KZ-Außenlager Hinterbrühl
48° 5' 21.67" N, 16° 15' 38.22" E zur Karte im Wien Kulturgut
Neben dem Stammlager des Konzentrationslagers Mauthausen gründeten die nationalsozialistischen SS-Institutionen im Verlauf des Zweiten Weltkriegs eine große Zahl von Außenlagern, die ab 1943 die Bezeichnung "Arbeitslager der Waffen-SS" führten.
Das Lager: Deckname "Lisa"
Das KZ-Außenlager Hinterbrühl, das den Decknamen "Lisa" führte, gehörte zum Lagerkomplex des KZ-Außenlagers Floridsdorf, das mehrere für die Ernst Heinkel-Werke eingerichtete Lager in Groß-Wien umfasste. Das Lager befand sich an der Johannesgasse in Hinterbrühl. 1989 wurde das Grundstück, auf dem das KZ-Außenlager stand, vom "Verein zur Errichtung einer KZ-Gedenkstätte in Hinterbrühl" gekauft, der dort Gedenksteine und Informationstafeln errichten ließ.
Die Produktionsstätten der Heinkel-Werke befanden sich in der Seegrotte, wobei der Weg der Häftlinge vom Lager zu den Produktionsstätten angeblich direkt durch den aufgelassenen Förderturm 3 des früheren Gipsbergwerkes erfolgte.
Die Produktionsstätte: Deckname "Languste"
Nachdem die 1912 durch eine Sprengung geflutete und seit 1932 als Schaubergwerk touristisch genutzte Seegrotte Hinterbrühl am 1. Mai 1944 für Heinkel beschlagnahmt und ab August 1944 leer gepumpt worden war, wurde dort unter dem Tarnnamen "Languste" im September 1944 eine Produktionsstätte der Heinkel-Werke eingerichtet.
Vor Bombenangriffes relativ sicher, wurden in der Seegrotte von den hierher gebrachten KZ-Häftlingen die Rümpfe der Heinkel He 162 (auch Salamander) gebaut, in Teilen heraustransportiert und im KZ-Außenlager Schwechat-Heidfeld auf dem Gelände des heutigen Flughafens Wien in Schwechat zusammengebaut. Zudem waren die Häftlinge zur Anfertigung von Kopfelementen der V2-Rakete und von Bauteilen für den Nachtjäger He 216 eingesetzt.
Die zu Großteil aus Polen, der Sowjetunion und Italien stammenden Häftlinge arbeiteten zuerst im Zwei-Schicht-Betrieb mit jeweils zwölf Arbeitsstunden, dann im Drei-Schicht-Betrieb zu jeweils acht Arbeitsstunden, da sich diese Variante im Sinne der NS-Rüstungsindustrie als effizienter herausgestellt hatte.
Die Häftlinge
Die Stammbelegschaft im KZ-Außenlager Hinterbrühl umfasste rund 800 Häftlinge. Da bei der Evakuierung der KZ-Außenlager fast alle Transporte zurück in das Stammlager Mauthausen über Hinterbrühl als Sammellager durchgeführt wurden, befanden sich dort jedoch zeitweise 1.800 Gefangene inklusive der Evakuierungstransporte. Zeitzeugen sprechen sogar von mehr als 3.500 Häftlingen, die zumindest kurzfristig in Hinterbrühl interniert waren, da nicht alle Häftlinge aus dem Großraum Wien gleichzeitig in Hinterbrühl interniert worden waren, sondern in Gruppen über das dortige KZ-Außenlager nach Mauthausen getrieben wurden.
Da die Häftlinge von der SS im übergeordneten KZ-Floridsdorf registriert wurden, ist nicht bekannt, wie viele Häftlinge im KZ-Außenlager Hinterbrühl ums Leben gekommen sind.
Der Kommandant aller "Heinkel-Lager", als auch jener in Floridsdorf, Jedlesee, Schwechat-Heidfeld, Schwechat ("Santa") und Wiener Neudorf war seit Mai 1944 SS-Untersturmführer Anton Streitwieser. Für die Bewachung der Häftlinge waren großteils Angehörige der Luftwaffe zuständig.
Evakuierung und Schließung
Ins KZ-Außenlager Hinterbrühl wurden, im Zuge der Evakuierungsmaßnahmen, Häftlinge aus anderen KZ-Außenlagern wie Floridsdorf oder Schwechat-Heidfeld transportiert. Insgesamt wurden am 1. April 1945 1.884 Häftlinge zu Fuß ins KZ Mauthausen überstellt, nur 1.624 erreichten Mauthausen tatsächlich. Vor dem Abmarsch ermordeten die Bewacher 52 marschunfähige Häftlinge und ließen sie in einem Massengrab auf dem Lagergelände verscharren. Das Außenlager wurde mit 1. April 1945 aufgelöst.[1]
Gedenken und Erinnern
Die Leichen aus dem Massengrab wurden 1946 exhumiert und auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt. Bei der dort 1989 errichteten Gedenkstätte finden jährlich Gedenkveranstaltungen statt.
Siehe auch: Außenlager des KZ Mauthausen, KZ-Außenlager Floridsdorf, Zwangsarbeit, Zwangsarbeiterlager, Lager in Wien
Literatur
- Heinz Arnberger / Claudia Kuretsidis-Haider (Hg.): Gedenken und Mahnen in Niederösterreich. Erinnerungszeichen zu Widerstand, Verfolgung, Exil und Befreiung. Wien: Mandelbaum Verlag 2011, Bezirk Mödling 358
- Fabian Hümer: Der 'Volksjäger' Heinkel He 162. Forcierte Ressourcenmobilisierung im Angesicht der Niederlage. Masterarbeit, Univ. Wien. Wien 2013
- KZ-Gedenkstätte Mauthausen Memorial 2012. Wien: Bundesministerium für Inneres 2012
- Hans Maršálek: Die Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen. Wien: Österreichische Lagergemeinschaft Mauthausen 1980
- Hans Maršálek: Die Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen. Dokumentation. Wien: Edition Mauthausen 2006
- Bertrand Perz: Wien Schönbrunn. In: Wolfgang Benz / Barbara Distl [Hg.]: Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 4: Flossenbürg, Mauthausen, Ravensbrück. München: C. H. Beck 2006, S. 448-453 (Wien-Floridsdorf), S. 453-455 (Wien-Floridsdorf [AFA-Werke])
- Gisela Rabitsch: Konzentrationslager in Österreich 1938-45. Diss. Univ. Wien. Wien 1967
Weblinks
- Austria Guides: KZ-Außenlager Hinterbrühl [Stand 15.11.2019]
- Mauthausen Memorial: KZ-Außenlager Heidfeld [Stand 15.11.2019]
- Geheimprojekte.at: Lager Hinterbrühl [Stand 15.11.2019]
- Marterl: KZ Gedenkstätte Hinterbrühl [Stand 15.11.2019]
- Seegrotte: Einst und jetzt [Stand 15.11.2019]
Einzelnachweise
- ↑ Austria Guides: KZ-Außenlager Hinterbrühl [Stand 15.11.2019].