Johanna Dohnal
Johanna Dohnal, * 14. Februar 1939 Wien, † 20. Februar 2010 Mittergrabern im Weinviertel, Politikerin, erste Frauenministerin Österreichs.
Biografie
Johanna Dohnal wurde als Johanna Diez in Wien geboren. Sie wuchs bei ihrer Großmutter, einer Schneiderin, in Wien-Penzing auf, wo sie die Volks- und die Hauptschule besuchte. 1953 begann sie eine Lehre als Industriekaufmann in einer Kunstharzpresserei und blieb auch nach dem Lehrabschluss noch fünf Jahre im Betrieb. Ihr politisches Engagement begann bereits 1957 mit ihrem Beitritt zur SPÖ. Sie engagierte sich in der Bezirksorganisation und bei den Kinderfreunden, indem sie Parteiveranstaltungen und Spielnachmittage für Kinder organisierte.
1957 heiratete sie Franz Dohnal, von dem sie sich nach 19 Jahren Ehe trennte. 1959 wurde der Sohn Robert († 2008) und 1961 die Tochter Ingrid geboren. Zunächst in Heimarbeit tätig, arbeitete Johanna Dohnal ab 1969 halbtags als Bürokraft in einer Spenglerei. Ihre Mutter, inzwischen in Pension, half bei der Kinderbetreuung. Im selben Jahr wurde Johanna Dohnal Bezirksrätin in Penzing, 1971 erfolgte ihre Wahl zur Vorsitzenden der Penzinger Sozialistinnen.
Der Kampf um die Fristenregelung sensibilisierte Johanna Dohnal für Frauenanliegen. 1972 machte sie die Politik zu ihrem Beruf und wurde Wiener Landesfrauensekretärin der SPÖ und im selben Jahr Mitglied des Bundesparteivorstandes. 1973 wurde Johanna Dohnal als Wiener Gemeinderätin und Landtagsabgeordnete angelobt. In dieser Funktion setzte sie sich vor allem für die Ausweitung der Sozialdienste und die Forcierung der Sexualaufklärung in den Schulen ein. 1978 nahm in Wien das erste Frauenhaus Österreichs den Betrieb auf. Die Realisierung dieses Projektes, konzipiert von Vertreterinnen der autonomen Frauenbewegung, ist der Initiative Johanna Dohnals zu verdanken. 1979 wurde Johanna Dohnal als Staatssekretärin für allgemeine Frauenfragen im Bundeskanzleramt angelobt. In dieser Funktion ließ sie ein Förderprogramm für Frauen im Bundesdienst ausarbeiten. Am 2. Weltfrauenkongress in Kopenhagen 1980 leitete sie die österreichische Delegation und war Vizepräsidentin der Konferenz, die für sie auch den Einstieg in die Entwicklungszusammenarbeit bedeutete.
1987 wurde Johanna Dohnal zur Vorsitzenden der österreichischen Sozialistinnen, danach zur stellvertretenden Bundesparteivorsitzenden der SPÖ gewählt. Während ihrer Zeit als Staatssekretärin setzte Johanna Dohnal nachhaltige Initiativen im Familienrecht, im Sexualstrafrecht und im Sozialrecht. 1990 wurde Johanna Dohnal als Bundesministerin für Frauenangelegenheiten im Bundeskanzleramt angelobt. Die Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Familienarbeit und der Schutz der Frauen vor (sexueller) Gewalt waren für sie weiterhin wichtige Anliegen. 1992 wurde Johanna Dohnal von 500 Journalistinnen zur "Frau des Jahres" gewählt. Auf Initiative der Frauenministerin startete 1993 die Aktion "Kriegsopfer: Vergewaltigte Frauen", an der sich auch Familienministerin Rauch-Kallat und die Caritas beteiligten. Die Aktion diente der medizinischen und psychologischen Unterstützung vergewaltigter Frauen und Kinder im ehemaligen Jugoslawien und der Errichtung von Beratungsstellen und Frauenhäusern. Im selben Jahr war Johanna Dohnal Vorsitzende des Frauenrechtskomitees der UN-Menschenrechtskonferenz in Wien. Obwohl sie sich im Herbst 1995 von allen politischen Funktionen zurückgezogen hatte, bezog Johanna Dohnal bis zu ihrem Tod zu Frauenfragen, zu Fragen der Menschenrechte und sozialen Fragen öffentlich Stellung.
1995/1996 hielt sie am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Wien das Proseminiar "Historische und strukturelle Voraussetzungen für institutionalisierte Frauenpolitik in Österreich" und 2007/2008 lehrte sie im Wintersemester als Gastprofessorin an der Universität Innsbruck in der Fakultätsreihe "PolitikerInnen in Residence". Sie engagierte sich bei dem vom Unabhängigen Frauenforum initiierten "Frauen-Volksbegehren" 1997, das mehr als 645.000 Personen unterschrieben haben.
Anfang 2010 schlossen Johanna Dohnal und ihre langjährige Lebensgefährtin Annemarie Aufreiter eine "eingetragene Partnerschaft", kurz nachdem dies in Österreich möglich war.
Johanna Dohnal war Bürgerin der Stadt Wien. 2011 wurde ein Gemeindebau in Penzing und am 5. Juni 2012 der Johanna-Dohnal-Platz in Mariahilf nach der Politikerin benannt. 2020 war der preisgekrönte Dokumentarfilm "Die Dohnal – Frauenministerin / Feministin / Visionärin" von Sabine Derflinger in den österreichischen Kinos zu sehen.
Werke
- Johanna Dohnal: Innensichten österreichischer Frauenpolitiken: Innsbrucker Vorlesungen. Hrsg. von Erika Thurner. Innsbruck / Wien: Studien-Verlag 2008
- Johanna Dohnal [Hg.]: Das Theater mit dem Gender. 10 Jahre KosmosTheater. Wien: Löcker 2010
Film
- Sabine Derflinger (Regie / Drehbuch): Die Dohnal – Frauenministerin / Feministin / Visionärin. Österreich: Plan C Film OG / Derflinger Filmproduktion 2019
Literatur
- "Ich wusste nicht, was eine Feministin ist". Regisseurin Sabine Derflinger erinnert an die Frauenrechtlerin Johanna Dohnal. In: Falter 6/20, 05.02.2020, S. 28 ff.
- Maria Mesner [Hg.]: Johanna Dohnal. Ein politisches Lesebuch. 1. Aufl. Wien: Mandelbaum-Verlag 2013
- Susanne Feigl: Was gehen mich seine Knöpfe an? Johanna Dohnal − eine Biografie. Wien: Ueberreuter 2002
- Eva Kreisky / Margit Niederhuber [Hg.]: Johanna Dohnal. Eine andere Festschrift. Wien: Milena Verlag 1998
- Österreichisches Parlament: Johanna Dohnal [Stand: 05.06.2023]
Johanna Dohnal im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.
Weblinks
- Wikipedia: Johanna Dohnal
- Fembio: Johanna Dohnal
- POLAR − Wiener Politikerinnen und Politiker Archiv: Johanna Dohnal
- Österreichische Mediathek: Johanna Dohnal (SPÖ) im Gespräch mit Ilse Vögl über ihre Bestellung zur Staatssekretärin im Bundeskanzleramt. Ausschnitt aus der Sendereihe "Von Tag zu Tag", 29.10.1979