HS Hetzendorfer Straße 66
48° 9' 59.46" N, 16° 18' 44.77" E zur Karte im Wien Kulturgut
Die Hetzendorfer Straße 66 war eine öffentliche Bürgerschule beziehungsweise Hauptschule (nach 1927) im 12. Wiener Gemeindebezirk, Meidling.
Schulanfänge und -ausstattung
Im Jahr 1876 wurde in Hetzendorf unter Bürgermeister Josef Janisch bereits ein Schulhaus für die Doppelvolksschule in der Hetzendorfer Straße 138 erbaut. Der rasche Wachstum der ehemaligen Vorortsgemeinden im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts sowie das Fehlen einer Bürgerschule veranlasste die Gemeinde dazu, eine solche im Jahr 1898 in der Hetzendorfer Straße 66 zu errichten.[1]
Im Februar 1898 wurde mit den Bauarbeiten beziehungsweise mit der Erdaushebung für den Bau des neuen Schulgebäude für eine Knaben- und Mädchenbürgerschule in der Hetzendorfer Straße 66 begonnen. Mit Beginn des Schuljahres 1898/1899 konnte es bereits in Benützung genommen werden, die Eröffnung war am 15. September 1898. Für das Schuljahr wurde eine Knaben- und Mädchenbürgerschule unter gemeinsamer Leitung gemäß Landesschulrat Erlass vom 22. August 1898 (Zahl 8853), Bezirksschulrat (Zahl 5401/1898) errichtet. Schulleiter war Direktor Emil Nase.
Das Gebäude bestand aus einem auf der Gassenseite zwei- und auf der Hofseite dreistöckigen Haupttrakt und einem ebenerdigen Hoftrakt, in welchem sich der Turnsaal befand. Der Haupttrakt sollte nach der ursprünglichen Genehmigung des Projektes bloß zweistöckig werden, jedoch entschloss man sich nach einer vom Bezirksschulrat initiierten Anregung und nach erfolgter Genehmigung des Projektes dazu, das Dachgeschoss an der Hofseite zu einem dritten Stockwerk auszubilden und mit einem Holzzementdach abzudecken. Das Gebäude enthielt elf Lehrzimmer, zwei Zeichensäle, einen Turnsaal inklusive Garderobezimmer, ein Konferenzzimmer, vier Lehrmittelzimmer, eine Direktionskanzlei und eine Schuldienerwohnung samt Waschküche. Sämtliche Schulräume waren mit Meidinger Regulierfüllöfen versehen: die Lehrzimmer, die Zeichensäle und der Turnsaal mit Lüftungsbetrieb, die übrigen Räume mit Zirkulationsheizung. Das Schulgebäude war an die Hochquellenwasserleitung angeschlossen. Die künstliche Beleuchtung wurde in den Zeichensälen durch diffuses Auerlicht, in den übrigen Räumlichkeiten durch direktes Auerlicht bewerkstelligt.
Sämtliche Lehrzimmer wurden mit Schulbänken, die aus dem städtischen Bankdepot entnommen und nach dem System Aspang umgewandelt wurden, eingerichtet. Auf Ansuchen der Leitung um Überlassung physikalischer Objekte aus dem städtischen Materialdepot wurden im Jahr 1900 mehrere aus der aufgelösten Realschule 2., Obere Augartenstraße stammende physikalische Lehrmittel an diese Schule leihweise überlassen.
Da es in der Hetzendorfer Straße noch keine Kanalisation gab, musste zur Aufnahme der Fäkalien eine Senkgrube hergestellt werden. Die Aborte wurden mit Ölklosetts und Ölpissoires versehen. Die Niederschlags- und Abfallwässer wurden mittels Rohrleitungen in den in der Hetzendorfer Straße gelegenen Wasserlauf geleitet, nachdem hierfür auf Grund des wasserrechtlichen Verfahrens die Bewilligung erwirkt worden war.
Das Schulgebäude wurde 20 Meter hinter die Baulinie der Hetzendorfer Straße gelegt und der zwischen demselben und der Straße befindliche Grundteil zur Anlage eines Schulgartens verwendet, welcher gegen die Straße mit einem auf einer niederen Mauer stehenden eisernen Gitter abgeschlossen wurde. Dadurch versuchte man, das Schulgebäude vom Straßenlärm zu entfernen. Die hübsch ausgeführte Fassade des Hauses war an der Vorderseite mit einem kleinen turmartigen Aufbau geziert.
