sparkassen" gegründet. 1939 wurde sie durch den nationalsozialistischen Reichswirtschaftsminister aufgelöst, der ihr Vermögen auf die "Girozentrale der Ostmärkischen Sparkassen" übertragen ließ. Das als Körperschaft öffentlichen Rechts konstruierte Institut wurde 1957 aufgelöst, in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft als "Girozentrale der österreichischen Sparkassen" (GZ) wieder gegründet, wobei ihr nach wirtschaftlichen Schwierigkeiten in Folge des Falles Haselgruber[2] ab den frühen 60er Jahren ausschließlich österreichische Sparkassen als Aktionäre angehörten.
Ab 1965 lautete der Name "Girozentrale und Bank der österreichischen Sparkassen AG". Ihre Hauptaufgaben lagen in der Realisierung qualifizierter Problemlösungen im Rahmen einer international tätigen Großbank sowie in der Verwaltung und Veranlagung der Liquiditätsreserven der Sparkassen. Sie musste den Geldausgleich durchführen, gemeinsam mit den Sparkassen größere Kredite gewähren und als "Clearing-Stelle" für den bargeldlosen Zahlungsverkehr der Sparkassen fungieren. Die Girozentrale ergänzte die Dienstleistungspalette der Sparkassen, hatte ein gut organisiertes, sektoreigenes Zahlungsverkehrssystem aufgebaut, besaß jedoch bis 1991 keine Zweigstellen. Unter Generaldirektor Josef Taus wurde das Geschäft mit Mittel- und Großbetrieben, privaten und institutionellen Anlegern, öffentlichen Institutionen und Gebietskörperschaften forciert und durch eine Reihe von Tochtergesellschaften in den Bereichen Bausparen, Versicherung, Leasing, Factoring und Investmentfonds ausgebaut. In manchen Bereichen wurde sie Marktführer in Österreich, war als führende Investmentbank die initiativste Bank bei Börseneinführungen neuer heimischer Aktiengesellschaften und sorgte mit neuen Instrumenten für eine Belebung des Kapitalmarkts. Als die Zentralsparkasse der Gemeinde Wien und die Erste österreichische Sparkasse in den 80er Jahren von Wien aus ihre Geschäftstätigkeit auf ganz Österreich ausdehnten und ebenfalls Großbanken wurden, geriet die Girozentrale zunehmend in Konkurrenz zu diesen beiden größten Mitgliedern des Sparkassensektors.
Im Herbst 1991 erfolgte um 2,5 Milliarden Schilling der Kauf des Österreichischen Credit-Instituts von der Bank Austria, in deren Besitz es nach der Fusionierung der Österreichischen Länderbank mit der Zentralsparkasse und Kommerzialbank AG gekommen war. Im Juni 1992 erfolgte die Fusionierung zur GiroCredit, womit die neue Bank über 46 Zweigstellen in ganz Österreich verfügte und sich ihre Konkurrenz zu übrigen Sparkassensektor erhöhte. 1994 erfolgte überraschend die Übernahme der Aktienmehrheit an der GiroCredit durch die Anteilsverwaltungssparkasse der Zentralsparkasse, dem damaligen Hauptaktionär der Bank Austria, die sie 1997 nach dem Kauf der Creditanstalt die Weiterveräußerung an die Erste österreichische Spar-Casse verkaufen musste. Diese fusionierte beide Banken zur Erste Bank der oesterreichischen Sparkassen AG und übernahm die Spitzenfunktion im Sparkassensektor.
Literatur
- Friedrich Achleitner: Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert. Ein Führer. Band 3/1: Wien. 1.-12. Bezirk. Salzburg: Residenz-Verlag 1990, S. 22 f.
- 50 Jahre Girozentrale Wien. 1937 - 1987. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1987
- Die Girozentral-Bank der Sparkassen AG. In: Öffentliche Wirtschaft und Gemeinwirtschaft in Österreich. Grundlagen, Entwicklungen, Dimensionen. Das Handbuch. Hg. vom Verband der Öffentlichen Wirtschaft und Gemeinwirtschaft Österreichs. Wien: Manz 1992, S. 286 ff.
- Herbert Kaspar: Die Bank der Sparkassen – die Bank der Wirtschaft. Die 60-jährige Geschichte der Zentralsparkasse. In: Die Sparkassen – Verantwortung für Wirtschaft und Gesellschaft. Österreichischer Sparkassenverband Wien 2005, S.99-117
- Renate Wagner-Rieger [Hg.]: Die Ringstraße. Bild einer Epoche. Die Erweiterung der Inneren Stadt Wien unter Kaiser Franz Joseph. Band 1. Wiesbaden: Steiner 1969, S. 50
- Renate Wagner-Rieger [Hg.]: Die Ringstraße. Bild einer Epoche. Die Erweiterung der Inneren Stadt Wien unter Kaiser Franz Joseph. Band 4. Wiesbaden: Steiner 1972, S. 474
Einzelnachweise
- ↑ 50 Jahre Girozentrale Wien. 1937 - 1987. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1987, S. 117-149
- ↑ Der Konkurs des Eisenwerkes von Johann Haselgruber in St.Andrä Wördern NÖ war in den 50er Jahren nicht nur einer der größten Insolvenzfälle der frühen 2. Republik, sondern hatte durch die Involvierung der öVP auch nachhaltige politische Auswirkungen.