Erste Entwicklungen
Nach zehnjährigem Bestehen der Bürgerschule war Ferdinand Simon Direktor. Die Schule führte fünf Knabenklassen mit 193 Schülern und fünf Mädchenklassen mit 241 Schülerinnen. Die Konfessionsverteilung war ziemlich homogen: Neben der römisch-katholischen Mehrheit besuchten neun protestantische sowie fünf jüdische Schulkinder die Bürgerschule in der Hetzendorfer Straße 66.
Im Jahr 1901/1902 wurden die Knabenvolksschulklassen der Hetzendorfer Straße 9 (siehe VS Rothenburgstraße 1) in der Bürgerschule Hetzendorfer Straße 66 untergebracht und dem hiesigen Direktor Emil Nafe unterstellt. Nach der Eröffnung des Zubaus in der Rothenburgstraße 1 1905 konnten die Knabenvolksschüler an ihren gewohnten Standort zurückkehren.
Am Vorabend des Ersten Weltkrieges im Schuljahr 1913/1914 besetzte Ferdinand Simon noch immer den Posten des Direktors der Bürgerschule. Die Schule führte fünf Knabenklassen mit 206 Schülern und sechs Mädchenklassen mit 275 Schülerinnen.
Erster Weltkrieg
Während der Zeit des Ersten Weltkrieges waren die Mädchenvolksschule Hetzendorfer Straße 9 sowie die Knabenvolksschule VS Rothenburgstraße 1 in der Hetzendorfer Straße 66 untergebracht, sodass für die Schulkinder der drei Schulkinder dreiteiliger Unterricht erteilt werden musste. Oberlehrer Ferdinand Simon starb am 16. Dezember 1914, weshalb Eduard Neuranter als provisorischer Leiter seine Funktion übernahm. Während der Kriegsjahre sank die Schülerinnen- und Schülerzahl nicht sonderlich:
- 1914/1915: fünf Klassen mit 223 Knaben, sechs Klassen mit 265 Mädchen. Gesamt: 488
- 1915/1916: fünf Klassen mit 191 Klassen, sechs Klassen mit 287 Mädchen. Gesamt: 478
- 1916/1917: vier Klassen mit 170 Knaben, sieben Klassen mit 304 Mädchen. Gesamt: 474
- 1917/1918: vier Klassen mit 172 Knaben, sechs Klassen mit 252 Mädchen. Gesamt: 424
Die Funktion als Religionssammelstelle für den protestantischen sowie jüdischen Religionsunterricht hatte die Bürgerschule Hetzendorfer Straße 66 für die ganze Kriegsdauer inne, auch wenn dies im Schuljahr 1916/1917 nicht angegeben wurde.
Februar 1934
Im Schuljahr 1933/1934 leitete Direktor Jaroslaus Otruba die Hauptschule (frühere Bürgerschulen nach dem Hauptschulgesetz von 1927) für Knaben und Mädchen (frühere Bürgerschule vor dem Hauptschulgesetz von 1927) in der Hetzendorfer Straße 66, die zu diesem Zeitpunkt von 305 Knaben in neun Klassen und 244 Mädchen in sieben Klassen besucht wurde (gesamt: 549). Davon waren 453 römisch-katholisch, sieben altkatholisch, 21 protestantisch, zwei jüdisch und 66 konfessionslos. Die Schule fungierte als Religionssammelstelle für den protestantischen sowie den jüdischen Religionsunterricht. Zudem hatte die Hauptschule eine Expositur in der Volksschule Rothenburgstraße 1. Vor dem Hintergrund der bürgerkriegsähnlichen Ereignisse im Februar 1934 blieben die Schulen vom 13. bis einschließlich 17. Februar 1934 geschlossen. Unmittelbar danach wurde Heinrich Kallner laut Dekret vom 18. Februar 1934 (Zahl I-1095/34) zum provisorischen Leiter der Schule bestellt und bestimmte als solcher ab 19. Februar die Agenden der Schule.
NS-Zeit und Zweiter Weltkrieg
Im Schuljahr 1937/1938 war Direktor Heinrich Kellner Leiter der Schule. Unter den 494 Schulkindern (216 Knaben und 278 Mädchen in insgesamt 14 Klassen) waren noch fünf jüdische Schulkinder. Als Fremdsprache wurde noch Französisch unterrichtet. Zwei Klassen befanden sich in der Expositur Rothenburgstraße 1. Nach dem sogenannten "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 fand ein Wechsel in der Schulleitung statt, denn ab dem Schuljahr 1938/1939 leitete Direktor Friedrich Wolf die Hauptschule. Ab diesem Zeitpunkt besuchten auch keine jüdischen Schulkinder mehr die Schule. Französisch wurde noch weiterhin bis ins Schuljahr 1940/1941 unterrichtet, wobei hier bereits parallel Englisch unterrichtet wurde. Spätestens ab dem Schuljahr 1942/1943 stand dann nur noch Englisch auf dem Lehrplan. Der Turnsaal wurde von der Hitlerjugend sowie vom Bund deutscher Mädel mitbenützt. Im Schuljahr 1942/1943 fungierte die Schule als Religionssammelstelle für den katholischen Religionsunterricht.
Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurden Zimmer von kriegsbedingten Organisationen und Körperschaften in Anspruch genommen, so etwa vom Reichsluftschutzbund (Ortsgruppe 9), vom Wiener Rotes Kreuz zur Abhaltung von Schulungskursen oder dem Wassertrupp der Schutzpolizei. Im letzten Schuljahr wurden die unbenützten Räume als Notunterkunft (Betten) benützt. Zwei Räume dienten der Luftschutz-Sanitätsbereitschaft. Da das Gebäude der Doppelvolksschule Hetzendorfer Straßer 138 für militärische Zwecke benützt wurde, musste diese seit Kriegsbeginn in die Hauptschule in der Hetzendorfer Straße 66 untergebracht werden. Die Schülerinnen- und Schülerzahlen gingen während der Kriegsjahre stark zurück:
- 1939/1940: fünf Klassen mit 139 Knaben, sieben Klassen mit 226 Mädchen. Gesamt: 365
- 1940/1941: vier Klassen mit 140 Knaben, sechs Klassen mit 205 Mädchen Gesamt: 345
- 1941/1942: Keine Angaben
- 1942/1943: drei Klassen mit 106 Knaben, fünf Klassen mit 162 Mädchen. Gesamt: 268
- 1943/1944: drei Klassen mit 90 Knaben, drei Klassen mit 109 Mädchen. Gesamt: 199
- 1944/1945: vier Klassen mit 127 Knaben, eine Klasse mit 32 Mädchen. Gesamt: 159
Es ist an zunehmen, dass Schulkinder von anderen, stillgelegten Schulen, insbesondere der Knabenhauptschule Herthergasse 28, in die Hetzendorfer Straße 66 kamen, da gerade in diesem Jahr die Schüleranzahl wieder stieg.
Gegenwart
An diesem Standort Hetzendorfer Straße 66 befindet sich heute eine Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule (BHAK und BHAS) für Berufstätige, auch noch International Business College Hetzendorf (ibc hetzendorf) genannt.
Quellen
- Georeferenzierter Kriegsschädenplan von 1946 in Wien Kulturgut
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Stadtschulrat, A9/1 – Standesausweise: Öffentliche Schulen 1916-1945
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Stadtschulrat, B4 – Standesausweise 1876-1915
- Verwaltungsbericht der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien im Jahre 1900. Bericht des Bürgermeisters Dr. Karl Lueger. Wien: Wilhelm Braumüller, k. u. k. Hof- und Universitäts-Buchhändler 1903, S. 357-358
- Verwaltungsbericht der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien im Jahre 1898. Bericht des Bürgermeisters Dr. Karl Lueger. Wien: Wilhelm Braumüller, k. u. k. Hof- und Universitäts-Buchhändler 1901, S. 321-322
Einzelnachweise
- ↑ Meidlinger Heimatbuchausschuss [Hg.]: Meidling. Der 12. Wiener Gemeindebezirk in Vergangenheit und Gegenwart. Mit 2 Farbendrucktafeln, 164 Voll- und Textbildern und einem Übersichtsplan des 12. Wiener Gemeindebezirkes. Wien: Österreichische Verlags- und Betriebsgesellschaft 1930, S. 153.